Per Anhalter durch die Eifel
Speicher · Ziel einstellen, abwarten, einsteigen: Seit August steht vor dem Rathaus in Speicher eine türkisfarbene Bank am Straßenrand. Wer draufsitzt, der signalisiert, dass er gerne mitfahren möchte. Die Mitfahrerbank hat den Publikumspreis des Orange Social Design Awards gewonnen. Das Speicherer Netzwerk für Mobilität will nachlegen.
Speicher. Am Straßenrand stehen und den Daumen raushalten, ist nicht jedermanns Sache. Doch wer seinen Zug am Bahnhof in Speicher, der 2,5 Kilometer außerhalb des Stadtzentrums liegt, pünktlich erreichen will, den führt der löchrige öffentliche Nahverkehr auf dem Land nicht immer zum Ziel.
"Jede Stunde fährt ein Zug, aber nur alle drei Stunden ein Bus zum Bahnhof." So beschreibt Ursula Berrens vom Netzwerk für Mobilität in der VG Speicher den öffentlichen Nahverkehr der 3300 Einwohner starken Eifelstadt Speicher.
Im Rahmen eines Projekts des Caritasverbands Westeifel hatte sich die Diplom-Psychologin mit der Mobilität auf dem Land beschäftigt. Um alten und jungen Menschen ohne Auto oder Fahrer auf die Sprünge zu helfen, erfand sie die Mitfahrerbank. Seit August steht die türkisfarbene Bank am Straßenrand vor dem Rathaus in Speicher. Wer draufsitzt, der signalisiert dem vorbeifahrenden Verkehr, dass er gerne mitgenommen würde. An einem umklappbaren Richtungsschild neben der Bank lassen sich verschiedene Fahrtziele auswählen. "Da fährt alles mit", sagt Erika Kirchen, die nebenan wohnt und sich für das Netzwerk für Mobilität um die Bank kümmert.
Die 76-Jährige wischt ab und zu mal über die Sitzfläche oder sammelt Müll auf, der herumfliegt. "Ältere Menschen, Schüler, die den Bus verpasst haben, oder Migranten." Erika Kirchen hat schon viele Wagen halten und verschiedene Menschen einsteigen sehen.
Für die Idee der spontanen Mitfahrgelegenheit hat das Netzwerk aus Freiwilligen nun den Publikumspreis des Orange Social Design Awards (siehe Extra) abgesahnt.
"Der Preis hat unser Projekt beflügelt", sagt Erfinderin Berrens. "Gerade auf dem Land ist es wichtig, dass über Dinge gesprochen wird", ergänzt Senta Plein, Stadtratsmitglied (CDU) und Mitglied im Netzwerk Mobilität. Dank des Design-Preises sei die Bank in aller Munde, was den Bekanntheitsgrad und damit auch die Nutzung steigere.
Das Preisgeld in Höhe von 2500 Euro möchten die Speicherer nun in weitere Mitfahrerbänke investieren. Derzeit suche man am Bahnhof nach einem geeigneten Standort, sagt Berrens. Zudem möchten die Netzwerker die anderen Orte in der Verbandsgemeinde anbinden. "Die wissen noch nichts von ihrem Glück, können unsere Idee aber auch gerne kopieren und auf eigene Initiative Mitfahrerbänke aufbauen." Manfred Rodens, Bürgermeister der VG Speicher, ist vom Erfolg des Pilotprojekts begeistert: "Die Verbandsgemeinde kann nicht alles stemmen. Deshalb ist es gut, wenn sich Bürger ehrenamtlich engagieren, um die Mobilität zwischen den Orten der VG zu verbessern."
Stadt geschichte (N)
Dabei solle die Mitfahrerbank eine Ergänzung - und keine Konkurrenz - zum öffentlichen Nahverkehr sein, sagt Rodens.
Doch im Gegensatz zum Busfahren lässt man sich auf ein gewisses Risiko ein, wenn man bei fremden Menschen in den Wagen steigt.
Doch wenn jemand mit fremdem Nummernschild anhalte, könne man ja auch sitzen bleiben und Nein sagen, erklärt Berrens. Denn früher oder später komme bestimmt jemand vorbei, den man kenne. Berrens: "Wir leben in einer überschaubaren Stadt."
Das Netzwerk für Mobilität in der VG Speicher nimmt gerne Ideen entgegen, die die Mobilität in der Verbandsgemeinde voranbringen, E-Mail: berrens@
caritas-westeifel.de.
Extra
Der Orange Social Design Award ist ein Wettbewerb des Spiegel Verlags. Er zeichnet Design-Ideen aus, die den öffentlichen Raum gestalten und das Leben in der Stadt verbessern. Unter mehr als 200 Beiträgen hat die Jury einen Vorschlag gekürt: die "U-Rangerie" - ein Gewächshaus über einem Berliner U-Bahn-Schacht, das mit der Abluft im Winter geheizt wird. Die Leser konnten den mit ebenfalls 2500 Euro dotierten Publikumspreis vergeben und haben sich für die Bank in Speicher entschieden. cmo