Neues Leben in der Römer-Siedlung

Nettersheim · Unterhalb der Görresburg bei Nettersheim soll bis Ende 2013 ein Archäologie-Park entstehen. Mittwoch wurde feierlich der Grundstein für das Bauprojekt gelegt. Zukünftige Grabungen sollen nach und nach integriert werden.

 Bei Fackelschein spielte der „römische Signalhornbläser“ Felizius Poth auf. Der Grundstein, eine Steinkiste mit Beigaben, in die „ Eburonin“ClaudiaEul dieReplikeinesaltenDolcheslegte,wurdeoberhalbdesMatronenheiligtums„Görresburg“in dieErdegelassen.Empfangenwurdendie zahlreiche Gäste im Holzcampus in Nettersheim von den Legionären der Legio XV. Primigenia. TV-Foto: Manfred Hilgers

Bei Fackelschein spielte der „römische Signalhornbläser“ Felizius Poth auf. Der Grundstein, eine Steinkiste mit Beigaben, in die „ Eburonin“ClaudiaEul dieReplikeinesaltenDolcheslegte,wurdeoberhalbdesMatronenheiligtums„Görresburg“in dieErdegelassen.Empfangenwurdendie zahlreiche Gäste im Holzcampus in Nettersheim von den Legionären der Legio XV. Primigenia. TV-Foto: Manfred Hilgers

Nettersheim. "An kaum einem anderen Ort lassen sich herausragende Denkmäler der Römerzeit, abwechslungsreiche Landschaft sowie artenreiche und sehenswerte Natur derart erleben und vermitteln", sagt Nettersheims Gemeinde-Archäologin Dr. Imke Ristow über die Fläche unterhalb der Görresburg. Auf dieser entsteht nun der Archäologische Landschaftspark.
Mittwoch wurde im Schein der Fackeln oberhalb der Görresburg bei Nettersheim der Grundstein dafür gelegt. Dieser Feier wohnten auch "Legionäre" der Legio XV. Primigenia, "Eburonen" aus Euskirchen und Felizius Poth aus Urft als römischer Signalhornbläser bei. Sie sorgten schon für eine Vorahnung, wie sich das mit dem neuen Leben in der alten Römer-Siedlung gestalten könnte.
Erlebnisraum Römerstraße


Vor der Grundsteinlegung konnten sich die Gäste gestern im Holzcampus zunächst auf einer Dokumentenrolle verewigen, die neben anderen Beigaben in den Grundstein - eine Steinkiste - eingelassen wurde. Im nachgebauten römischen Reisewagen wurde diese Kiste mit den Beigaben zur Görresburg transportiert, dem der Tross der Gäste folgte.
Die Gemeinde Nettersheim beteiligt sich mit 18 Kommunen und dem Amt für Bodendenkmalpflege des Landschaftsverbandes Rheinland am Großprojekt Erlebnisraum Römerstraße der Regionale 2010. Die Nettersheimer müssen bis Ende 2013 diesen Landschaftspark an der Agrippastraße errichten. Die Planung entwickelten Vertreter der Gemeinde, des Archäologischen Instituts der Uni Köln und verschiedener Planungsbüros. Ein Fachbeirat begutachtete die Ideen.
Was entsteht auf dem Gelände der ehemaligen Römer-Siedlung, Vicus genannt? Die Vicus-Fläche wird an Nettersheim und das Naturschutzzentrum mit archäologischer Dauerausstellung und Römerstraßen-Infopunkt angeschlossen - und zwar durch einen vier Kilometer langen Rundweg. Hier werden Erlebnisstationen errichtet, die vor allem Kindern und Familien Entdecker- und Mitmach-Möglichkeiten bieten: "Reisen wie die Römer", "Besuch am Tempel", "Ausblick auf Marcomagus", "Wohnen im Vicus", "Römer auf Straßenposten", "Forschen wie die Archäologen", "Römisches Handwerk und Gewerbe" mit Taverne und "Historische Nutz- und Heilpflanzen". Es entstehen Ruheplätze für Radler und Wanderer.
Leitsystem führt die Besucher


