Hochwasser Nach der Flut kommen die Fragen

Biersdorf · Nach dem Hochwasser an der Prüm muss sich der Zweckverband des Bitburger Stausees Vorwürfen aus der Bevölkerung stellen.

 Randvoll: der Stausee Biersdorf, aufgenommen am Montag – kurz nach dem Unwetter.

Randvoll: der Stausee Biersdorf, aufgenommen am Montag – kurz nach dem Unwetter.

Foto: TV/Bernhard Heller Portaflug

Es ist früher Nachmittag, als Bettina Wolff den Anruf mit der Warnung bekommt. Dieser kommt nicht vom Krisenstab, dem Zweckverband des Stausees oder dem Ortsvorsteher, sondern von einem Bekannten, der gerade in Echtershausen ist. „Er hat nur gesagt: Passt auf, da bewegt sich was Großes auf euch zu“, erinnert sich die Frau aus Hermesdorf. „Ich bin sofort ins Dorf gerannt, um den Wehrleiter und den Ortsvorsteher zu informieren“, sagt Wolff. Doch weder den einen noch den anderen habe sie angetroffen.

Also schnell wieder zurück, um zu retten, was zu retten ist. Die Familie, die am Hermesdorfer Ortsrand wohnt, hat keine Ahnung, was da auf sie zukommt und wie viel Zeit ihr noch bleibt. Keine 20 Minuten später weiß sie es. Die Flutwelle der Prüm bewegt sich erst über die Wiesen, dann über die Straße und schließlich auf das Grundstück. Innerhalb weniger Minuten stehen Bettina und ihr Mann Andreas Wolff bis zur Hüfte im Wasser. „Unser Nachbar kam völlig aufgelöst aus dem Haus. Seine Katze hing ihm panisch am Hals“, sagt Bettina Wolf. Ihr Mann sei dann rüber geschwommen, um dem kranken Rentner zu helfen.

So schnell wie das Hochwasser kam, war es auch wieder weg. Geblieben sind feuchte Wände, aufgequollene Türen und Möbel, zerstörte Elektrogeräte und eine Ladung Wut. Denn die Wolffs und ihr Nachbar Aloys Sterpenig können nicht verstehen, warum sie nicht früher von offizieller Seite gewarnt wurden. „So ein Hochwasser kommt doch nicht einfach aus dem Nichts“, sagt Sterpenig. Zudem kritisieren er und auch Bettina Wolff, der Zweckverband des Bitburger Stausees habe zu spät reagiert. „Statt den See volllaufen zu lassen und dann alle drei Schleusen der Staumauer gleichzeitig zu öffnen, hätte man doch besser im Vorfeld schon mal eine Schleuse geöffnet“, sagt Wolff. „Dann wären die ganzen Wassermassen nicht auf einmal gekommen.“

Von diesen Massen überrascht wurden auch die Anwohner im benachbarten Wißmannsdorf sowie in Brecht. Auch dort gibt es Kritik an der Vorgehensweise des Zweckverbands und am Informationsfluss. „Die Kommunikation war alles andere als optimal“, sagt der Wißmannsdorfer Ortsbürgermeister Rudolf Winter. Während anderswo Betroffene frühzeitig von Bekannten oder Kollegen aus dem oberen Prümgebiet informiert worden seien und so genug Zeit zum Reagieren gehabt hätten, sei die offizielle Warnung für die Gemeinden direkt unterhalb des Stausees erst gekommen, als es schon zu spät war.

Je weiter sich das Hochwasser flussabwärts bewegte, desto besser waren die davon betroffenen Prümgemeinden anscheinend informiert. In Holsthum beispielsweise konnte man sich schon darauf einstellen und in Irrel sogar ein Stück weit darauf vorbereiten. Zu heftigen Überschwemmungen kam es dort aber trotzdem. „Ich kann nicht behaupten, dass wir zu spät informiert wurden“, sagt der Irreler Ortsbürgermeister Heinz Haas. Dennoch hätte der Zweckverband vielleicht früher reagieren müssen, meint er. Schließlich sei nach dem Unwetter in der Nacht auf Freitag ein Hochwasser zu erwarten gewesen, sagt Haas. „Von daher stellt sich für mich schon die Frage, ob das nicht vermeidbar gewesen wäre“, sagt er – und darauf hätte er auch gerne eine Antwort.

Die wird er bekommen. Denn wie Josef Junk, Bürgermeister der VG Bitburger Land und Vorsitzender des Stausee-Zweckverbands, auf TV-Anfrage erklärt, werde derzeit mit Hochdruck daran gearbeitet, den gesamten Ablauf aufzuarbeiten. „Wir sind selbst von dem Hochwasser in diesem Ausmaß überrascht worden“, sagt Junk. So richte sich der Zweckverband bei der Regulierung des Stausee-Abflusses nach dem Flusspegel in der Stadt Prüm. Und dieser Indikator sei kontinuierlich beobachtet worden. Und dieser Pegel sei „völlig normal“ gewesen, wie Junk betont. Sonst wäre der Zweckverband automatisch per Anruf gewarnt worden.

 Hochwasser Stausee Biersdorf

Hochwasser Stausee Biersdorf

Foto: Leserfoto
 So sah es nach dem Unwetter in Hermesdorf aus.

So sah es nach dem Unwetter in Hermesdorf aus.

Foto: Leserfoto

Das Problem ist aber, dass unterhalb von Prüm, im Bereich Lünebach, sowohl der Alf- als auch der Bierbach in die Prüm münden. Aus diesen Bächen sei das komplette Wasser gekommen, erklärt Junk. Und da der nächste Messpegel erst in Echtershausen beim Einlauf in den See ist, habe der Zweckverband die Wassermassen, die sich auf den Stausee zubewegten, auch erst ab Echtershausen zur Kenntnis nehmen können. Zur Spitzenzeit seien mehr als 13 Millionen Liter pro Minute in den See geflossen. „Wir haben in dieser Phase sogar zunächst noch mehr Wasser reinfließen als ablaufen lassen, um so viel zu puffern wie möglich“, sagt Junk und erklärt: „Hätten wir bereits früher Wasser aus dem See abgelassen, wäre die Reaktionszeit für die Unterlieger noch kürzer gewesen.“ Für solche gewaltigen Wassermengen in so kurzer Zeit sei der See einfach zu klein.

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