Plötzlich war alles still: Vor 70 Jahren wurde Rittersdorf von Alliierten eingenommen - Frau führt Kapitulation herbei

Rittersdorf · Dass Rittersdorf im Zweiten Weltkrieg vor einer großen Zerstörung bewahrt wurde, verdankt der Ort nicht zuletzt einer mutigen Frau, die den Amerikanern mit weißer Flagge entgegenging. Der heute 81-Jährige Martin Roths erinnert sich noch gut an diesen Tag vor genau 70 Jahren. Der Tag, an dem die amerikanischen Soldaten sein Dorf einnahmen.

 Martin Roths aus Rittersdorf hat vor Jahren damit begonnen, die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs in Rittersdorf aufzuschreiben. TV-Foto: Uwe Hentschel

Martin Roths aus Rittersdorf hat vor Jahren damit begonnen, die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs in Rittersdorf aufzuschreiben. TV-Foto: Uwe Hentschel

Rittersdorf. Es geht um den 25. Februar 1945. Martin Roths war damals elf Jahre alt. Und dass er sich als heute 81-Jähriger an diesen Februartag vor genau 70 Jahren überhaupt erinnern kann, liegt in erster Linie daran, dass er nicht schon bereits ein paar Wochen zuvor einem Bombenangriff zum Opfer gefallen war.

Genau wie fast alle anderen Menschen, die damals in Rittersdorf lebten, hat Martin Roths großes Glück gehabt. Denn die Bomben, mit denen Rittersdorf am 7. Januar 1945 ausgelöscht werden sollte, verfehlten ihr Ziel. Statt im Dorf gingen die Geschosse unweit der Ortslage auf Pützhöhe nieder. Schuld oder vielmehr Glück, war das schlechte Wetter an diesem Tag. Denn über dem Bitburger Land lag dichter Nebel.

Dass es die Alliierten ausgerechnet auf Rittersdorf abgesehen hatten, dafür gab es einen Grund. "Im Ort hat es nur so von Militär gewimmelt", erinnert sich Roths. Damals hatte er dafür keine Erklärung. Heute aber kennt er den Grund. Wegen seiner Knotenpunktlage sei Rittersdorf von der Wehrmacht als Sammelpunkt versprengter Truppenteile bestimmt worden, sagt der 81-Jährige. Die Dorfbewohner hätten das nicht gewusst. Die Amerikaner allerdings schon.

"Die Front kam täglich näher", sagt Roths. Und bereits nach wenigen Tagen seien die ersten Häuser am westlichen Ortsrand durch Einschläge amerikanischer Panzergeschosse beschädigt worden. Roths erinnert sich noch gut an die Schüsse der Kanonen und Maschinengewehre. An das laute Donnern, das tagelang in der Luft lang. Bis dann auf einmal diese sonderbare Stille eintrat. Eine Ruhe, die der Elfjährige - wie viele andere Menschen in Rittersdorf auch - nicht einzuordnen wusste. Was war geschehen?

Bereits kurze Zeit später sollte er es erfahren. "Eine mutige Rittersdorferin war mit weißer Fahne den feindlichen Verbänden entgegengegangen", sagt Roths. "Sie hatte erklärt, sie bürge mit ihrem Leben dafür, dass die Amerikaner den Ort einnehmen könnten und dass kaum Gegenwehr zu erwarten sei", fügt der Rittersdorfer hinzu.

Was die inzwischen verstorbene Maria Wirtz damals allerdings nicht wusste: Es waren nicht nur ein paar Hundert Soldaten, die in und um Rittersdorf lagerten, sondern insgesamt rund 1200. Und diese 1200 Soldaten sollten bereits am nächsten Tag neu formiert werden. Hätten diese Wehrmachtsangehörigen oder vielmehr deren Befehlshaber weiter an Hitlers Endsieg geglaubt, so wäre der 25. Februar 1945 für Maria Wirtz möglicherweise der letzte Tag gewesen. Und für viele andere Rittersdorfer auch. "Was dann mit dem Ort passiert wäre, kann man sich düster ausmalen", sagt Roths.Nacht im Kartoffelkeller


Doch die deutschen Soldaten ergaben sich. Und so wurde Rittersdorf am späten Nachmittag des 25. Februar von den amerikanischen Truppen eingenommen. Während die Wehrmachtssoldaten als Gefangene in einer Marschkolonne in Richtung Westen abgeführt wurden, mussten zeitgleich viele Rittersdorfer ihre Häuser verlassen. Er wisse noch, wie drei amerikanische Soldaten in das Haus seiner Familie gekommen seien, sagt Roths. Und wie einer der Soldaten in gebrochenem Deutsch gesagt habe, dass sie Platz bräuchten und die Familie deshalb das Haus verlassen müsse.
Die erste Nacht schlief die Familie Roths im Kartoffelkeller der Nachbarn. "Am nächsten Tag wurden wir in ein Eckhaus an der Kirche verfrachtet." Zusammen mit zehn weiteren Familien. Ein paar Tage später mussten sie erneut umziehen, verbrachten rund zehn Tage in einem Haus an der Nims, bis die Amerikaner schließlich das Wohnhaus der Familie verließen und die Roths\' wieder zurückkehren konnten.
Der elfjährige Martin und seine Familie hatten Glück. Während andere amerikanische Soldaten im Nachbarhaus arg gewütet hatten, war im Haus der Familie Roth alles heil geblieben. Sogar Strom war vorhanden. "Für uns Kinder war der Krieg mit all seinem Schrecken nun vorbei", sagt der 81-Jährige. "Der Alltag kehrte wieder ein."

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