Mit Tornister, Schiefertafel und Griffeldose gewappnet für den Ernst des Lebens

Herbert Wirtz aus Bitburg-Erdorf schreibt gerne Geschichten von früher auf. Früher, das ist für ihn Mitte der 30er Jahre. Da war er gerade sechs Jahre alt und wurde eingeschult in Zendscheid, seinem Heimatort. Im Folgenden der Text von TV-Leser Herbert Wirtz:

Es war nach Ostern 1934, als für mich der Ernst des Lebens begann. Meine Schulausrüstung bestand aus einer Schultasche, einem sogenannten Tornister, der mit zwei Trageriemen ausrüstet war. Diesen Tornister, der aus kräftigem Rindleder gemacht war, hatte mir mein Großvater zum Schulbeginn gekauft, er hat mich meine ganze Volksschulzeit begleitet. Der Inhalt dieses Tornisters war zu Anfang der Schulzeit noch sehr bescheiden. Eine Schiefertafel, daran ein Läppchen zum Säubern der Tafel, eine Griffeldose mit zwei Schiefergriffeln, eine kleine Blechdose mit einem Schwamm, der immer feucht sein sollte und ebenfalls zum Putzen der Tafel diente. Da wir damals noch die Sütterlinschrift lernten, war die Tafel auf einer Seite mit entsprechenden Linien bedruckt. Sauber angezogen, mit frisch gewichsten Schuhen, entließ mich Mutter mit der Mahnung: "Benimm dich anständig und pass gut auf."
Acht Klassen in einem Raum


Als der Lehrer auf der Haustreppe erschien und in die Hände klatschte, stellten sich die Schüler auf und gingen geordnet in den Schulsaal. Wir vier Erstklässler wurden vom Lehrer freundlich empfangen, der uns dann unsere Plätze zeigte: Die Jungen saßen auf der Jungenseite, die Mädchen auf der Mädchenseite, jeweils in den vorderen Bänken. Nachdem der Lehrer den sieben anderen Jahrgängen ihre Aufgaben zugewiesen hatte, kam er zu uns. Neben der Tafel hing eine Deutschlandkarte. Und natürlich gab es einen Holzofen aus Gusseisen, mit dem der Schulsaal im Winter geheizt wurde. Mitten an einer der Wände hing auch ein Bild von Adolf Hitler, über der Eingangstür ein Kruzifix.
Wie es damals so üblich war, bekam der Lehrer gegen bescheidenes Entgelt in dem einen Haus Milch und Butter, in einem anderen Haus die Einkellerungskartoffeln. Bei der Hauschlachtung fielen auch ein paar Würste oder ein Stück Fleisch ab. Die schulpflichtigen Kinder aus diesen Familien wurden, wenn sie zu Hause dringend gebraucht wurden, schon mal für ein paar Stunden vom Unterricht freigestellt.
Wenn ausnahmsweise der Rohrstock einmal benutzt wurde, mussten sich die Jungen über die erste Bank legen und bekamen ein paar Schläge auf den Hintern. Die Mädchen, die wesentlich seltener mit Schlägen rechnen mussten, traf es wenn, dann auf den Innenflächen der Hände. Sie mussten ihre Hände ausstrecken.
In den ersten Schuljahren formierten sich auch in den kleinen Dörfern einige NS-Gruppen. Obwohl unser Lehrer sich kaum an den NS-Versammlungen beteiligte, wurden wir in diesem Sinne unterrichtet. Das Erste, was wir auswendig lernen mussten, war der Geburtstag Adolf Hitlers.
In unserem Elternhaus war das kein Thema, weil sich unser Vater mit diesem Gedankengut nicht anfreunden konnte. Er ist keiner NS-Organisation beigetreten.
Ab der dritten Klasse mussten wir dann auf Anweisung der Ortsgruppe dem "Jungvolk" beitreten. Braunhemden und schwarze Halstücher waren als einheitliche Kleidung vorgeschrieben. Die Zusammenkünfte zu Spiel und Sport, die von älteren Jugendlichen geleitet wurden, machten uns anfangs viel Spaß, bis es später dann in regelrechten Drill überging. In Dreierreihen aufstellen, rechts um, im Gleichschritt marsch. Oder im Laufschritt marsch, marsch, hinlegen, auf marsch, marsch, Fliegerdeckung, marsch, marsch und so weiter lauteten die Kommandos. Die Teilnahme war Pflicht.
Hausaufgaben beim Viehhüten


Wir Dorfjungen waren ab dem vierten Schuljahr auch fast alle Messdiener und mussten vom Frühjahr bis zum Herbst auch unseren Eltern in Haus, Garten und Feld bei der Arbeit helfen. Wir hüteten täglich das Vieh. Die Schulaufgaben wurden draußen auf der Wiese gemacht - und kamen auch schon mal zu kurz, wenn andere Kinder gerade in der Nähe Vieh hüteten. Im Herbst ging es nach der Getreideernte zum Ährensammeln, manchmal mit allen Klassen anstelle von Sportunterricht. Die Ähren wurden ausgedroschen und die Körner abgeliefert - zur Sicherstellung der Volksernährung. 1940 sind die ersten Männer aus Zendscheid an der Ostfront gefallen. Das ganze Dorf trauerte mit den Familien. Es war eine andere Schulzeit, damals.

Herbert Wirtz

Liebe Leserinnen und Leser: Erinnern auch Sie sich noch an früher, als manches anders war als heute? Die Themen können so bunt sein wie das Leben - ob Sie erzählen wollen, wie vor Jahrzehnten noch Fastnacht oder Dorffeste gefeiert wurden, wie es bei der Ernte oder der Aussaat zuging oder wie ein echtes Kirmesessen gekocht wurde: Wir freuen uns auf Ihre Geschichte. Schicken Sie uns Ihre Erinnerungen per Mail an unsere Adresse: eifel@volksfreund.de

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