Retter in Not: Gewalt gegen Einsatzkräfte nimmt zu - Eifeler Rettungsassistent berichtet

Bitburg · Sie wollen helfen und werden angegriffen: Die Gewalt gegen Einsatzkräfte nimmt zu. Ein Eifeler Rettungsassistent erzählt, was ihm bei seiner Arbeit passiert ist.

Retter in Not: Gewalt gegen Einsatzkräfte nimmt zu - Eifeler Rettungsassistent berichtet
Foto: Andrea Weber

Yannik Klucken aus Edingen arbeitet seit sieben Jahren beim Deutschen Roten Kreuz (DRK). "Inzwischen passe ich auf, dass ich nicht mit dem Rücken zu einer Tür stehe, aus der jemand kommen könnte", sagt der 24-Jährige. Mit der Zeit habe er gelernt, Situationen besser einzuschätzen. Das ist wichtig für den ausgebildeten Rettungsassistenten. Immer öfter werden er und seine Kollegen angegriffen. Sie werden beschimpft, bedroht, bespuckt, geschlagen und getreten.

Bei manchen Einsätzen rechnen sie damit, dass sie angegriffen werden. "Drogen- und Alkoholabhängige sind immer gewaltbereit", sagt Manfred Böttel, der Leiter des Rettungsdienstes. Manche Adressen seien schon bekannt, "da fahren wir ohne Polizei gar nicht mehr hin."

In anderen Situationen ahnen die Rettungskräfte nichts Böses: Einmal wurden Klucken und eine Kollegin zu einem psychisch kranken Mann gerufen. "Er hat versucht, seine eigenen Türen mit einem Flaschenöffner aufzuhebeln", erzählt Klucken. "Es war aber nicht bekannt, dass er aggressiv sei." Klucken bat den Mann, mit zum Auto zu kommen, damit sie sich in Ruhe unterhalten könnten. Dort habe der ihn dann plötzlich am Hals gepackt und zugedrückt. "Ich war total überrumpelt. Bei ihm war ich nicht darauf gefasst", sagt der 24-Jährige. Er habe versucht, die Hände des Mannes festzuhalten. Das sei gar nicht so einfach gewesen - der Mann war groß und kräftig. Klucken drückte ihn zu Boden, seine Kollegin rief die Polizei. "Ich bin auf ihm sitzen geblieben, bis die Polizei kam und habe ihm gut zugeredet." Irgendwann beruhigte er sich wieder und Klucken konnte ihn loslassen. "Im Nachhinein war es Glück, dass er auf mich losgegangen ist und nicht auf meine Kollegin", sagt er.

Solche Attacken seien zwar Einzelfälle, die Gewalt nehme bei Einsätzen aber zu. "Die Leute sind aggressiver", sagt der 24-Jährige. Die Hemmschwellen sänken, bestätigt Kreisgeschäftsführer Rainer Hoffmann.

"Gewalt gab es schon immer", sagt Wolfgang Steiniger, der Leiter der Rettungswache Bitburg, aber die Respektlosigkeit werde größer. Manchmal gehe die Gewalt nicht von den Patienten aus, sondern das Umfeld fange an, herumzupöbeln. "Die Leute denken gar nicht darüber nach", sagt Steiniger. Außenstehende versuchten, sich ins Auto zu drängen oder Ratschläge zu geben. "Jeder sollte sich bewusst machen, dass er mal selbst da liegen und Hilfe brauchen könnte", sagt Steiniger. Auf Festchen würden sie oft nicht durchgelassen, ein Kollege habe mal bewusst von jemandem ein Glas Bier in die Jacke geschüttet bekommen. "Das Ansehen von Leuten, die so einen Job machen, ist anders geworden", sagt Klucken.

Aber wie gehen die Rettungskräfte damit um? "Das Problem ist, wir dürfen uns nicht wehren, weil wir nur in Notwehr handeln dürfen", sagt Steiniger, "wir müssen uns also schlagen lassen, oder weglaufen." - "Der Eigenschutz geht natürlich vor", sagt Hoffmann. Deshalb hat das DRK im Januar erstmals eine Schulung zum Umgang mit Angriffen angeboten. "Die wollen Hilfe bringen, und sollen nicht nachher selbst Hilfe brauchen!", sagt Hoffmann.

Klucken lässt sich von den Bedingungen nicht abschrecken, für den Rettungsassistenten bleibt sein Beruf eine Herzensangelegenheit. "Ich fahre nicht generell mit Angst raus. Man wird immer mehr sensibilisiert und gerade nachts passt man eben auf."

Info

ZAHLEN ZU EINSÄTZEN UND FÄLLEN VON GEWALT
Das Deutsche Rote Kreuz beschäftigt im Eifelkreis Bitburg-Prüm in acht Rettungswachen 156 hauptamtliche Mitarbeiter und fünf ehrenamtliche. Diese bestreiten 23?000 Einsätze im Jahr. 50 Prozent davon sind Einsätze der Notfallrettung, die andere Hälfte Krankentransporte. Die meisten Einsätze hat die Rettungswache Bitburg mit rund 50 Prozent.
Konkrete Zahlen für Gewalt gegen Rettungskräfte gibt es laut Kreisgeschäftsführer Rainer Hoffmann noch nicht. Für die Rettungswache Bitburg seien in 2016 zehn Fälle belegt, für das gesamte Kreisgebiet schätzt Hoffmann die Zahl auf 30. Seit diesem Jahr werden die Angriffe erstmals erfasst. In Rheinland-Pfalz wurden 2016 1629 Attacken auf Polizisten und Rettungskräfte erfasst.

Extra

LAND WILL SANITÄTER BESSER SCHÜTZEN
Rheinland-Pfalz hat im März eine Gesetzesänderung vorgelegt, um Sanitäter zu schützen: Die Geldbuße für Gaffer soll von 5000 auf 10.000 Euro erhöht werden. Außerdem gilt es künftig als Ordnungswidrigkeit, sich Platzverweisen des Rettungsdienstes zu widersetzen. Bisher war das nur bei Feuerwehrleuten und Polizisten so. Der Landtag muss noch über die Änderung abstimmen.

Meinung
(Über)leben lassen!

Blutende, bewusstlose, betrunkene oder mit Drogen zugedröhnte Menschen: Rettungskräfte sehen viel Elend. Leicht ist das nicht. Weder körperlich noch psychisch. Es ist unfassbar traurig, dass Patienten, Angehörige und Außenstehende diesen Menschen ihre Arbeit noch schwerer machen. Jeder, der gafft, stört oder pöbelt, sollte daran denken, dass auch sein Leben mal von diesen Menschen abhängen könnte. a.weber@volksfreund.de

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