Ortsgemeinde Winterspelt ruft Bürger dazu auf, ihre Erinnerungen festzuhalten

Winterspelt · Nur noch wenige der knapp 800 Einwohner von Winterspelt werden sich noch an Kriegstage erinnern können. Viele Zeitzeugen sind in den letzten Jahren gestorben. Ortsbürgermeister Hubert Tautges hat nun eine neue Serie mit Ortsgeschichten für das Gemeindeblättchen angestoßen und ruft alle Winterspelter zur Mitarbeit auf.

Schmugglerromantik, Ardennenoffensive, Westwallbunker: Der Name Winterspelt ist wie kaum ein anderer Ortsname mit den Ereignissen der letzten Jahre des Zweiten Weltkriegs verbunden. Als Grenzgemeinde zu Belgien wurde der Ort erbittert umkämpft. Ständig wechselten die Fronten, teils sogar mitten im Dorf. "Es gibt noch so viel zu erzählen, nur sterben langsam die letzten Zeitzeugen", sagt der Winterspelter Ortsbürgermeister Hubert Tautges. Auf der Internetseite der Gemeinde hat er nun dazu aufgerufen, Erinnerungen niederzuschreiben und sie als "Ortsgeschichten" für eine Veröffentlichung im Gemeindeblatt zur Verfügung zu stellen.

"Es ist geplant, auf den freien Seiten in einer längeren Serie die neuere Geschichte von Gemeinde und Pfarrei, also Fakten, Geschehnisse und Entwicklungen, froher oder auch ernster Natur darzustellen", sagt Tautges.

Die Grundlage für die Reihe liefere für die Jahre 1945 bis 1970 bereits eine Serie in zwölf Folgen, die vor 46 Jahren im Pfarrblatt veröffentlicht worden sei. "Wir suchten etwas fürs Blättchen und stießen auf diese alte Reihe. Es wäre schön, wenn die letzten noch Überlebenden mitmachen würden, denn viel Zeit haben wir nicht mehr, um die Geschichten festzuhalten", sagt der Ortsbürgermeister. Die bereits vorhandenen Berichte würden nun überarbeitet, vielleicht um neue Quellen ergänzt und demnächst veröffentlicht. Leider habe sich aber bisher noch niemand auf die Anzeige gemeldet, doch so was müsse sich ja auch erst rumsprechen.

"Vielleicht gibt es noch rund zehn Menschen, die damals in ihrer Jugend waren, die restlichen haben den Krieg nur noch als Kinder erlebt." Die Hoffnung auf Erinnerungen aus den Vorkriegstagen sei also gering. So lautet der Aufruf auch, sich der jüngeren Geschichte ab 1945 zuzuwenden. "Je mehr wir bekommen, desto besser", sagt er.
Es sind die kleinen Dinge, die scheinbar unbedeutenden Eindrücke, die hier wichtig sind. Während staatstragende Ereignisse auf ewig in den Geschichtsbüchern festgehalten werden, geraten Details zur Not und zum Leid der Menschen schnell in Vergessenheit, es sei denn, Literaten wie Alfred Andersch machen sie wie im Roman "Winterspelt" anschaulich greifbar.

Doch es muss eben nicht der hochdekorierte Autor sein, der Geschichten für die Ewigkeit festhält. So erinnert beispielsweise Pfarrer Franz Kelkel in der 1970 im Pfarrblatt veröffentlichten Reihe an kleine Details, die zunächst banal erscheinen mögen, aber mit ihrer Unmittelbarkeit helfen, ein Gesamtbild der Zeit zu entwerfen: "Die Hoffnung auf eine gute Ernte im ersten Friedensjahr wurde durch eine furchtbare Mäuseplage zunichtegemacht. Aus vielen Feldern kam nicht einmal das Saatgut ein. Einige benachbarte Pfarreien, wie zum Beispiel Habscheid, machten Wallfahrten zur Heiligen Gertrud von Lünebach." Doch nicht nur das Kriegsende ist Thema in den Berichten, auch der Beginn wird angesprochen. Christoph Lenz beschreibt in einem Beitrag der ersten Reihe den Kriegsanfang sowie den 1. September 1945. Thema ist auch die erste Flucht, die laut Doktrin der Nationalsozialisten so nicht genannt werden durfte: "Die Nachricht von unserer Rückwanderung kam im Laufe des Vormittags. Offiziell waren wir keine Flüchtlinge, sondern Rückwanderer. Wo war der feine Unterschied?" Gedanken, die angesichts der aktuellen Weltlage, erschreckend aktuell sind.

Die Winterspelter Ortsgeschichten erscheinen demnächst im Gemeindeblättchen. Erste Arbeiten von 1970 sind bereits auf der Internetseite www.winterspelt.de lesbar. Informationen zur Mitarbeit per E-Mail an Hubert. Tautges@winterspelt.de oder unter Telefon 06555/8694.

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