"Schlafen, essen, rumsitzen" - Asylbegehrende auf dem Flugplatz suchen Arbeit

Bitburg · Sie sind jung und voller Tatendrang: Doch die meisten Menschen aus dem Kosovo, Albanien, Syrien und anderen Ländern, die im Flüchtlingslager auf dem Bitburger Flugplatz campieren, langweilen sich. Sie sagen, es gibt dort zu wenig Deutschunterricht, und die Asylverfahren dauern ihnen zu lange.

 Auch diese beiden Flüchtlinge, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchten, können nicht davon leben, sich gegenseitig die Haare zu schneiden.

Auch diese beiden Flüchtlinge, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchten, können nicht davon leben, sich gegenseitig die Haare zu schneiden.

Foto: (e_bit )

Bitburg. Um Krieg oder Armut zu entgehen, haben sie zu Hause alles zurückgelassen, und sich - in der Hoffnung auf ein besseres Leben - auf den Weg nach Deutschland gemacht. Mittlerweile leben 347 Flüchtlinge in der Zeltstadt auf dem Bitburger Flugplatz. Der Großteil stammt vom Balkan, aber auch Kriegsflüchtlinge aus Afghanistan oder Syrien sind dort einquartiert. Der TV hat sich mit Asylbegehrenden in der Zeltstadt über ihre Sorgen und Wünsche unterhalten.

Der Armutsflüchtling: Der 21-jährige Albaner Klodjan Carja ist frustriert. Er ist aus seiner Heimat Albanien geflüchtet. "Dort gibt es keine Arbeit. Ich hatte kein Geld mehr, um mir etwas zum Essen zu kaufen", sagt der ehemalige Student der Soziologie.

Carja: "Überfälle auf Supermärkte sind dort an der Tagesordnung." Früher habe er jedes Jahr drei Monate in Italien oder Griechenland gearbeitet, um sein Studium in Albanien zu finanzieren. Jetzt finde er auch in diesen Ländern keine Arbeitsstelle mehr. "Ich hatte keine Alternative - nur die Flucht nach Deutschland", sagt der 21-Jährige. "Ich muss es hier schaffen." Seit fünf Wochen lebt er in der Zeltstadt auf dem Flugplatz. "Warum akzeptieren die Deutschen, dass wir hier in Zelten ohne ein festes Dach über dem Kopf leben?", fragt Carja. "Es ist nicht schön hier. Wir langweilen uns. Es gibt ständig Auseinandersetzungen bei der Essensausgabe oder Streit um einen Fußball."

Er müsse noch bis Oktober auf sein "Interview" bei der Behörde warten. Dann hat er einen Termin beim Bundesamt für Migration in Trier, bei dem er sein Asylbegehren erläutern kann. "Ich will arbeiten - egal was - und Deutsch lernen. Aber wir werden hier in Bitburg nur eine Stunde in der Woche unterrichtet", kritisiert Carja. "Ich brauche aber mindestens zwei Stunden Deutschunterricht täglich." Doch an seinem Traum von einem besseren Leben in Deutschland zweifelt der 21-Jährige - nicht ohne Grund. Denn Albaner haben in Deutschland keine guten Chancen auf Asyl. Die Anerkennungsquote ist verschwindend gering. Carja: "Warum nimmt Deutschland nur Flüchtlinge aus Krisengebieten auf? Wir haben keine Arbeit und nichts zu essen. Das ist genau so schlimm."

Der Kriegsflüchtling: Am Nachmittag schlägt auch der 24-jährige Syrer Muhannad Mustafa im Schatten eines Zeltes die Zeit tot. In seiner Heimatstadt Aleppo in Syrien kämpfen derzeit Rebellen mit den Regierungstruppen um die Herrschaft über die Stadt. "Die Universität wurde bombardiert und ist jetzt geschlossen", sagt der Jurastudent Mustafa. Über die Türkei und Griechenland hat er die Flucht ergriffen. Doch auch in Bitburg kommt er nicht zur Ruhe. Denn er hat seine Frau im Kriegsgebiet zurückgelassen, um sie eines Tages nachzuholen. Mustafa zeigt mit Unverständnis ein Schreiben des Amts für Migration. Der Syrer ist erst am 1. Februar 2016 in die Dasbachstraße nach Trier zu einem Gespräch eingeladen, um sein Asylbegehren vorzutragen. Mit Schrecken denkt er dabei an seine Frau. Denn nach diesen fünf Monaten, so kalkuliert Mustafa, müsse er noch bis zu fünf Monate auf die Genehmigung warten. Und frühestens dann, so sagt es Mustafa, könne er seine Frau nachholen. Mustafa: "Eine verdammt lange Zeit, wenn Krieg ist." Sollte das gelingen, so hat der Syrer schon Pläne dafür, wie es weitergehen soll. "Ich möchte arbeiten, Autowaschen - oder egal was - und meine Frau soll Informatik studieren." Aber Mustafa geht es nicht schnell genug. "Ich möchte Deutsch lernen, aber es gibt hier so gut wie keinen Unterricht", sagt er. In Trier habe er nach einem Wörterbuch, Deutsch-Arabisch, gebeten, aber niemand habe ihm da helfen können. Mustafa: "Hier im Zeltlager auf dem Flugplatz kann man nur schlafen, essen und rumsitzen."

Betrieb: Die Zeltstadt auf dem Flugplatz soll nach Angaben der ADD bis mindestens September in Betrieb bleiben. Pressesprecherin Eveline Dziendziol: "Derzeit sind wir noch darauf angewiesen. Wir müssen die Entwicklung abwarten." Sollte es nötig werden, so Dziendziol, so könne man die Zelte auch heizen.Meinung

 Auch diese beiden Flüchtlinge, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchten, können nicht davon leben, sich gegenseitig die Haare zu schneiden.

Auch diese beiden Flüchtlinge, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchten, können nicht davon leben, sich gegenseitig die Haare zu schneiden.

Foto: (e_bit )

Junge Flüchtlinge ausbilden
Wo ist jetzt die Handwerkskammer, die Lehrstellen nicht besetzen kann? Oder der über Nachwuchsmangel klagende Deutsche Hotel und Gaststättenverband? Auf dem Bitburger Flugplatz warten Hunderte junge Menschen darauf, dass man ihnen Arbeit gibt. Wenn sie zur Durchführung ihres Asylverfahrens eine Aufenthaltsgestattung bekommen, dürfen sie bereits nach drei Monaten Aufenthalt am Arbeitsmarkt teilhaben. Die meisten Flugplatzbewohner würden jeden Job mit Kusshand nehmen. Trotzdem haben die Kammern und Verbände des Handwerks, der Gastronomie sowie der Industrie und Wirtschaft bislang noch nicht die Initiative ergriffen. Dabei könnten viele dieser jungen Menschen mit etwas Startenergie und Förderung wie Deutschunterricht im Intensivkurs in Lohn und Arbeit gebracht werden. c.moeris@volksfreund.de

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