Nass, kalt und immer die Todesgefahr vor Augen

Dahlem · Wie haben es die Soldaten ertragen, tagelang in kleinen Erdlöchern zu übernachten - nass, kalt, frierend, ohne richtige Ernährung? Das versuchen knapp 70 Darsteller herauszufinden, indem sie die Ereignisse der Ardennenoffensive möglichst authentisch nachstellen.

Dahlem. "Drei Verwundete müssen zur Sanitätsstation gefahren werden", sagt der amerikanische Militärarzt zu dem Sergeant der Einheit. In dem kleinen Haus bei Dahlem (Kreis Euskirchen) haben sich die frierenden Soldaten einen warmen Unterschlupf gesucht. Mit Stacheldraht haben die GIs das kleine Haus abgesichert. Ein Schild warnt vor Minen. Die Männer sind erschöpft, denn es ist Ardennenoffensivenwetter: kalt und nass.
"Nur dass damals noch ein Meter Schnee lag", sagt Ulrich Kass aus Ripsdorf und lehnt sich an seinen Willy's Jeep aus dem Jahr 1942, den er vorsichtig über die glitschigen Feldwege bis an die Frontstellung gelenkt hat. Er sieht entspannt auf die Soldaten, die sich um das mitgebrachte Essen scharen. Denn Angst vor einer Granate oder einer plötzlichen Kugel muss hier niemand haben. Die Männer sind Weltkriegsdarsteller und versuchen, die Ereignisse der damaligen Zeit möglichst authentisch nachzuvollziehen.
Originalgetreue Utensilien


"Wir spielen nicht Krieg, das ist Klischee", sagt Peter Drespa vom Westwallzentrum Eifel. Bei dem Treffen, das an diesem Wochenende rund um Dahlem stattfindet, fällt kein Schuss, es werden keine Kampfhandlungen simuliert. Das Zauberwort heißt "Re-Enactment" und entspricht dem, was Besucher auf Mittelalterfesten fasziniert: Menschen suchen sich Rollen aus vergangenen Zeitaltern und versuchen ihre historischen Vorbilder so exakt wie möglich nachzustellen. "Manche von uns gehen das fast schon wissenschaftlich an", beschreibt Drespa das Interesse.
Seit Jahrzehnten arbeiten manche Darsteller mit akribischer Detailgenauigkeit an ihrer Rolle und statten sie mit originalgetreuen Utensilien aus. Jedes Detail ist wichtig. Wie waren die Vorgänge, wenn ein Verletzter von der Front in die sichere Etappe transportiert werden musste? Jede Fahrt wurde erfasst, jede Verlegung war nachvollziehbar, erklärt der Mann, der den amerikanischen Militärarzt verkörpert und weist auf das Klemmbrett, auf dem die Aufträge verzeichnet sind. Das Wochenende hat einen handfesten Hintergrund. Denn die Darsteller von amerikanischen und deutschen Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg sind in ihrer Darstellung so akkurat, dass sie bei Produzenten von Dokumentarfilmen begehrt sind. "Ausrüstungsgegenstände sind original oder werden originalgetreu nachgebaut", sagt Drespa. An diesem Wochenende sollen die Abläufe geprobt werden, die später in dem Film dargestellt werden sollen: Der Abtransport von Verwundeten von der Front bis ins Hospital.
Besonders begehrt bei den Filmproduzenten, sind auch die originalgetreuen Fahrzeuge. "Eigentlich waren die auf Verschleiß gebaut und sollten nur ein paar Monate halten", sagt Frank Etten, der einen Dodge-Lastwagen sein Eigen nennt. Das Fahrzeug ist eine Rarität, denn es ist der einzig erhaltene, an dem auch ein Kran montiert werden kann. Vier Stück wurden damals gebaut. Stolz berichtet Etten, dass es ihm vor zwei Wochen gelungen ist, den passenden Kran zu erstehen.
Aus den Benelux-Ländern


