Rezept gegen Ärztemangel

Bitburg · In der Eifel gibt es zu wenige Hausärzte. Damit sich das Problem nicht verschärft, haben zehn Mediziner eine Genossenschaft gegründet. Gemeinsam wollen sie Nachwuchskräfte anwerben. Aber noch hapert es an einer Stelle.

 Patient Eifelkreis, Diagnose Ärztemangel: Wäre es möglich, müsste man dem Eifelkreis mit Blick auf das Jahr 2022 am besten schon heute zwei Mal zwölf Hausärzte verschreiben. TV-Foto: Klaus Kimmling

Patient Eifelkreis, Diagnose Ärztemangel: Wäre es möglich, müsste man dem Eifelkreis mit Blick auf das Jahr 2022 am besten schon heute zwei Mal zwölf Hausärzte verschreiben. TV-Foto: Klaus Kimmling

Foto: Klaus Kimmling (e_bit )

Bitburg Sie suchen einen Hausarzt in Bitburg? Kann doch nicht so schwer sein. Doch weit gefehlt. "Wir können keine neue Patienten mehr annehmen." "Tut uns leid, bei uns geht nichts mehr." Solche Aussagen haben wohl die meisten schon gehört, die sich in der Kreisstadt auf die Suche nach einem Hausarzt machen - und das sind, seit die Praxis Hsiao Ende vergangenen Jahres geschlossen hat, ein paar Hundert Patienten mehr. Blick in die Praxis: "Viele fragen sich durch mehrere Praxen, bevor sie einen Arzt finden, der sie aufnimmt", sagt Dr. Michael Jager, der seit 25 Jahren in Bitburg praktiziert: 1100 Patienten betreut der Allgemeinmediziner mit seinem Team - 200 mehr als der Durchschnitt. Er hat bisher die Urlaubsvertretung für den Kollegen Hsiao gemacht und ist deshalb für viele von dessen einstigen Patienten nun die erste Adresse. "Ich kann doch nicht alle wegschicken", sagt Jager. Aber er kann eben auch nicht alle aufnehmen. Manchmal kommen bis zu 70 Menschen am Tag zu ihm: "Alleine ist das nicht mehr zu schaffen." Deshalb hat er vor Kurzem eine junge Kollegin eingestellt. Aber für die meisten niedergelassenen Ärzte lohnt es sich nicht, personell aufzustocken. Die Grundidee: Genau an diesem Punkt setzt die Idee der Ärzte-Genossenschaft an, die Jager mit neun Kollegen gegründet hat und die er als Vorstand leitet. Frei nach dem genossenschaftlichen Prinzip, was einer nicht kann, können viele, wolle die zehn Kollegen gemeinsam Mediziner anstellen, um somit drohende Engpässe in der Versorgung zu vermeiden. "Medicus Eifeler Ärzte" lautet der Name der neuen Genossenschaft. Ihr Ziel ist die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung. Andere Prioritäten: In der Genossenschaft sehen die Ärzte die Chance, gemeinsam auf einen Wandel reagieren zu können, den Jager mit als Ursache dafür sieht, warum es so schwer ist, Nachfolger für Praxen zu finden: "Viele der jungen Kollegen sind nicht mehr bereit, das unternehmerische Risiko einer Selbstständigkeit einzugehen und ziehen es vor, als Angestellte zu arbeiten und mehr Freizeit sowie flexible Arbeitszeiten zu haben." Während es sich für die wenigsten Ärzte rechnet, einen Kollegen zusätzlich in der eigenen Praxis zu beschäftigen, ist das im Verbund von zehn Selbstständigen eine andere Sache. Ausgangslage und Ziel: Die Genossenschaft könnte Ärzte anstellen, die dann in den Praxen der Mitglieder ebenso wie in noch zu gründenden Zweigstellen arbeiten. Handlungsbedarf besteht. Die Lage ist auch nach Einschätzung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) alles andere als rosig. Bis 2022 werden etwa die Hälfte der heute tätigen Hausärzte im Eifelkreis in den Ruhestand gehen (siehe Extra). Das Problem wird also größer. Hinzu kommt: Viele junge Ärzte zieht es eher in die großen Städte und Ballungszentren. Um da als ländliche Region konkurrenzfähig zu bleiben, baut die Genossenschaft der Eifeler Ärzte darauf, den Nachwuchs mit flexiblen Arbeitszeitmodellen zu überzeugen. Auch die Anstellung von Medizinern aus dem Ausland ist vorstellbar, sofern diese die nötigen Sprachkenntnisse nachweisen können. "Wir müssen handeln, wenn wir nicht abgehängt werden wollen", sagt Jager. Der Nährboden: Aus dem Nichts ist die Idee der Ärzte-Genossenschaft nicht entstanden. Die Initialzündung dazu kam auf einer Versammlung, zu der der Eifelkreis vergangenes Jahr eingeladen hat. "Uns beschäftigt das Thema, auch im Rahmen unseres Kreisentwicklungskonzepts, schon seit Jahren", sagt Landrat Joachim Streit. Vor sieben Jahren hat er deshalb die Arbeitsgemeinschaft ärztliche Versorgung gegründet, in der Perspektiven für den Eifelkreis erarbeitet werden. "Das ist zwar nicht originär unsere Aufgabe, aber wenn uns daran gelegen ist, dann sollten wir uns nicht auf den Staat verlassen, sondern selbst nach Wegen und Möglichkeiten suchen", sagt Streit und Jager ergänzt: "Wir hängen uns da rein, weil wir nicht möchten, dass wir in ein paar Jahren irgendein Modell übergestülpt bekommen. Wir wollen jetzt lieber selbst die Situation mitgestalten." Woran es hakt: Doch bevor die Genossenschaft loslegen kann, bedarf es einer Zulassung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Und die steht noch aus. Der Grund: Haftungsfragen. Während mögliche Behandlungsfehler der behandelnde Arzt verantwortet, der dieses Risiko über eine Berufshaftpflichtversicherung abdeckt, müsste die Genossenschaft für die sogenannten Regressrisiken geradestehen. Regressforderungen gibt es etwa, wenn überdurchschnittlich viele Massagen und Krankengymnastik oder trotz günstiger Alternativen immer nur die teuersten Arzneien verschrieben werden. "Da kann die KV den Betrag zurückfordern, der über gängigen Durchschnittswerten liegt", erklärt Jager. Je nach dem, um welche Medikamente, Heilmittel und Impfstoffe es geht, könnten dabei schnell Beträge im "fünfstelligen Bereich" zusammenkommen. Die Genossenschaft will diese Regressrisiken über eine Versicherung abdecken, die KV aber bestehe auf eine "selbstschuldnerische Bürgschaft", was bedeuten würde, dass die Ärzte selbst haften. "An der Stelle hängen wir fest", sagt Jager, der das Verhalten der KV unkooperativ findet. KV-Sprecher Rainer Saurwein erklärt: "Grundsätzlich unterstützen wir solche Initiativen. Aber im Einzelfalls muss darüber letztlich der Zulassungsausschuss entscheiden." Initiative mit Modellcharakter: Nach Kenntnis von Jager ist die Eifeler Genossenschaft bundesweit die erste ihrer Art. "Ich finde es klasse, dass da einer vorangeht und das in die Hand nimmt", sagt Landrat Streit. Er sieht in der Initiative "eine riesige Chance, die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum grundsätzlich neu zu organisieren". Es könnte ein Modell sein, das Vorbildcharakter hat, damit sich beim Hausarzt auch morgen noch die Tür öffnet.KommentarMeinung

