Petticoat-Nostalgie mit Flügeln

Bitburg · Wer beachtet schon eine Tankstelle? Bei dem 1950er-Jahre-Bau in der Bitburger Saarstraße ist das anders. Mit seinem verglasten Halbrund und den freischwingenden Flügeldächern weckt er nostalgische Erinnerungen an Cafés mit Kellnerinnen auf Rollschuhen und Elvis aus der Jukebox.

Bitburg. Geht es um jahrhundertealte Kirchen, stellt sich kaum die Frage, ob es sich um schützenswerte Baukunst handelt. Aber bei einer Tankstelle? Ist sie im typischen Stil der 1950er Jahre erbaut worden, sollte sie ebenfalls ins kunsthistorische Bewusstsein rücken, finden der ehemalige Kreisdenkmalpfleger Michael Berens und sein Nachfolger Detlef Kleintitschen. Sie denken dabei an die ehemalige Tankstelle in der Saarstraße, die 1956 unter dem blauweißen Aral-Logo ihren Betrieb aufnahm.
Allein durch ihren Bekanntheitsgrad gehört sie zu den herausragenden Gebäude der Stadt. Zum Wohlgefallen des Pächters, der dort seit fünf Jahren eine Autovermietung betreibt: "Das Gebäude ist gut fürs Geschäft, weil jeder die alte Tankstelle auf der Saarstraße kennt" - telefonische Wegbeschreibung für Kunden leicht gemacht. Darüber hinaus schätzt Stefan Ferring auch die Ästhetik seiner Geschäftsräume: "Ich finde das absolut klasse, total schön."
Bitburger Bauschätze

 So sah die Tankstelle in den 70er Jahren aus. Foto: privat

So sah die Tankstelle in den 70er Jahren aus. Foto: privat


Eigentümerin des denkmalgeschützten 1950er-Jahre-Baus ist Elke Kinnen. Ihr Vater Hans Elsen hatte das Gelände 1972 erworben. Der KFZ-Meister richtete dort zusätzlich zur Tankstelle eine Werkstatt ein, und seine Tochter ging bei ihm in die Lehre. Nach dem Tod des Vaters 1990 gab es mehrere Interessenten, die das Grundstück kaufen wollten. Autohändler, eine Fastfood-Kette. Elke Kinnen will aber nicht verkaufen. "Ich habe meine ganze Jugend dort verbracht. Ich habe einen starken Bezug zu dem Gebäude." Außerdem fügt sie hinzu: "Ich finde es gut, dass so was erhalten bleibt."
Besonders charakteristisch ist der rund verglaste Kassenbereich, bestehend aus elf Fenstern. Dahinter werden es im Sommer schon mal 40 Grad, sagt Pächter Stefan Ferring. Wie riesige Flügel spannen sich zwei freitragende Beton-Vordächer links und rechts des Geschäftsraumes über die darunter liegenden Flächen, auf denen früher die Zapfsäulen standen. Heute ist einer der Flügel mit einer Doppelgarage unterbaut, so dass er nur dem aufmerksamen Betrachter ins Auge fällt und der symmetrische Aufbau der Anlage optisch verloren geht. Im rückwärtigen Bereich des Kassenraumes schließen sich zwei Wartungshallen an.
Die Geometrie des ursprünglichen Gebäudes ist städtebaulich perfekt auf das von Sauerstraße und Saarstraße eingefasste Baugrundstück abgestimmt, obwohl es die Sauerstraße 1953, als der Bauantrag gestellt wurde, noch gar nicht gab. Allerdings war sie bereits als Ortsumgehung vorgesehen. Damals befand sich das Grundstück noch an der B 51 außerhalb der Stadt, umgeben von Gärten. Aral ließ sich hier mit 65 000 Litern das größte Tankvolumen im Landkreis bewilligen. Es war nicht die einzige Tankstelle, die in diesen Jahren in Bitburg und Umgebung entstand. Beim Stöbern in den Bauakten der Kreisverwaltung reiht sie sich in zahlreiche Antragstellungen ein - ein Zeichen des aufkommenden Individualverkehrs in der Zeit des Wirtschaftswunders.
In ihrer Architektur besitzt die Tankstelle in der Saarstraße 18 heute allerdings Seltenheitswert. Eine Ähnlichkeit gibt es in der Region mit einem Bau in Trier, an der Kreuzung Theodor-Heuss-Allee/Göbenstraße. Auch hier findet sich der auffällige rundverglaste Bug.
Den Denkmalpfleger freut es, dass das Gebäude fortwährend genutzt wurde. Die Besitzerin Elke Kinnen versichert: "Wenn es nach mir geht, passiert dem Gebäude auch nichts." Darüber wacht Detlef Kleintitschen: "Für mich ist das ein Lieblingsprojekt." Er gerät ins Schwärmen, wenn er daran denkt, was das Gebäude als Café hergäbe: "Oldtimer unter den Flügeldächern, Bedienungen auf Rollschuhen servieren Hotdog und Cola, innen spielt die Musicbox Rock \'n\' Roll, und an der Theke gibt es Apfelkuchen und Milchshakes."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort