Notstand in der Wache: Michael Billen prangert Personalmangel in Bitburger Polizeiinspektion an

Bitburg · Es brennt, es kracht, eine Frau wird bedroht, im Haus stehen Einbrecher: Die Polizei eilt herbei - vorausgesetzt, es sind genug Beamte im Dienst. Der Personalnotstand hat in der Bitburger Inspektion für den CDU-Kreisvorsitzenden Michael Billen ein besorgniserregendes Niveau erreicht.

"Wir stehen mit dem Rücken an der Wand", klagen gestandene Polizisten. Mit Namen will das öffentlich keiner sagen. Das Thema ist sensibel. "Die Innere Sicherheit zählt zu den elementaren Grundbedürfnissen der Bürger und daher zu den verfassungsstaatlichen Kernaufgaben", schreibt das Innenministerium auf seiner Homepage. Darüber, wie viele Polizisten es braucht, um diese Sicherheit zu gewährleisten, lässt sich streiten. Die Gewerkschaft der Polizei beklagt seit Jahren eine zu dünne Personaldecke. "Besorgt stellen wir fest, dass der Wechselschichtdienst, Herzstück und Basis der Polizeiarbeit, zunehmend personell ausblutet", sagt Landesvorsitzender Ernst Scharbach.
"Das wird sichtbar gegen die Wand gefahren", sagt Michael Billen, der den Sparkurs des Landes anprangert. Insbesondere im Flächenkreis Bitburg-Prüm, Wahlkreis des CDU-Landtagsabgeordneten, sei die Situation besorgniserregend. "Das kann nicht sein, dass für so ein großes Gebiet, wenn es hoch kommt, gerade mal drei Streifenwagen unterwegs sind", sagt Billen.
Während vor 15 Jahren noch etwa 70 Polizisten in Bitburg im Schichtdienst gearbeitet hätten, seien es nun nur noch gut 40. Hinzu kommt: "Wenn zum Juli einige Beamte in den Ruhestand gehen, fehlen im Schichtdienst knapp 30 Prozent der Leute, die das Land nach seinem eigenen Personalschlüssel vorsieht", sagt Billen und bezieht sich dabei auf Informationen der Polizei.
Die Polizei selbst hält sich bedeckt, wenn es um konkrete Zahlen geht. Dietmar Braun, Leiter der Bitburger Inspektion, bestätigt aber: "Uns fehlt Personal." In den sechs Jahren, seit er die Inspektion leitet, sei die Personaldecke dünner geworden. Der Stellenschlüssel, der aus Sicht vieler Polizisten auch so schon zu knapp ist, wird demnächst wohl unterschritten. Braun sagt: "Diese sogenannte Orientierungsstärke, die man eigentlich haben sollte, erreichen wir mit dem Personal, das uns zur Verfügung steht, nicht." Ermittelt wird die Orientierungsstärke nach Arbeitsaufwand - bemessen nach der Zahl der Unfälle und Straftaten. In der Bitburger Inspektion waren es 2426 Unfälle und 2720 Straftaten im Jahr 2014 - macht rechnerisch gut 14 Fälle am Tag.
Das Gebiet der Polizei Bitburg misst knapp 1000 Quadratkilometer und ist die flächenmäßig größte Inspektion im Land. Von Spangdahlem bis Ammeldingen ist eine Streife schon mal eine Stunde unterwegs. "Wenn wir uns in der Fläche so ausziehen, geht Sicherheit verloren", sagt Billen.
Diese Gefahr sieht das Innenministerium nicht: "Es ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die Sicherheit der Bürger in flächenmäßig großen Zuständigkeitsgebieten der Polizei gefährdet ist", sagt Pressesprecher Marco Pecht. Auch spricht man in Mainz nicht von Unterbesetzung: "Bei Ausfällen stehen regelmäßig Rotationskräfte der Bereitschaftspolizei zur Verstärkung zur Verfügung." Zudem habe Innenminister Roger Lewentz die Zahl der Neueinstellungen auf Rekordniveau angehoben: "Diese Neueinstellungen werden dazu führen, dass mittelfristig eine für die Aufgabenerfüllung grundsätzlich ausreichende Personalstärke gehalten werden kann", sagt Pecht. Derzeit gibt es landesweit 9335 Polizisten. Daran werde man "im Wesentlichen" festhalten: Die Zahl soll "an die 9200 herangeführt werden".
Das Problem mit der Fläche bleibt. "Es ist schon eine Herausforderung, mit kleinen Schichten diesen Beritt im Blick zu behalten", sagt Richard Schleder, stellvertretender Leiter der Prümer Inspektion - flächenmäßig die zweitgrößte im Land. Schleder sieht das Problem vor allem bei der Prävention und Aufklärung: "Wenn ich jeden Tag Kontrollen auf der A 60 machen könnte, hätten wir auch mehr Straftaten."Meinung

Nehmt sie ernst!
Dass das Innenministerium bestätigt, dass bei der Polizei Personalnot herrscht, war nicht zu erwarten. Schließlich ist das Ministerium selbst für den Stellenschlüssel verantwortlich. Während 2014 noch Programm war, die Zahl der Polizisten landesweit auf gut 9000 abzubauen, wird sie nun auf 9200 nach oben korrigiert. Das zeigt: Auch in Mainz ist man sich bewusst, dass die Personaldecke dünn ist. Ob das reicht, ist eine andere Frage. Es ist höchste Zeit, die Menschen zu hören, die vor Ort die Arbeit machen. Die, die rausfahren, wenn es brenzlig wird. Die wissen am besten, wie es um die Innere Sicherheit bestellt ist.
d.schommer@volksfreund.deExtra

Michael Billen, CDU-Vorsitzender im Eifelkreis Bitburg-Prüm und Landtagsabgeordneter: Sie fordern mehr Polizisten. Woher soll das Geld kommen? Billen: "Landesweit brauchen wir mindestens 500 zusätzliche Polizisten. Das würde rund 25 Millionen Euro im Jahr kosten. Allein 300 dieser Stellen ließen sich finanzieren, wenn wir auf den Nationalpark verzichten würden. Zudem kann man überlegen, ob es nötig ist, dass der Kindergarten für Kinder von Millionären kostenlos sein muss. Wir leisten uns viele Dinge in Rheinland-Pfalz, die wir lieb gewonnen haben, die aber alle nicht so wichtig sind wie die Innere Sicherheit. Die Frage ist doch: Können wir es uns erlauben, auf Polizei in der Fläche zu verzichten?" Warum ist Ihnen das Thema so wichtig? Billen: "Hier geht es um ein Grundbedürfnis der Bürger. Was einen Staat meiner Ansicht nach in erster Linie auszeichnet, ist doch, dass er dafür Sorge trägt, dass die Ordnung, die sich der Staat gibt, auch eingehalten wird. Das eine funktioniert nicht ohne das andere." Sorgen Sie sich nicht, dass Sie schlafende Hunde wecken, wenn Sie in die Öffentlichkeit bringen, dass die Personaldecke der Bitburger Polizei derart angespannt ist? Billen: "Ich muss abwägen, ob ich mich um solche Dinge sorge oder politischen Druck ausüben muss. Ich glaube, dass die Gefahr, schlafende Hunde zu wecken, sich in Grenzen hält: Die, die auf der Wache zu den Stammkunden zählen, wissen doch ohnehin, wie es da aussieht." scho

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