Das könnte die Lösung seinDie Initiative der zehn Eifeler Ärzte, die sich zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen haben, hat alle Unterstützung verdient. Immerhin geht es um die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung. Und da besteht dringend Handlungsbedarf. Mit der Ärzte-Genossenschaft könnte es tatsächlich gelingen, auch auf dem Land Arbeitsbedingungen in Praxen zu schaffen, die für junge Ärzte attraktiv sind. Da wäre es nicht zu verstehen, wenn die Kassenärztliche Vereinigung nicht alles daran setzen würde, damit diese Genossenschaft als Modellprojekt starten kann. Risiken müssen natürlich abgesichert sein. Aber wer neue Wege geht, braucht auch Mitstreiter, die nicht vor Unbekanntem zurückschrecken. d.schommer@volksfreund.de EIN DRITTEL DER ÄRZTE IST äLTER ALS 60 JAHRE

Extra

Rezept gegen Ärztemangel
Foto: (e_bit )

Altersstruktur: Die gut 49 Hausarzt-Stellen im Eifelkreis Bitburg-Prüm (Quelle: Kassenärztliche Vereinigung, Stand Mitte 2016) verteilen sich wie folgt: VG Südeifel: 11 Stadt Bitburg: 11,5 VG Prüm: 10 VG Bitburger Land: 7,75 VG Speicher: 5 VG Arzfeld: 4 Nur etwa 15 Prozent der Hausärzte im Eifelkreis sind 44 Jahre und jünger. Etwa ein Drittel der Ärzte (30 Prozent) sind bereits 60 Jahre und älter. Nimmt man zusätzlich noch die Gruppe der 55- bis 59-Jährigen in den Blick, dann gilt - ein durchschnittliches Ausstiegsalter von 62 Jahren zugrunde gelegt - für den Eifelkreis, dass bis 2022 etwa die Hälfte der heute noch praktizierenden Ärzte aufhört und sich damit ein Nachbesetzungsbedarf von rund 25 Stellen abzeichnet.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort