Missbrauchs-Prozess wird neu aufgerollt

Vor eineinhalb Jahren ist ein ehemaliger Bitburger Gastwirt vom Amtsgericht Bitburg unter anderem wegen des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen zu einer Gefängnisstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt worden. Doch noch immer befindet sich der Mann auf freiem Fuß. Wegen eines Formfehlers wird das Verfahren gegen ihn am Mittwoch wiederholt.

Bitburg. Rechtskräftig wurde das Urteil nie, das der Vorsitzende Richter des Bitburger Schöffengerichts, Udo May, im Juni 2009 verkündete: Er sprach einen damals 38-jährigen ehemaligen Inhaber einer Bitburger Gaststätte wegen des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen sowie der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger für schuldig und verhängte eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren.

May und seine beiden Schöffen sahen es als erwiesen an, dass der Angeklagte zwischen Oktober 2005 und Februar 2006 mit zwei Lehrlingen, von denen einer noch keine 18 Jahre alt gewesen war, Porno-Videos gedreht hatte. Zudem, so war die Überzeugung der Richter, sei es in zwei weiteren Fällen zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr zwischen dem Restaurantchef und einem Auszubildenden gekommen (der TV berichtete).

Der ehemalige Gastwirt hatte die Vorwürfe in dem Prozess vehement bestritten und lediglich zugegeben, seinen Lehrlingen für Drogentests Schamhaare abgeschnitten zu haben.

Der Mann legte nach dem Urteil des Bitburger Amtsgerichts Berufung vor dem Landgericht in Trier ein. Normalerweise wäre hier der Prozess neu aufgerollt worden - mit denselben Zeugen und denselben Beweismitteln. Anschließend hätten die Richter ihr Urteil verkündet - völlig unabhängig von dem, was das Bitburger Amtsgericht als erste Instanz geurteilt hatte.

Richter Udo May verzichtet auf Vorsitz



Allerdings nicht im Fall des ehemaligen Restaurantbetreibers: Weil das Bitburger Amtsgericht in seinem Beschluss, das Verfahren gegen den Gastwirt in erster Instanz zu eröffnen, einen Formfehler (siehe Extra) begangen hatte, stellte der zuständige Richter am Landgericht das Verfahren komplett ein, ohne dass es überhaupt zu einem Berufungsverfahren kam. Die Folge: Das Urteil des Amtsgerichts war damit aufgehoben, die Freiheitsstrafe gegen den Gastwirt vom Tisch.

Gegen den Beschluss des Landgerichts legte wiederum die Staatsanwaltschaft Trier Beschwerde vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Koblenz ein - allerdings ohne Erfolg: Auch das Oberlandesgericht verwies auf den Verfahrensfehler.

Eine Entscheidung, die die Staatsanwaltschaft so nicht hinnehmen will: Da die Taten noch nicht verjährt sind, hat sie den ehemaligen Gastwirt nun erneut vor dem Bitburger Amtsgericht angeklagt, sodass es am Mittwoch zu einer Neuauflage des Prozesses vom Juni 2009 kommt - mit den gleichen Anklagevorwürfen, demselben Angeklagten, denselben Zeugen, allerdings nun mit einem fehlerfreien Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts.

Und mit einem neuen Vorsitzenden Richter: Udo May, normalerweise Vorsitzender Richter des Schöffengerichts in Bitburg, verzichtet, um nicht in den Verdacht der Befangenheit zu geraten: Schließlich hatte er den Ex-Restaurantbetreiber nach der Beweiswürdigung schon einmal für schuldig befunden, obwohl dieser die Taten bestritten hatte.

"Er kann nicht erwarten, dass ich heute anders entscheiden würde", begründet May seinen Entschluss, auf den Vorsitz zu verzichten. An seiner Stelle wird Helmut Mencher, Direktor des Bitburger Amtsgerichts, die Verhandlung führen, die am Mittwoch um 9 Uhr beginnt. ExtraFormfehler: Das OLG Koblenz hat in einem Einzelfall im Jahr 2009 entschieden, dass bei einem Eröffnungsbeschluss eines Gerichts die Person des Angeklagten derart konkretisiert sein muss, dass eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Person hundertprozentig ausgeschlossen werden kann. War es zuvor an vielen Gerichten üblich, bei Eröffnungsbeschlüssen lediglich den Namen und das Geburtsdatum des Angeklagten einzutragen, sollen nach der Entscheidung des OLG obendrein auch das Aktenzeichen sowie sämtliche Zeugen, die in dem Verfahren gehört werden, in dem Beschluss festgehalten werden, um die Verwechslungsgefahr mit anderen Personen zweifelsfrei auszuschließen. Diese Voraussetzungen erfüllte der Eröffnungsbeschluss des Bitburger Amtsgerichts nicht, worauf sich der Verteidiger des Gastwirts mit Erfolg berief.

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