Mehr Leidenschaft als Kompetenz

Bitburg · So viele Menschen wie nie zuvor wollten beim 30. wirtschaftspolitischen Forum der Kreissparkasse Bitburg-Prüm dabei sein. Referent Reiner Calmund erfüllte die Erwartungen der 550 Gäste im Haus Beda am Freitagabend nur zum Teil.

Bitburg. Er hat geschätzte 160 Kilo auf den Rippen, 64 Jahre auf dem Buckel, kennt das Innenleben des deutschen Profifußballs besser als die meisten. Und er hatte es von Zuhause nicht sonderlich weit zum 30. wirtschaftspolitischen Forum der Kreissparkasse Bitburg-Prüm.
Denn Reiner Calmund lebt seit dem vergangenen Jahr in Saarlouis. Ein Saarländer ist der Ex-Fußballmanager, mit dem Bayer Leverkusen zu einem Spitzenclub in der Bundesliga wurde und sogar einmal ins Finale der Champions-League einzog, dadurch noch nicht geworden. Er redet so rheinisch frech drauflos, wie man es sich nur vorstellen kann. Und er gewinnt die Eifeler, die die Sparkasse zu ihrer Traditionsveranstaltung im Rahmen des Bedamarkts eingeladen hat, in den ersten 15 Minuten spielend für sich, weil er glaubhaft versichert, dass die Eifel Teil seiner Heimat ist, dass er Bitburg nicht nur wegen der Brauerei, sondern auch wegen seiner Freundschaft zu Willi Käfer, dem Besitzer der Sportschule Bitburg, gut kennt und weil ihm einst - als er in ebendieser Sportschule einen Beitrag für den Kinderkanal von ARD und ZDF drehte - im Krankenhaus Bitburg eine exzellente Behandlung eines schmerzhaften Abszesses an der Hand widerfahren ist.
Damit hat "Calli" ein frühes Tor erzielt - und das ist bei Vorträgen genauso wichtig wie im Fußball. Das gilt umso mehr, weil Calmund kein großer Theoretiker im Bereich Unternehmensführung und auch kein großer Redner ist, sondern ein Mann der Anekdoten und ein Praktiker. Das weiß er auch selbst und betont daher immer wieder seinen Leitspruch: "Da darf man nitt nur reden, da muss man es auch tun!"
Gute Torchancen


Gute Torchancen erarbeitet sich der dicke Mann auch vor allem dann, wenn er von dem erzählt, was er erlebt oder getan hat: von mutigen Spielerverpflichtungen, von Ballack oder Emerson, von den Emotionen, die ihm nach der im letzten Moment verspielten Meisterschaft für Leverkusen im Jahr 2000 entgegenschlugen, oder von den absurden Umständen, wie er als "Michelin-Männchen" verpackt, sich bei Stefan Raabs Wok-WM in den Eiskanal von Altenberg stürzte, dabei Joey Kelly kennenlernte und 2008 mit ihm und einem jungen Team das medial und wirtschaftlich erfolgreiche Projekt "Iron Calli" anging, in dem er binnen eines Jahres 30 Kilo abspeckte.
Mit diesen leidenschaftlich und amüsant vorgetragenen Geschichten belegt er glaubhaft, dass er daran glaubt, dass es beim Wirtschaften nicht nur auf professionelle Arbeitsbedingungen und Kompetenz ankommt, sondern vor allem auf die Leidenschaft der Menschen und darauf, den Mut zu haben, neue und junge Ideen auch umzusetzen. "Tradition schießt keine Tore und macht auch keinen Umsatz", sagt Calmund und wettert gleich danach ebenso leidenschaftlich gegen Nörgler und Miesmacher, die das beste Team kaputt machen.
Selbst in der besten Mannschaft reiche ein Stänkerer, um den Aufstieg zu verhindern, mit zweien gerate man in Abstiegsgefahr und mit drei solcher Exemplare im Team steige man sicher ab. Glücklicherweise gelingt es Calmund, einige dieser mit Anekdoten erspielten Torchancen zu verwandeln. Denn das, was er an theoretischen Befunden und Schlussfolgerungen zu Unternehmensführung vorträgt, bleibt eher blass. Das ist nicht sein Terrain, da spielt er unkonzentriert, zuweilen pomadig, erlaubt sich zu viele Fehlpässe und bewegt sich nur unwesentlich über dem Niveau, mit dem mittelmäßige Führungstrainer viele Unternehmen der Republik beglücken.
Technische Finessen


Die Tatsache, dass er nach zwei- - über weite Strecken, aber bei weitem nicht durchgängig unterhaltsamen - Stunden mit einem knappen Sieg die Bühne des Hauses Beda verlässt, belegt jedoch das, was der Ex-Fußballmanager im Kern vermitteln will: Erfolg entsteht nicht nur aus Kompetenz, sondern auch aus der Leidenschaft, dem Herzblut und manchmal der mutigen Frechheit, mit denen Menschen etwas daraus machen. Es lag zwar mehr am Kampfgeist des Rheinländers als an technischen Finessen. Dennoch haben die rund 550 Gäste der Sparkasse einen an vielen Stellen amüsanten, wirtschaftspolitisch angehauchten Fußballabend erlebt.

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