Ein aufwendiges Hobby gibt Drespa zu. Entweder sind die Ausrüstungsgegenstände original oder werden aufwendig nachgebaut, wie die Details in der Feldpost von Frank Decker. Stempel, Umschläge, Pakete, alles ist den originalen Vorbildern nachempfunden. Und so dient die Möglichkeit, für einen Film als perfekt ausgestatteter Statist engagiert zu werden, auch dazu, das kostspielige Hobby zu finanzieren.
Drespas Gruppe vom Westwallzentrum stellt nur einen kleinen Teil der 68 Teilnehmer. Mit Frank Etten hat er seine Kontakte spielen lassen und eine große Gruppe von Darstellern zusammengerufen. Viele davon kommen auch aus den angrenzenden Beneluxstaaten. "In Belgien und Holland geht man viel entspannter damit um, wenn jemand in einer Weltkriegsuniform herumläuft", lächelt Drespa.
Auch deutsche Uniformen sind zu sehen. Einige in feldgrau gekleidete Landser-Darsteller haben einige Kilometer weiter ihr Lager aufgeschlagen. Sie üben getrennt von den amerikanischen Soldaten, doch freuen sich, von der GI-Feldküche versorgt zu werden. Auch die ist authentisch, mit Geräten der Baujahre 1944 und 1945 und wird von dem Belgier Christophe bestückt. Heute gibt es Ravioli, für alle, egal, ob sie deutsche oder amerikanische Uniformen tragen.
"Wir stellen die 26. Volksgrenadierdivision dar, das letzte Aufgebot, das passt auch mit dem Alter", lacht der mittelalte Mann, der seinen Namen ungern nennen würde. Oft würden sie falsch verstanden, erzählt er, als Kriegsverherrlicher oder Altnazis. Auch wenn die Hakenkreuze auf den in China nachgeschneiderten Uniformen sorgfältig übernäht wurden, würden sie misstrauisch beäugt.
Schlaflosigkeit und Erschöpfung


"Wir verknüpfen mit dem, was wir hier tun, keinerlei politisches Statement", betont Tobias Honings aus Aachen, der das rote Kreuz auf seinem amerikanischen Militärhelm trägt. Er ist als Krankenpfleger besonders an der medizinischen Ausstattung interessiert, die damals zur Verfügung stand. "Deshalb spiele ich einen ,Medic'", erklärt er. Er will die Soldaten beider Seiten würdigen, die damals unmenschliches durchlitten hätten, sagt er, während die Kameraden zustimmend nicken.
Viele von ihnen haben auch die deutsche Uniform im Schrank hängen. "Ich bin jeden Tag froh, dass wir keinen Krieg haben", fährt er fort. Die authentische Darstellung ist das Ziel.
Das Leid der jungen Leute, die damals in der Ardennenoffensive aufeinandergehetzt wurden, durchleben die Darsteller am eigenen Leibe. "Wir versuchen, die Grenzen auszuloten, die die Soldaten damals hatten", erläutert Drespa. An diesem Wochenende hätten sie festgestellt, dass unter den aktuellen Witterungsbedingungen mit Schlaflosigkeit und Erschöpfung eigentlich kaum noch einer in der Lage gewesen sei, eine Gruppe zu führen.
Wie es die Soldaten damals ertragen haben, tagelang in kleinen Erdlöchern zu übernachten, nass, kalt, frierend, ohne richtige Ernährung und immer mit der Todesgefahr vor Augen, ist für alle, die draußen in Dahlem nun solche Szenen nachstellen, kaum nachvollziehbar. Die Füße sind kalt, die Knochen sind schwer. Was genau in dem Film gefordert ist, dessen Dreharbeiten in diesem Herbst beginnen sollen, weiß Peter Drespa auch noch nicht so genau. Auch der Titel kann sich noch ändern.
Die Ausrüstung und Darstellung der Männer und Frauen um Peter Drespa können am Karfreitag, 25. März, um 20.15 Uhr im Fernsehen verfolgt werden. Dann sendet RTL den Film "Duell der Brüder", in dem Fahrzeuge und Darsteller vom Westwallzentrum Eifel dabei sind.
Extra

Das Westwallzentrum Eifel (WZE) befindet sich teils in der Gemeinde Dahlem in Nordrhein-Westfalen und teils in der Verbandsgemeinde Obere Kyll. Das Zentrum, das Peter Drespra aus Dahlem seit der Eröffnung 2007 leitet, besteht aus zehn Anlagen des ehemaligen Westwalls, die für Besucher verkehrsgesichert erschlossen sind. Es handelt sich um Bunkeranlagen wie zum Beispiel einen Gefechtsstand und eine Flak-Stellung sowie eine Fernmeldeanlage und Panzer-Hindernisse der "Höckerlinie". Das WZE ist davon überzeugt, dass nicht nur ein Markt, sondern auch eine politische Notwendigkeit für die touristische Erschließung von Westwallanlagen besteht. Hitlers Bollwerk, der Westwall, reichte 630 Kilometer von Kleve bis nach Weil am Rhein. scho

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