Ein Kennzeichnungssystem wird die Besucher leiten. Nach Fertigstellung sieht der Gast nachgezeichnete Spuren der Römer, die Andeutung der historischen Situation in der Landschaft, die teilweise Rekonstruktion antiker Funde durch Trockenmauern und in Teilen die Rekonstruktion von originalen römischen Befunden an ausgewählten Punkten.
Die Umfriedungsmauern des Matronenheiligtums werden verkleinert. Dadurch sollen die Mauerrekonstruktionen der drei Bauten stärker ins Auge rücken. Insgesamt soll das Erscheinungsbild näher an das Original heranrücken, das im Jahr 1909 ausgegraben wurde. Die Abgüsse der Weihesteine werden künftig dort aufgestellt, wo sie gefunden wurden.
Die Trasse der Agrippastraße, die direkt am Heiligtum vorbeiführte, wird in voller Breite durch Schotterrasen markiert. Erdaufschüttungen kennzeichnen die Streifenhäuser, die an der Straße standen.
Es handelte sich um langgestreckte Gebäude, in denen sich zur Straße hin ein Laden oder eine Werkstatt befand und die im hinteren Bereich als Wohnhäuser dienten. Eines dieser Streifenhäuser wird durch Aufmauerung nachgezeichnet. Dabei soll auch ein Blick auf das Original-Mauerwerk ermöglicht werden.
Jenseits der Urft am Steinrütsch wird das 40 mal 40 Meter messende Kleinkastell markiert werden. Der Standort der Türme wird durch Steinquader sichtbar, und die umgebende Befestigung durch Trockenmauern angedeutet.
Durch Geländemodellierung wird der Graben, der die kleine Festung umgab, verdeutlicht. Ein archäologisches Fenster wird dem Besucher einen Blick auf Relikte der Eisenverhüttung freigeben. Eisenverhüttung und Metallverarbeitung, diesen Schluss lassen die Grabungen zu, wurde hier wohl in größeren Maß betrieben.
Neue Grabungen integriert


Die Archäologen gehen davon aus, dass es sich bei der Siedlung um Marcomagus handelt, der Name, der im heutigen Marmagen weiterlebt. Die Römersiedlung, ein regional bedeutsames klein städtisches Zentrum, bestand nach neuesten Forschungsergebnisse vom 1. bis ins 5. Jahrhundert.
Die neueren Grabungen, die 2009 begannen, werden fortgesetzt. Weitere Elemente der Siedlung, die im Verlauf der Untersuchungen erwartet werden, werden neue Bausteine des Parks. Diese Grabungen werden Anlaufpunkte für Besucher.
Bei der Gemeinde geht man davon aus, dass der Park viele Besucher lockt. Deshalb steht schon jetzt fest, dass er über den Rundweg nur zu Fuß oder mit dem Nachbau eines römischen Reisewagens zu erreichen ist. Die Vicus-Fläche selbst liegt unmittelbar in der Nähe mehrerer Rad- und Wanderwege und am Eifelsteig.
300 000 Euro muss die Gemeinde Nettersheim aus eigener Tasche für den Archäologischen Landschaftspark bezahlen. Insgesamt kostet das Nettersheimer Projekt 1,9 Millionen Euro, wie Bürgermeister Wilfried Pracht erklärte, Die restlichen 1,6 Millionen Euro werden von EU, Bund und Land beigesteuert.Extra

Der Archäologische Landschaftspark sei ein "in jeder Hinsicht besonderes Projekt", sagte Dr. Thomas Otten, der "oberste Denkmalschützer unseres Landes", wie es Bürgermeister Wilfried Pracht formulierte. Der Referatsleiter Denkmalschutz und Denkmalpflege im NRW-Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr zeigte sich überzeugt, dass in Nettersheim ein Vorzeigeobjekt entsteht. Wilfried Pracht freute sich auf das, was in den nächsten 15 Monaten auf der Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen wachsen werde. Er bezeichnete es als "kleines Wunder", dass bei Nettersheim eine römische Kleinstadt ausgegraben worden sei. Pracht bedankte sich bei allen, die mitgeholfen haben, das Projekt zu verwirklichen, und bei den "Römern", die die Besucher gestern wie vor 2000 Jahren empfingen. Als er vor dreieinhalb Jahren vom Erlebnisraum Römerstraße erfahren habe, habe er schnell erkannt, das sich hier die Chance auftue, ein Projekt zu verwirklichen, "das unsere Gemeindeväter schon vor 30 Jahren im Auge hatten". Prof. Dr. Jürgen Kunow, Leiter des LVR-Amts für Bodendenkmalpflege, war "überwältigt von der großen Kulisse", die im Holzcampus aufgebaut worden war. Die Gemeinde habe sich bezüglich der Pflege von Kulturdenkmäler immer als vorbildlich erwiesen. Jetzt werde der Grundstein für die touristische Nutzung des Vicus gelegt. Innerhalb des Erlebnisraums Römerstraße von Köln bis Trier sei das Nettersheimer Vorhaben ein "Leuchtturmprojekt". bk

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort