Musterschule oder Elitenschmiede? Speicherer Rat diskutiert über einen sogenannten Raiffeisen-Campus

Speicher · Ab Sommer 2018 wird es leerstehen, das Realschul-Gebäude in Speicher. Was damit geschieht? Wenn es nach der CDU geht, soll dort bald ein privates Gymnasium entstehen. Die SPD ist dagegen - auch, weil sie den Vorschlag für nicht realisierbar hält.

 In der Diskussion: die Nutzung des leerstehenden Schulgebäudes in Speicher. TV-Foto: Christian Altmayer

In der Diskussion: die Nutzung des leerstehenden Schulgebäudes in Speicher. TV-Foto: Christian Altmayer

Foto: (e_eifel )

Speicher. "Ein elitäres Schulangebot für Besserverdienende" - das schreibt die Nassauische Neue Presse über den Raiffeisen-Campus in Altendiez bei Limburg. Ein privates Gymnasium nach diesem Modell soll jetzt auch in Speicher entstehen - zumindest wenn es nach der CDU-Fraktion im Verbandsgemeinderat geht.

Bei der jüngsten Sitzung des Gremiums brachten die Christdemokraten den Antrag auf eine Machbarkeitsstudie ein. Das Ziel: Experten sollen für rund 12 000 Euro prüfen, ob ein Raiffeisen-Campus im Gebäude der jetzigen Realschule plus in Speicher realisierbar wäre. Doch wie kam es überhaupt dazu?Leere Flure, leere Klassenzimmer


Der Hintergrund: Zurzeit werden im Realschulgebäude zwar noch Schüler unterrichtet, es rücken aber keine mehr nach. Die meisten Speicherer Eltern schicken ihre Kinder nach Schweich, Salmtal oder Bitburg. Und spätestens im Sommer 2018 sollen hier überhaupt keine Mädchen und Jungen mehr durch die Flure huschen und auf die Tafeln starren. Denn: Die Speicherer Außenstelle der Realschule plus Bitburg wird geschlossen - sehr zum Leidwesen des Verbandsgemeinderates. Denn hier sind sich alle Fraktionen einig: Die Kleinstadt braucht eine weiterführende Schule. Die würde Speicher auch als Wohnort für Familien attraktiver machen - so glaubt man. Doch bei der Frage nach der Schulform kommen die Parteien nicht auf einen Nenner. Jetzt greift die CDU eine Idee auf, die schon seit 2013 diskutiert wird: den Raiffeisen-Campus. Doch was ist das überhaupt?

Es lohnt ein Blick auf die Homepage. Die Betreiber der Website stellen ihre Schule als "ein innovatives privates Ganztagsgymnasium in genossenschaftlicher Trägerschaft" vor. Für die SPD-Politikerin Agnes Tillman-Steinbuß ist der Campus hingegen: "das allerletzte Schulmodell und völlig unpassend für Speicher." Ihre Begründung: Die Kinder säßen dort an Einzeltischen, starrten auf Bildschirme. Tillman-Steinbuß zeichnet das Bild einer Elitenschmiede für zukünftige Manager und Bosse. "Soziales" spiele im Lehrplan nur dann eine Rolle, wenn es um den Umgang mit Untergebenen gehe. Die Website des Campus liest sich völlig anders. Zwar ist da die Rede davon, junge Menschen "zu formen, die dem Leistungsprinzip einer globalisierten Welt gewachsen sind". Es steht dort aber auch: "Die Kinder sollen lernen, ein soziales Gewissen zu entwickeln und verantwortlich zum Wohle aller zu handeln." Und weiter: Es sollen Menschen ausgebildet werden, die "Wir" statt "Ich" sagen. Klingt das nach einer Elitenschmiede?"Wer soll das bezahlen?"


Wichtiger als Tillmann-Steinbuß' Einwand nach dem Inhalt des Lehrplans scheint vielmehr nach der Finanzierbarkeit einer solchen Schule zu sein. Der Sozialdemokrat Werner Pick habe da mal recherchiert, sagt er. Die Einrichtung eines Raiffeisen-Campus in Speicher würde mehrere Hunderttausend Euro kosten: "Wer soll das bezahlen?" Da es eine Privatschule ist, müssten Sponsoren gefunden werden, Menschen, die sich in der Genossenschaft beteiligen. Und ob man solche in der Südeifel fände, halte er für fraglich. Bevor man also eine Studie für 12 000 in Auftrag gebe, sollte geklärt sein, wie der Campus aussehen soll und noch wichtiger: was er die VG kosten würde. Dazu schlägt er vor, dass Vertreter des Raiffeisen-Programms in der nächsten Ratssitzung angehört werden sollten. Auch Peter Schilling (CDU) meldet sich zu Wort: "Ich kann Schränke füllen mit Studien, die teuer waren, und gar nichts gebracht haben." Als die Christdemokraten nach einer kurzen Beratungspause zurückkehren, stimmen aber doch alle Mitglieder für den Antrag. Dagegen sind nur die sieben anwesenden SPD-Mitglieder und ein UBL-Politiker. FDPler Franz Dockenmüller enthält sich. Die Machbarkeitsstudie wird also kommen. Und dann wird sich zeigen, ob dieser Campus wirklich realisierbar ist.Meinung

Das Geld wäre da
Sozialarbeit, auch an Grundschulen, ist sinnvoll und wichtig - nicht nur, aber auch in Speicher. Dass CDU, FDP und UBL nicht bereit sind, 16 000 Euro im Jahr dafür auszugeben, erscheint zynisch. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ebendiese Fraktionen in derselben Sitzung beschlossen haben, eine 12 000 Euro teure Machbarkeitsstudie für eine Eliteschule in Auftrag zu geben, die vermutlich nie realisiert wird. Hätte man sich die gespart, hätten ja nur noch 4000 gefehlt. Geld ist also da - man muss es nur für die richtigen Dinge ausgeben. c.altmayer@volksfreund.de

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