Mogelpackung als Wahlgeschenk

Das ist ja mal ein nettes Geschenk vor der Wahl: Die Landesregierung ernennt Speicher zur Stadt! Das Gute daran ist, dass dieses Wahlgeschenk zumindest nichts kostet. Es bringt allerdings - außer ein paar stolz geschwellten Brüsten vor Ort - auch wenig, außer vielleicht, dass bei Besuchern, die vorher noch nie in Speicher waren, falsche Erwartungen geweckt werden.

Denn kein Dorf wird allein dadurch urban, dass es sich Stadt nennt. Rechtlich hat der neue Titel ohnenhin keinerlei Relevanz.

Die Zeiten, in denen mit Stadtrechten tatsächlich Privilegien verbunden waren, sind seit Jahrhunderten vorbei.

Zu verstehen ist der Wunsch der Speicherer gleichwohl. Denn immerhin ist Speicher - hinter den schon nicht gerade riesigen Städten Bitburg und Prüm - mit rund 3000 Einwohnern der drittgrößte Ort im Kreis Bitburg-Prüm. Zudem gibt es in der Eifel viel kleinere Orte, die sich Stadt nennen dürfen: Seien es Kyllburg, Manderscheid oder Neuerburg.

Der Größenvergleich ist allerdings kein richtig gutes Argument. Denn im Verhältnis zu Manderscheid, Kyllburg und Neuerburg müssten bald auch Arzfeld, Waxweiler, Schönecken, Bleialf, Mettendorf, Körperich, Badem, Irrel, Orenhofen, Bollendorf, Rittersdorf und Dudeldorf im Eifelkreis geadelt werden. Im Lankreis Vulkaneifel kämen Kelberg, Gillenfeld, Mehren, Üdersdorf, Pelm, Birresborn, Stadtkyll und Jünkerath hinzu. Im Landkreis Bernkastel-Wittlich wird es dann gänzlich absurd: Denn dort sind Neumagen-Dhron, Piesport, Trittenheim, Salmtal, Landscheid, Osann-Monzel, Altrich, Hetzerath, Dreis, Binsfeld, Enkirch, Thalfang, Malborn, Reil, Kröv, Kinderbeuern, Bausendorf, Zeltingen-Rachtig, Monzelfeld, Maring-Noviand, Longkamp, Lieser, Brauneberg und natürlich die Einheitsgemeinde Morbach teilweise deutlich größer als die "Städte" Kyllburg und Manderscheid, die jeweils nur um die 1000 Einwohner haben.

Natürlich wird niemand auf die Idee kommen, dass jedes dieser insgesamt 44 Dörfer in den drei Landkreisen künftig Stadt heißen soll. Vielmehr wäre es umgekehrt eine Überlegung wert, ob man künftig nicht ausschließlich das Stadt nennen sollte, wo auch wirklich Stadt drin ist. Ein Verzicht auf bedingt prestigeträchtige Mogelpackungen würde den Menschen, die einen Ort noch nicht kennen, zumindest eine Orientierung geben, was sie vor Ort erwartet.

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