Kriminalität Ein unbeliebter Nomade

Bitburg-prüm · Ein psychisch kranker Mann zieht in der Südeifel von einem Ort in den nächsten. Vielerorts sind die Einwohner froh, wenn er geht, denn er sorgt für Ärger. Auch die ein oder andere Straftat geht auf sein Konto. Doch die Behörden tun offenbar wenig, um ihm Einhalt zu gebieten.

 Kein Eis, sondern Schei... : Die gefrorenen Fäkalien machen die Straße spiegelglatt.

Kein Eis, sondern Schei... : Die gefrorenen Fäkalien machen die Straße spiegelglatt.

Foto: TV/Christian Altmayer

Wie ein Spiegel liegt die Eisscholle auf dem Asphalt. Es ist einer der kältesten Tage des jungen Jahres. Das Thermometer zeigt Minus 10 Grad. Kein Wunder, dass es da friert, oder? Aber in jenem Ort in der Südeifel hat es gar nicht geregnet. Und es ist auch kein Wasser, das hier auf der Straße erstarrt ist, sondern eine Brühe aus Fäkalien und Urin.

Der Kanal ist übergelaufen. Er ist verstopft, verkrustet vom braunen Eis. Wie Hundehaufen liegt zusammengerollter Kot herum – nur stammt er vom Menschen, nicht vom Tier. Auch in ihrer Scheune findet Natalie Drauden zuweilen Exkremente.

„Ich finde es ekelhaft“, sagt die alleinerziehende Mutter. Von ihrem Haus aus hat sie die Straße direkt im Blick, die hier die Biege macht. In der Kurve liegt der Kot-See.  Auf der einen Seite ist das frostige Wetter ein Segen. Es schützt zumindest vor dem Gestank und den Fliegen. Doch in der glatten Kurve könne es gefährlich werden für Autofahrer, meint Drauden.

Schuld daran sei ihr Nachbar, sagt sie. Der Mann lebe seit etwa einem Jahr in ihrem Heimatort und stifte Unruhe. Dutzende Anzeigen liefen gegen ihn. Einige habe sie selbst auf den Weg gebracht, einige die anderen Einwohner des Dorfes. Fast jede Woche sei sie mit den Behörden im Gespräch – mit der Kreisverwaltung, mit der Polizei. Schließlich vergehe kaum ein Tag, ohne dass es krache.

Mal fahre der Mann nachts hupend durch die Straßen, mal beleidige er die Nachbarn. Auch ihrer Mutter habe er Schimpfworte hinterhergebrüllt. Das Schlimmste aber seien die Fäkalien auf der Fahrbahn. Die leite ihr Nachbar dort absichtlich hin, ist sich Drauden sicher: „Er hat den Zufluss zum Kanal unterbrochen.“

Auch der Polizei Bitburg ist der Mann seit Jahren bekannt. 2013 habe die Inspektion das erste Mal mit ihm zu tun gehabt, sagt ein Mitarbeiter. Seitdem haben die Beamten 80 bis 90 Zwischenfälle erfasst. Einige davon seien vor dem Amtsgericht Bitburg gelandet, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Trier auf Anfrage mitteilt.

Vorgeworfen wurden ihm laut der Behörde unter anderem Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Bedrohung, Sachbeschädigung und Beleidigung – jeweils in mehreren Fällen. Aktuell liefen noch zwei Prozesse. Weitere Verfahren seien laut Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Die einen, weil sie sich nicht nachweisen ließen. Die anderen, weil die Vergehen nach Auffassung des Gerichts zu geringfügig seien.

Doch der Mann, der aus Luxemburg stammt, ist wohl nicht im vollen Umfang verantwortlich für seine Taten. Wegen einer psychischen Erkrankung war er vorübergehend in der geschlossenen Psychiatrie in Ettelbrück untergebracht. Seit einigen Jahren ist er draußen – und nicht nur die Einwohner jenes kleinen Dorfes haben Bekanntschaft mit ihm gemacht.

„Auch in Kruchten hat er für Ärger gesorgt“, wie Ortsbürgermeister Hermann Jakobi erzählt. Dort wohne er nicht selbst, sondern sein Bruder. Den habe der Luxemburger häufig besucht und sich dann meist lautstark mit ihm gestritten. Aber aggressiv habe er sich offenbar nicht nur gegenüber seinem älteren Bruder gezeigt.

Auch die Kruchtener hatten laut Jakobi unter ihm zu leiden. So sei er mit dem Fahrrad auf sie zugebrettert, „als wollte er sie umfahren“. Erst im letzten Moment habe er den Lenker herumgerissen.

Inzwischen wohnt der Bruder nicht mehr dort. Und auch der Nachbar von Natalie Drauden hat sich nicht mehr blicken lassen. „Wir haben nicht geweint, als er weg war“, sagt Jakobi.

„Ach Gott“, ist das Erste, was der Körpericher Bürgermeister Winfried Horn sagt, als er auf den Luxemburger angesprochen wird. Auch in seiner Gemeinde hat der Mann gelebt. „So einer fällt bei uns im Dorf auf“, sagt Horn.  Er könne den Ärger der Nachbarn daher verstehen. Doch den Ordnungsbehörden seien offenbar die Hände gebunden, „bis wirklich etwas passiert“.

Das bestätigt auch der Polizeisprecher. Eigene Sanktionen dürften die Beamten nicht verhängen – es sei denn, es ginge um den Straßenverkehr. Ob diese Einschränkung der Behörden mit der luxemburgischen Staatsbürgerschaft des Mannes oder mit seiner psychiatrischen Erkrankung zusammenhängt, will uns weder jemand bei der Staatsanwaltschaft noch beim Amtsgericht oder bei Polizei und Kreisverwaltung sagen – wegen des Datenschutzes, heißt es.

Aber gibt es nicht auch andere Möglichkeiten, den Zwist mit dem Nachbarn beizulegen? „Mit dem können Sie nicht reden“, sagt Drauden. Unser Reporter versucht es trotzdem. Das Haus ist gesichert. Vor dem Eingang stehen Pfeiler, zwischen denen Ketten und Schnüre gespannt sind. Auf einem Schild steht „Vorsicht vor dem Hunde.“ Wir klingeln an der Tür. Dann ist der Hund schon zu hören. Er bellt. Jemand huscht am Fenster vorbei. Aber niemand öffnet.

Wir klingeln noch einmal. Jetzt steht der Mann hinter dem Fenster und starrt den Reporter an. „Verschwinden Sie, sonst ruf ich die 110“, brüllt er. Als wir uns längst von seinem Grundstück entfernt haben, hören wir ihn in der Ferne toben.

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