Mit Checkliste fit in die Zukunft

Bitburg/Prüm · Hilfe zur Selbsthilfe: Mit dem "Zukunfts-Check-Dorf" sollen die 235 Orte im Eifelkreis ihre Schwächen und Stärken selbst ermitteln und daraus Handlungsempfehlungen ableiten können. Acht Pilotgemeinden haben das Programm getestet. Bis zum Herbst läuft die Auswertung, doch erste Tendenzen sind bereits erkennbar.

Bitburg/Prüm. Die Modellphase ist noch gar nicht abgeschlossen, doch die Interessenten stehen bereits Schlange. "Andere Kreise haben schon angeklopft und wollen den Dorf-Check bekommen", sagt Edgar Kiewel. Er ist Dorferneuerungsbeauftragter bei der Kreisverwaltung Bitburg-Prüm. Und in dieser Funktion betreut er seit gut eineinhalb Jahren das Programm "Zukunfts-Check-Dorf" (siehe Extra).
Bislang vertröstet er noch die Interessenten aus anderen Kreisen: Schließlich ist das Pilotprojekt, mit dem die 235 Gemeinden im Eifelkreis fit gemacht werden sollen, für die Herausforderungen der Zukunft - etwa den Rückgang der Einwohnerzahlen und eine immer älter werdende Bevölkerung, noch nicht abgeschlossen. Allerdings zahlt sich die bisherige Arbeit (siehe Hintergrund) bereits aus: In acht Pilotgemeinden wurde die Checkliste getestet, und auch wenn die Auswertung noch andauert, lassen sich laut Kiewel bereits jetzt "allgemeingültige" Schlüsse ziehen.
Etwa im BereichGrundversorgung: So haben demnach Dorfläden in Gemeinden unter 1300 Einwohnern kaum Chancen, wirtschaftlich zu arbeiten. Dennoch sei die Grundversorgung auch in diesen Dörfern im Kreis gewährleistet: Bis zu 15 rollende Märkte steuern die Orte an, zudem werde der Internethandel auch auf dem Land immer mehr genutzt. Woran sich laut Kiewel allerdings gleich ein nächstes Problem anschließt: "Wir haben nicht überall DSL."
Abhilfe hierbei soll die Breitbandinitiative des Kreises schaffen: Bis 2016 sollen alle Ortsgemeinden eine schnelle Internetverbindung bekommen (der TV berichtete). "Wir müssen dabei allerdings beachten, dass es eine Generation gibt, die mit der neuen Technik nicht umgehen kann", sagt der Dorferneuerungsbeauftragte - und sieht hier Handlungsbedarf: So müsste es mehr Schulungsangebote für Senioren geben.
Auch im BereichSoziales sind Tendenzen erkennbar: Soziokulturelle Einrichtungen wie Dorfgemeinschaftshäuser gewinnen immer mehr an Bedeutung. Denn mit dem Wegfall von Dorfläden und Gastronomie fehlten in vielen Gemeinden Anlaufpunkte. "Die alten Menschen haben im Dorf gekauft und hatten dadurch soziale Kontakte", erläutert Kiewel, "daher ist es umso wichtiger, dass man ein gut funktionierendes Gemeindehaus hat mit verschiedenen Angeboten, damit die Leute nicht vereinsamen." In Arzfeld habe man im Rahmen der Modellphase beispielsweise Handlungsbedarf im Bereich Senioren gesehen - im Juni kommt deswegen die Veranstaltung "Gut leben im Alter", ein Workshop-Angebot des Landes Rheinland-Pfalz, in die Gemeinde.
Im Bereich Bauland sind ebenfalls Trends festzustellen. So ist sich Kiewel sicher, dass künftig erschlossene Bau-Grundstücke wieder auf den Markt kommen. Der Grund: "Viele Menschen halten solche Grundstücke für die nächste Generation in der Familie vor, doch die Jugend bleibt nicht hier, weil sie woanders Arbeit findet."
Handlungsbedarf bestehe zudem bei zahlreichen älteren Gebäuden in den Ortskernen, die noch nicht energetisch saniert sind. "Wir werden bei entsprechendem Bedarf Beratungen vor Ort anbieten, denn dann kommen die Leute auch", sagt Edgar Kiewel.
Auch im BereichInnenentwicklung der Dörfer kann die Checkliste weiterhelfen: So ist das Ziel, mit den erhobenen Daten ein kreisweites digitales Gebäudekataster anzulegen, das Infos liefert über den Zustand von Gebäuden, ihren Richtwert, Nutzung, Alter der Bewohner, mögliche Leerstände und ob Häuser in absehbarer Zeit veräußert werden sollen. Mit einem Blick können so etwa Probleme im Ortskern erfasst werden - und falls nötig, kann dann punktuell ein Planer beauftragt werden, um ein Innenentwicklungskonzept für eine Gemeinde zu erarbeiten.
"Wir müssen über die Entwicklung der Dörfer diskutieren und nachhaltig darüber sprechen", ist Kiewel überzeugt, "der Zukunfts-Check-Dorf ist dabei eine tolle Sache, mit dem der Kreis treffgenau reagiert." Ein Check, der - auch wenn noch nicht ganz fertig - schon jetzt Begehrlichkeiten über den Eifelkreis hinaus weckt.
Meinung

