Michael - ein Erzengel als vielseitiges Symbol

Winterspelt · Im neuen Testament besiegt er den Teufel in Gestalt eines Drachens und schickt ihn in die Hölle. Für die Bauern, auch die in der Eifel, hat der Erzengel Michael aber noch einige andere Facetten.

Winterspelt. Am 29. September ist Michelstag, der Gedächtnistag des Erzengels Michael. Seiner gedenken Katholiken und Protestanten als dessen, der die Gott untreu gewordenen Engelsgeister aus dem Himmel stürzte, dargestellt als feuriger Fürst des Lichtes, in schimmernder Rüstung und mit einer Waage. Letztere stellt bildlich dar, dass Michael am jüngsten Tag die Menschen nach ihren Taten wiegt und sie in Gute und Böse trennt.
Im alltäglichen Leben der Bauern und in ihrem Brauchtum spielte Michael aber noch eine andere, ebenso bedeutsame Rolle - besonders in der Woche am Ende des Septembers, wenn sich der Wechsel vom Sommer- auf das Winterhalbjahr vollzieht: Die Zeit der Ernte ist zu Ende, es gilt sich auf den Winter vorzubereiten.
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Zu diesem Anlass wurden dereinst vielerorts die "Michelsfeuer" angezündet, mit denen der Sommer verabschiedet und der Herbst begrüßt wurde.
Für Kinder und Jugendliche war der Michelstag ein froher Tag: Für sie hörte die harte Arbeit des Kühehütens auf. Sicher, das Vieh wurde immer noch auf die Wiesen getrieben. Doch nun war die große Sorge nicht mehr, aufzupassen, dass die Kühe nicht auf Nachbars Wiesen gingen - die Felder waren ja abgeerntet und der zweite Grasschnitt, die Grummet, war eingefahren. Auch die Rüben und Kartoffeln waren aus dem Boden geholt. "Ab Mechelsdaach sinn die Wiesen op un alljemeen", hieß es. Ab dem Michaelstag sind die Wiesen offen und allgemein - es herrschte Weidefreiheit. "Toll!", freute sich der Schäfer. "Nun können meine Schafe die Wiesen und Felder stiefeln, gleich wo!" Das Gleiche galt für die Säuerten (Schweinehirten) und Küherten (Kuhhirten).
Wohlhabendere Familien leisteten sich ein großes Festessen, zusammen mit dem Gesinde aus Haus und Hof, das zum Michelstag arbeitsfrei hatte.
Die Freude über eine erfolgreiche Ernte war naturgemäß groß, sicherte sie doch den Bauern früherer Zeiten das Überleben. Deswegen feiert man auch seit jeher am Sonntag nach dem Michaelstag in der Kirche das Erntedankfest. Bis heute ist es vielerorts noch Brauch, ein zünftiges Erntefest zu feiern oder sogar einen Umzug mit festlich geschmückten Motivwagen zu machen.
Für Naturverbundene ist der Michelstag auch ein wichtiger Tag der Wettervorhersage: Er ist Mittelpunkt zahlreicher Bauernregeln. Einige Beispiele lauten: "Auf nassen Michaelstag ein nasser Herbst folgen mag", "Kommt Michael heiter und schön, wird es noch vier Wochen so weiter gehn" und "Ist die Nacht vor Michaelis hell, folgt ein strenger und langer Winter schnell". Mit dem Winter kommt auch die Dunkelheit: "Michel zündet\'s Licht an", sagten die Bauern in der noch nicht elektrifizierten Zeit und hatten unwohle Gefühle beim Gedanken an die langen dunklen und kalten Winternächte. Die Furcht, die Düsternis könne ebensolche Mächte hervorlocken, die Mensch und Vieh schadeten, war groß. Der mächtige und wehrhafte Erzengel Michael mit seinem Flammenschwert bot aber himmlischen Beistand und Schutz.
Mit weit irdischerem Unbill war der Michaelstag aber auch noch verbunden: Ausstehende Abgaben oder Zinszahlungen wurden um ihn herum geleistet, weswegen er, abseits von allen Erntefreuden, auch ein wenig gefürchtet war. "Michael mahnt, und Martin zahlt", lautet ein altes deutsches Sprichwort. Apropos Deutsch: Für die Deutschen an sich hat der Michael ja auch noch eine besondere symbolische Bedeutung: So rief Otto der Große (912-973) vor der Schlacht auf dem Lechfeld 955 den Erzengel um Hilfe an. Otto vernichtete die angreifenden Ungarn und seitdem war der Erzengel auch Schutzherr des Heiligen Römischen Reiches. Bis heute ist er der Namenspatron des "deutschen Michel", der, deutlich weniger militaristisch, im 18. Jahrhundert zum Symbol des verträumten und schlafmützigen Deutschen wurde, dargestellt mit Zipfelmütze und verschlafenen Augen.
Bis heute ist dieser Michel für Ausländer das Bild eines gutmütigen Deutschen, so wie für uns Marianne für Frankreich steht oder John Bull für England.

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