Ruhe bewahren statt dem Goldrausch verfallen

Jünkerath/Prüm/Arzfeld · Mehr Windkraft und andere risikoarme Energiequellen: Nach der Fukushima-Katastrophe soll der Raumordnungsplan in der Region geändert werden. Diane Schmitz, Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Obere Kyll, warnt jedoch davor, sich auf vorschnelle Verträge mit den Anlagenbetreibern einzulassen.

Jünkerath/Prüm/Arzfeld. Das Reaktorunglück im japanischen Fukushima im März hat zu einer Neuausrichtung der Energiepolitik geführt (der TV berichtete). Das hat auch Einfluss auf den Raumordnungsplan für die Region Trier: Dort ist die Errichtung von Windkraftanlagen bislang ausschließlich in festgelegten, sogenannten Vorrang-Gebieten möglich.
Jenseits dieser bisherigen Gebiete sollen Orts- und Verbandsgemeinden (VG) künftig selbst bestimmen können, wo weitere Flächen auf kommunalen und privaten Grundstücken zur Verfügung gestellt werden. Dazu werden auch Waldgebiete gehören, die bisher ausgeschlossen waren.
Mehr Windkraft - das heißt aber auch: mehr Möglichkeiten für Kommunen und Grundbesitzer, damit Geld zu verdienen. Diane Schmitz, Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Obere Kyll, warnt deshalb vor allzu schnellen Vertragsabschlüssen mit Energieunternehmen: "Es wäre jetzt klug, abzuwarten, die Zeit zu nutzen und verschiedene Angebote zu prüfen."
Stattdessen jedoch ließen sich manche Kommunen bereits in erste Vereinbarungen locken, denn viele Firmen versuchten derzeit, sich in den Ortsgemeinden die künftig nutzbaren Flächen über sogenannte "Gestattungsverträge" zu sichern: "Die Firmen locken mit angeblich guten Konditionen", sagt Diane Schmitz. "Diese Konditionen können für die Ortsgemeinden aber nur noch besser werden, da erst in den nächsten Jahren der Wettbewerb um Flächen so richtig ,Wind\' bekommt."
Die neuen Flächennutzungspläne seien außerdem längst noch nicht erstellt. Wenn aber Ortsgemeinden solche oft über mehrere Jahrzehnte bindenden Gestattungsverträge unterschreiben, "verpflichten sie sich dazu, die im Vertrag ausgewiesenen Flächen an die bestimmte Firma zu verpachten", sagt die Kommunalchefin. Aber der Wettbewerb werde erst richtig losgehen: "Und dann werden mit Sicherheit mehr als die derzeit häufig angebotenen 50 000 Euro Pacht jährlich angeboten. Interessant wird es für Windkraftbetreiber erst recht, wenn größere Flächen bebaubar sind, auf denen 20, 30 oder mehr Windkraftanlagen errichtet werden."
Richtig gute Konditionen


Dann nämlich lohne es sich auch, Leitungen zu verlegen, die erforderlichen Umspannwerke zu bauen und als Kommune eventuell in die Betreiberschaft zu gehen. "Die Ortsgemeinden, die sich dann vertraglich noch nicht gebunden haben, können sich schon jetzt auf einen richtig guten Wettbewerb und richtig gute Konditionen freuen", sagt Diane Schmitz. Wer jedoch bereits jetzt mit Dollarzeichen in den Augen Verträge abschließe, könne sogar hinterher vielleicht ganz leer ausgehen: Denn es sei möglich, dass die Unternehmen auf den jetzt verhandelten Flächen eines Tages vielleicht gar keine Anlagen mehr errichten würden, wenn sich das nicht rechne.
Diese Vorsicht will auch Aloysius Söhngen walten lassen: "Da hat sie recht: Es werden viele Illusionen gestreut. Im Moment ist da Goldgräberstimmung. Aber momentan kann noch niemand sagen, wo tatsächlich Flächen ausgewiesen werden." Bevor man jetzt aber vorschnell Flächen für Windkraft ausgucke, komme es vor allem auf eines an: Nicht "nach Gusto" vorzugehen, sondern einen rechtssicheren Flächennutzungsplan zu entwickeln. "Das muss ein ganz sauberes Verfahren sein, sonst hat man einen Plan, der nichts nützt."
"Ich weiß definitiv, dass es bereits viele unterschriebene Vorverträge gibt", sagt Andreas Kruppert, Bürgermeister der VG Arzfeld. "Aber das ist jetzt der völlig falsche Zeitpunkt. Es macht wirklich erst Sinn, wenn feststeht, wo überhaupt Windanlagen hinkommen können." Seine VG habe eine Untersuchung in Auftrag gegeben, in der mögliche Flächen für Windkraft- und Fotovoltaik-Anlagen geprüft werden. Und erst, wenn die Ergebnisse vorlägen - und man mit mehreren Anlagenbetreibern gesprochen habe, sollten sich private und öffentliche Eigentümer auf Verträge einlassen. Krupperts Fazit: "Wer jetzt unterschreibt, verbaut sich für die Zukunft alle anderen Optionen."Meinung

So schwer es auch fällt ...
Bisher hat leider noch nie einer mit einem Bündel Geldscheine vor meiner Nase herumgewedelt. Mein erster Impuls wäre wahrscheinlich, nach den Scheinchen zu schnappen. Genau das ist die Situation, in der sich viele Ortsgemeinden gerade befinden: Der Wettbewerb zwischen den Anlagenbetreibern ist angelaufen, sie alle winken mit Geld und wollen früh an die Flächen ran - völlig legitim übrigens, sie müssen so denken und handeln. Aber auch wenn es noch so schwer fällt: Wer jetzt auf das Bündel verzichtet, kann vielleicht später das Geld mit der Schubkarre heimfahren. fp.linden@volksfreund.de

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