Rosenkranzgebete und andere Bräuche während der Totenwache

Lommersdorf/Üxheim · Heute werden Verstorbene in einer Toten- oder Friedhofs-Kapelle oder in einer Leichenhalle aufgebahrt. Aber in der Zeit davor war es allgemein üblich, Tote in ihrem Haus aufzubahren und Totenwache zu halten.

Lommersdorf/Üxheim. Drei Tage und Nächte kam dann die Nachbarschaft beim Ableben eines Mitmenschen in dessen Sterbehaus zusammen, um am offenen Sarg für das Seelenheil des Toten zu beten. Während der Nacht allerdings hielten gewöhnlich mehrere Männer die Wache und ließen den Toten nicht allein.
Wer aber jetzt glaubt, diese hätten die ganze Nacht über Gesätze des Rosenkranzes oder sonstige Sterbegebete verrichtet, täuscht sich. Zu einer ordentlichen Totenwache gehörte wie selbstverständlich, dass man die meiste Zeit in der warmen "Stuff" verbrachte, kräftige Schinkenbrote aß, starken Kaffee trank, die Stube vollqualmte und vor allem die Schnapsflasche ihre Runden drehen ließ.
Zwischendurch spielte man mit Leidenschaft Karten, und hin und wieder schritt man rüber in die Totenkammer, um erneut ein Gesätz für den Toten zu beten oder nachzuschauen, ob der Tote auch wirklich tot ist. Zahlreiche Berichte und Urkunden sowie Hinweise der bischöflichen Behörde beweisen, dass leider viel zu oft das christliche Anliegen der Totenwache in den Hintergrund trat, während Kartenspiel und Trank zur vergnüglichen nächtlichen Hauptsache wurden.
Zahlreiche Geschichten, ernster und heiterer Art, leben noch in der Erinnerung, berichten von Grusel und Unheimlichem, benennen Schabernack und unchristliches Verhalten.
So findet sich auch in der Chronik des Pfarrers Paul Spülbeck, Pastor in Lommersdorf, eine Erzählung, die, wie er selbst schreibt, "nicht erdichtet, sondern wirklich geschehen ist, und von der man heute noch spricht." Und wer von uns Lesern wagt es, einem Pfarrer zu widersprechen?
In Üxheim bei Niederehe hat sich vor Jahren Folgendes zugetragen. Dort lebte im Dorf ein Schuster, der sich immer und überall damit brüstete, er wisse nicht, was Angst sei, er kenne keine Angst und er habe auch schon sehr oft bewiesen, dass er ein furchtloser Mensch sei. Da beschlossen einige seiner guten Freunde, ihn bei Gelegenheit auf die Probe zu stellen und dafür zu sorgen, dass ihm eine Gänsehaut über den Rücken jagt und er zitternde Angst verspürt.
Und die Gelegenheit kam, als wieder mal ein müder Erdenpilger in Üxheim entschlummerte und diesem die Totenwacht gehalten wurde. Rasch trafen sich die Freunde, und als sie erfuhren, dass in dieser Nacht der Schuster ebenfalls zur Totenwache käme, heckten sie einen ganz unfeinen Plan aus.
Gegen Abend schlichen sich diese Freunde in die Sterbekammer, nahmen den Toten aus dem Sarg und versteckten ihn unter dem Bett in einer Ecke des Zimmers. Dann stieg einer der jungen Burschen in den Sarg, ließ sich mit einem weißen Laken zudecken und den Sargdeckel lose auflegen.
Kurze Zeit später kamen die nächtlichen Beter zusammen, darunter auch besagter Schuster. Dieser kannte aber nicht nur keine Furcht, sondern auch keine Ruhe. Er musste überall, wo er war, arbeiten und schaffen.
Vielleicht trieb ihn auch die Not dazu. Jedenfalls hatte er sein Werkzeug mitgebracht und flickte, um die Zeit gut zu nutzen, in den Gebetspausen an seinen Schuhen.
Auf einmal begann es in dem Sarg zu rumoren. Man hört ein leises Seufzen, Stöhnen, dann ein schauerliches Kratzen am Holz. Die beiden anderen anwesenden Wächter, obwohl sie genau wussten, dass alles nur Spiel war, packte dennoch das Grauen, so dass sie aufsprangen und hinauseilten.
Unser Schuster schaute nur verwundert auf. Er sah, wie der Sargdeckel sich langsam hob, eine weiße verhüllte Gestalt sich in dem Sarg aufrichtete und mit gott erbärmlichem Gewimmere sich hin zum Schuster drehte. Ohne zu erschrecken, zu zögern oder lange zu überlegen, nahm dieser seinen Schusterhammer und schlug damit einige Male mit voller Wucht auf den Kopf des "Toten", indem er rief: "Wat dued es, sall dued blieve!" (Was tot ist, soll auch tot bleiben!)
Die Schläge mit dem Hammer waren so ordentlich, dass der Spötter in dem Totenschrein zusammenbrach und keinen Laut mehr von sich gab. Als die Freunde wieder in die Kammer kamen und den Sarg öffneten, fanden sie ihren Freund erschlagen vor.

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