Mein Pate, der Bundespräsident

Seit Jahrhunderten übernimmt der Bundespräsident auf Antrag der Eltern die Ehrenpatenschaft für das siebente Kind einer Familie, die von denselben Eltern, demselben Vater oder derselben Mutter abstammen. Das Patengeschenk ist die einmalige Geldsumme von zurzeit 500 Euro, die den Eltern ausgehändigt werden.

 Bundespräsident Joachim Gauck . Foto: dpa

Bundespräsident Joachim Gauck . Foto: dpa

Während meines Sachkundeunterrichtes zum Thema "Familie" meldete sich ein Schüler besonders eifrig. Mit leuchtenden Augen berichtete er, er habe drei Paten, von denen der eine sogar der Bundespräsident sei. Stille, Staunen, ungläubiges Schauen.
Das hätte ja nun niemand dem Kleinen zugetraut, der nun mit sichtbarem Stolz die ehrfurchtsvollen Blicke seiner Mitschüler genoss.
Jawohl, der Bundespräsident persönlich war Pate von dem blonden Jungen. Dieser Pate hatte ihn zwar noch nie besucht, kam auch nicht zu seiner Kommunion, aber er hatte ein Bild von ihm in seinem Zimmer hängen. Es war ihm auch nicht bewusst, dass dieser Brauch der Übernahme einer Ehrenpatenschaft schon Jahrhunderte alt ist.
So lautet bereits ein Erlass des Kurfürsten Wenzeslaus aus dem Jahre 1790:
"Die Erlangung des landesherrlich ausgesetzten Patengeschenkes von 50 Florin für den siebten Sohn in einer Ehe, kann nur dann stattfinden:
1. wenn sämtliche sieben Söhne, in einer durch keine Tochter unterbrochenen Reihe, gezeugt;
2. wenigstens der letzte Sohn während der Regierungszeit des Kurfürsten geboren; und
3. demselben der Name des Landesherrn in der Taufe beigelegt worden ist. Die kurfürstlichen Kellner sollen diese Bestimmungen den betreffenden Pfarrern und den um ein Patengeschenk supplicierenden Eltern zu ihrer Nachricht mitteilen."
Ja, da spürt man deutlich, welch reicher Kindersegen damals in Familien herrschte, und wie schwer obige Bedingungen für Eltern zu erfüllen waren, ihre Armut durch 50 Florin etwas verbessern zu können. Dieser lobenswerte Brauch zog sich durch die Jahrhunderte. Kaiser, Republikaner und Diktatoren pflegten ihn, machten ihn aber auch in seiner Zielsetzung zu einem Instrument ihrer Politik.
Heute sind die Bestimmungen klarer und einfacher, die Ziele demokratisch und lauter. Folgende Grundsätze in Auszügen gelten seit 1980:
"Der Bundespräsident übernimmt auf Antrag der Eltern die Ehrenpatenschaft für das siebente Kind einer Familie, die von denselben Eltern, demselben Vater oder derselben Mutter abstammen. Es gilt nicht mehr, dass es sieben Söhne, in einer durch keine Tochter unterbrochenen Reihe sein müssen. Adoptivkinder sind den leiblichen Kindern gleichgestellt. Das Patenkind muss Deutscher sein. Die Ehrenpatenschaft kann in einer Familie nur einmal übernommen werden.Verpflichtungen für den Ehrenpaten dürfen aus der Patenschaft nicht hergeleitet werden. Im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel gewährt der Ehrenpate ein Geschenk.
Die örtlichen Behörden werden gebeten, sich ihrerseits der Familie anzunehmen.
Der Antrag ist vom Vater oder der Mutter zu stellen und bei der zuständigen Stadt-, Gemeinde- oder Verbandsgemeindeverwaltung einzureichen. Nach Prüfung des Antrages wird dieser unmittelbar dem Bundespräsidialamt in Bonn zugeleitet.
Die vom Bundespräsidialamt ausgestellte Urkunde über die Übernahme der Ehrenpatenschaft wird der Verwaltung übersandt. Urkunde und Patengeschenk sollen in angemessener Form ausgehändigt werden."
Das Patengeschenk ist heute die einmalige Geldsumme von zurzeit 500 Euro, die den Eltern von einem Repräsentanten der Stadt oder Gemeinde ausgehändigt werden. Im Jahr 2011 waren es 670 Ehrenpatenschaften. Bundespräsident Joachim Gauck hat seit dem Amtsantritt am 18. März 2012 bis Anfang August insgesamt 217 Ehrenpatenschaften übernommen.
Was dem Kurfürsten damals "zuviel" war, ist heute dem Bundespräsidenten "zuwenig". Doch unser kleiner Schüler kann stolz sein auf seinen Ehrenpaten, denn diese patenschaft ist in der Tat etwas Besonderes! avi

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