Rat sagt Ja zur Windkraft - Anwohner wollen Initiative gründen: Kommt es in Neuerburg jetzt zu einem Bürgerentscheid?

Neuerburg · Trotz heftiger Proteste von Einwohnern hat sich der Stadtrat Neuerburg nun für die Windkraftnutzung auf stadteigenen Flächen entschieden. Die anwesenden Neuerburger zeigten sich enttäuscht: Jetzt wollen sie eine Bürgerinitiative gründen.

Neuerburg. "Wir haben schon genug verloren. Das Krankenhaus hat man uns genommen. Irgendwann muss Schluss sein", sagt Bodo Ernzen zu seinen Mitstreitern. Darunter auch Katharina Kemen. "Was hat denn die Eifel sonst zu bieten außer ihre Natur?", fragt sie. Und Dieter Müller ergänzt: "Nach einem Beschluss, der so niederschmetternd ist, ist die Bürgerschaft jetzt umso mehr gefordert."
Die Neuerburger diskutieren im Hinterzimmer des Schlosshotels Kruft - Thema ist eben jener Grundsatzbeschluss, den der Stadtrat gerade gefasst hat, und gegen den die Bürger vorher so gekämpft hatten. Der Beschluss fiel im Eifelvereinsheim. Das Pikante: Der Verein hatte sich zuvor selbst in einer Stellungnahme an den Rat gegen die Windräder ausgesprochen. 13 Ratsmitglieder stimmten nun dafür, auf Lindscheid eine etwa 83 Hektar große Fläche für Windräder bereitzustellen, zwei dagegen, einer enthielt sich.
Bodo Ernzen kritisiert, dass die Entscheidung im Rat ohne weitere Diskussion ablief: "Das ist so ein emotional beladenes Thema, da erwarte ich doch, dass die etwas zu ihrer Entscheidung sagen und nicht nur die Hand heben." Debatten, in- und außerhalb des Rates, hatte es zuvor allerdings bereits reichlich gegeben (der TV berichtete). Die Windkraftgegner hatten dem Rat auch eine Unterschriftenliste gegen das Vorhaben überreicht. Dazu Stadtbürgermeisterin Anna Kling: "Von den 576 Unterschriften war bei 240 eindeutig nachvollziehbar, dass sie von Bürgern der Stadt stammten. Bei 58 ergaben sich Unklarheiten. Die restlichen 278 stammten nicht von Neuerburgern." Dieser Umstand sei vom Stadtrat bei der Bewertung der Unterschriftenaktion berücksichtigt worden. "Mein Sohn hat auch unterschrieben", sagt Katharina Sauber. "Der wohnt zwar in Aschaffenburg, hat aber auch hier ein Haus."
Die endgültige Entscheidung, sagt Kling, verdiene Respekt: "Es ist ein umstrittenes Thema, und die Ratsmitglieder stehen unter öffentlichem Druck." Und nicht nur das: Die Vorgehensweise einzelner Bürger habe zudem dazu geführt, dass "Mitglieder des Stadtrats Bedenken geäußert haben, ihre Stimme öffentlich in offener Abstimmung abgeben zu müssen, da sie persönliche Repressalien fürchten. Wenn wir uns als gewählte Vertreter unserer Bürger dem Druck einer kleinen Minderheit beugen, fürchte ich um die gebotene Sachlichkeit, die einer Demokratie würdig ist."
Dieter Müller sagt hingegen: "Es ist doch eines Rates nicht würdig: Ich erwarte, dass die Mitglieder zeigen, wozu sie stehen." Die Interessengemeinschaft "Gegenwind gegen Wind", der Müller angehört, hatte zudem einen Antrag gestellt, dass der Rat die Entscheidung den Bürgern selbst übertragen solle, aber "das hat die Stadtbürgermeisterin ja gar nicht zur Abstimmung kommen lassen."
Dazu Kling auf TV-Nachfrage: "Die Grundsatzentscheidung des Stadtrats schließt einen Bürgerentscheid nicht aus. Die Mehrheit des Rates vertritt die Auffassung, dass sich auch die Mehrheit der Bürger nach entsprechender Aufklärung diesem Beschluss anschließen wird. Der Stadtrat ist sich seiner Sache also sicher." Ein Bürgerentscheid setze zunächst ein Bürgerbegehren voraus, das von mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigten unterstützt werden müsse.
Gut möglich, dass das auf Neuerburg noch zukommt, denn: "Unser nächster Schritt wird es sein, eine Bürgerinitiative zu gründen", sagt Müller. "Wir werden uns nicht geschlagen geben." Kling: "Das ist legitim. Dann werden wir uns dem stellen." Auch wenn ihr, wie sie zugibt, die Alternativen noch fehlen würden - die Windräder wären immerhin eine sichere Einnahmequelle für die Stadt, deren Gesamtschuldenstand derzeit bei knapp fünf Millionen Euro liegt. Kling weiter: "Ich weiß auch nicht, wie sehr diese zwei Windräder den Tourismus beeinflussen sollen, wenn rundherum doch auch Rotoren stehen."
Doch genau die ausgewiesene Fläche stört die Gegner - Hans Rodens: "Wir sind nicht gegen Windkraft - das Rad ist nicht zurückzudrehen. Aber wir sind gegen Windkraft im Wald." Denn die Windradriesen stünden dann am Jakobusweg, der die Pilger am "Kreischkoos" vorbeiführe, wo früher die Einwohner zum Beten hingegangen seien. Und sie hätten nicht zuletzt Einfluss auf Tiere wie Haselhuhn, Storch und Wildkatze.
Argumente, meint Müller, die für den Rat nicht zählen würden. "Die Entscheidung ist doch nur über das Geld gelaufen." Kling sagt: "Jedes Ratsmitglied hat sicher ein Stück weit mit sich gehadert, alle Argumente abgewogen, sie unterschiedlich gewichtet. Wir haben eine deutliche Entscheidung."Meinung

Keine leichte Entscheidung
Der Stadtrat - das haben die Diskussionen im Vorfeld gezeigt - hat sich die Sache nicht einfach gemacht. Die Ratsmitglieder sind dennoch zu einer Entscheidung gekommen. Doch weil weiterhin Missmut herrscht und die Fronten in Neuerburg verhärtet scheinen, bleibt die Frage bestehen: Entspricht diese Entscheidung wirklich dem Willen der Mehrheit der Bürger? Die Zukunft wird es zeigen - und sei es durch einen Bürgerentscheid. e.blaedel@volksfreund.de

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