Noch zu oft eine Frage der Ehre

BITBURG-PRÜM/DAUN. Insgesamt 118 so genannte IN-Verfahren wurden 2003 vom Insolvenzgericht Bitburg abgewickelt. Die ersten Wochen des neuen Jahres lassen eine Steigerung befürchten. Wichtig für die Unternehmer: das neue Insolvenzrecht als Sanierungschance sehen.

Die reine Zahl ist Besorgnis erregend: Im Kreis Bitburg-Prüm und an der Oberen Kyll, für die das Insolvenzgericht in Bitburg mit Rechtspfleger Jürgen Heinz zuständig ist, gab es im vergangenen Jahr 118 Insolvenzverfahren, eingerechnet auch die Insolvenzen ehemals Selbstständiger. Die Zahl der "echten" eröffneten Firmeninsolvenzen, einschließlich derjenigen, die später mangels Masse abgewiesen wurden, belief sich nach Auskunft der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier für den Kreis bis Ende November auf 33 Verfahren. Betroffen waren laut IHK-Pressesprecher Günther Kiefer 188 Beschäftigte, und es ging um ausstehende Forderungen in Höhe von 17,5 Millionen Euro. Im Vergleich zu 2002 war das eine Steigerung, und nach ersten Hoffnungen auf eine Erholung im Jahr 2004 muss Rechtspfleger Heinz einräumen: "Zunächst glaubten wir an ein Aufatmen, aber die letzten Tage haben gezeigt: Es ist noch kritischer als zu Beginn des letzten Jahres." Weil man von Einzelfaktoren wie der Präsenz der US-Streitkräfte abhängig ist, befürchtet Heinz, dass der bisherige Trend, in Sachen Insolvenzen unter dem Bundesdurchschnitt zu liegen, auf lange Sicht nicht anhalten wird und der eigentliche "Crash" für die Wirtschaft der Süd- und Westeifel noch bevorsteht. Vor allem die Baubranche, Gastronomie, Landwirtschaft, der Sektor Metallbau und bedingt auch der Schwerpunkt Autohandel seien bedroht.Zu hohe Schulden, zu wenig Eigenkapital

Nicht nur externe Fakten und Zahlen, die von den Unternehmen selbst nicht beeinflusst werden können, sind nach seiner Erfahrung mitverantwortlich dafür, dass Betriebe scheitern, vor allem im familiär geprägten Mittelstand oder bei den kleinen Unternehmen. Oft sei die verbreitete Koppelung von hoher Verschuldung und niedrigem Eigenkapital Ausschlag gebend für das Aus. Krisen seien damit nicht abzufedern. Eine regelrechte Spirale abwärts kennzeichne viele ins Trudeln geratene Firmen: "Bis zum letzten Atemzug wird nach außen hin ein positiverer Eindruck verbreitet als es der tatsächlichen Lage entspricht." Stattdessen werden "gigantische Grundpfandrechte" eingetragen, die nicht dem real erzielbaren Erlös entsprechen. Die Folge sind höhere Kreditbelastungen bei schlechteren Konditionen; das finanzielle Desaster kommt umso schneller.Empfehlung an Betriebe: Transparenz

Sowohl das Insolvenzgericht als auch Kreditinstitute wie die Kreissparkasse (KSK) Bitburg-Prüm empfehlen den Betrieben Transparenz. "Das neue Insolvenzrecht bietet Chancen zur Sanierung und Sicherheit", bestätigt Norbert Laufs, Vorstandsmitglied für Kreditgeschäfte der KSK, die Auffassung von Jürgen Heinz, wonach Unternehmen umdenken müssen. Es sei keine Frage der Ehre, umschreibt Heinz das bedingungslose Insolvenzvermeidungsstreben der Mittelständler, sondern oft eine nüchterne Frage der Rechtzeitigkeit, ob eine endgültige Pleite letztlich abgewendet werden kann oder nicht. Auch die KSK gibt an, dass sie kritischen Kunden Fristen setzt. Als Gläubigerin ist sie - wie alle Kreditgeber - berechtigt, das Insolvenzverfahren einzuleiten, "aber davon haben wir in den letzten zehn Jahren keinen Gebrauch gemacht", so Laufs. Die gesetzlich verankerte Insolvenzantragspflicht für GmbH und AG setzt spätestens drei Wochen nach Zahlungsunfähigkeit ein, alles danach ist strafbare Insolvenzverschleppung. Doch vielfach sei längst vorher klar, wohin die Reise geht, und schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit, gekoppelt mit Überschuldung, sei der Gang zum Insolvenzgericht das einzige Mittel, den Betrieb am Ende doch noch zu retten. "Je schneller ein Unternehmer in der Krise so reagiert, desto mehr sind Gläubiger bereit, das zu honorieren und mit dem Schuldner zu kooperieren." Der Mut, rechtzeitig die eigene Schieflage anzuerkennen, auf Offenheit zu setzen und sich die Hilfe eines Insolvenzverwalters zu holen, könne dazu beitragen, selbst als Unternehmerpersönlichkeit im eigenen Betrieb zu überleben. "In der Regel jedoch kommen sie zu spät, das ist leider die verbreitete Mentalität", bedauert Heinz.

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