Aufwand, der sich lohnt
Pragmatisch, praktisch, gut. So kurz und knapp lässt sich der "Zukunfts-Check-Dorf" zusammenfassen. Er ist pragmatisch, weil für professionelle Analysen in den meisten Haushalten der 235 Eifelkreis-Gemeinden ohnehin kein Geld vorhanden ist. Er ist praktisch, weil die Bewohner eines Dorfes eben am besten wissen, wo in ihrem Ort der Schuh drückt. Und weil die Checkliste ein Handwerkszeug ist, mit dem alle Gemeinden, egal wie groß, egal wie strukturiert und wie weit weg vom nächsten Mittelzentrum, gleichermaßen arbeiten können. Und letztlich ist er auch gut, weil schon die ersten Ergebnisse aus den acht Pilotgemeinden zeigen, dass sich mit dem Programm wertvolle Erkenntnisse gewinnen lassen. Zugegeben. Dabei mitzumachen, kostet Zeit und viel Engagement. Doch der Aufwand lohnt sich! n.ebner@volksfreund.deExtra

Die Ausgangslage: Verwaiste Häuser im Ortskern, leerstehende Dorfkneipen und -läden, einsame Senioren - mit diesen Problemen sind viele der 235 Gemeinden im Eifelkreis konfrontiert. Dorferneuerungskonzepte gibt es zwar, diese sind jedoch im Schnitt 20 Jahre und älter. Und sie fortzuschreiben, kostet Geld - laut dem Dorferneuerungsbeauftragten Kiewel 4000 bis 10 000 Euro pro Gemeinde. Mit dem "Zukunfts-Check-Dorf" soll den Gemeinden ein Leitfaden an die Hand gegeben werden, mit dem sie sich selbst analysieren, Schwachstellen und Stärken erkennen und daraus Handlungsempfehlungen für die Zukunft entwickeln können. Und das kostenlos: Denn die Entwicklung der Checkliste zahlt der Kreis - rund 24 000 Euro. Weitere knapp 21 000 Euro kommen aus dem Leader-Topf. nebExtra

Die bisherige Arbeit: Eine Arbeitsgruppe mit Fachleuten aus der Kreisverwaltung, vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum, Deutschen Roten Kreuz und der Caritas entwickelte zunächst Erhebungsbögen und -karten. Themen wie etwa Bauleitplanung, Gebäudemanagement im Ortskern und in Neubaugebieten, Grundstücksmanagement, Soziales und Grundversorgung wurden dabei erfasst. Die daraus entwickelte Checkliste wurde den Vertretern der acht ausgewählten, strukturell unterschiedlichen Modelldörfer - Arzfeld, Bitburg-Erdorf, Ehlenz, Ernzen, Feuerscheid, Gransdorf, Orenhofen und Utscheid - im Frühjahr 2012 zur Verfügung gestellt. Derzeit arbeitet die Kreisverwaltung an der Auswertung der erfassten Daten, endgültige Ergebnisse sollen im Herbst vorliegen. Anschließend sollen die Vertreter aller weiteren Gemeinden im Eifelkreis - so sie denn wollen - geschult werden, um das Programm künftig auch in ihrem Dorf anzuwenden. neb

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort