Schlaue Argumente statt dummes Faustrecht

BITBURG-PRÜM. Mit Umfragen, Vorträgen und Beratungen vor Ort starten das Kreisjugendamt Bitburg-Prüm und die Polizeidirektion Wittlich eine Offensive zur Gewaltprävention an Schulen.

Wenn Hubert Lenz als Jugendschutzbeauftragter der Polizeidirektion Wittlich in die Kriminalstatistik schaut, stellt er einen Anstieg der Gewaltdelikte auch im Kreis Bitburg-Prüm fest. Die vermutete Dunkelziffer liegt jedoch noch erheblich höher. Gewalt gilt zum Teil immer noch als Tabuthema, über das nicht geredet wird. "Gewaltprävention machen die Schulen zwar schon punktuell, aber oft nicht konzeptionell übergreifend. Da lässt sich noch etwas bewegen", sagt Lenz. Ein Paket mit Unterrichtsmaterialien ist zwar bundesweit an alle Schulen verteilt worden, doch es hapert bei der Umsetzung. Dazu will die "Initiative gegen Gewalt" (IGEL) die Schulen motivieren. Nach dem Mehr-Ebenen-Konzept ist zum einen die ganze Schulgemeinschaft gefragt mit Schulleitung, Schülern, Lehrern und Eltern. Wichtige Unterstützung von außen können das Jugendamt und Fachkräfte anderer Träger wie Caritas oder Polizei leisten. Deshalb will IGEL die Information über bestehende Angebote verbessern. Nicht zuletzt mit Hilfe der Internet-Seite www.bitburg-pruem.de/igel soll eine Art Netzwerk entstehen. Dabei können sich Nutzer zum Beispiel aus einer Projektbörse bedienen, in der erfolgreiche und nachahmenswerte Einzelprojekte vorgestellt werden.Ziel: Verstehen, wie Gewalt entsteht

In Nordrhein-Westfalen hat sich das so genannte Anti-Bullying-Programm bewährt (von "to bully": "schikanieren"). Ist ein gewalttätiger Übergriff bekannt geworden, werden die Beteiligten aufgefordert, das Geschehen aus ihrer Sicht aufzuschreiben. Unter den Akteuren, in der Klasse und im Elternhaus wird überlegt, was zu der Auseinandersetzung geführt hat und wie sie zu vermeiden gewesen wäre. Am Ende entstehen eine Beschreibung von Gewalt und klare Regeln gegen Gewalt. Zur Prävention zählt, das Selbstbewusstsein möglicher Opfer zu stärken und Wege zur Konfliktlösung mit Argumenten statt Fäusten einzuüben. Zum Ablauf von IGEL: Wenn ein Schulleiter sich zur Teilnahme entschließt, werden die Eltern schriftlich informiert. Sie können entscheiden, ob ihre Kinder bei einer umfassenden Umfrage zum Thema Gewalt mitmachen. Klassenweise werden standardisierte Fragebögen verteilt, die später einen Vergleich mit anderen Schulen ermöglichen. Nach der Auswertung folgt in der Regel ein Studientag, bei dem die Ergebnisse vorgestellt und konkrete Maßnahmen geplant werden. Beispiel: Kristallisiert sich die Bushaltestelle der Schule als Schwerpunkt der Gewalt heraus, könnte dort eine Aufsicht eingerichtet werden. Vielleicht entscheidet sich die Schule auch für die Ausbildung von Streitschlichtern, die Einberufung von Elternabenden zu Erziehungsfragen oder aber zu einer Projektwoche mit dem Themen-Schwerpunkt Gewaltprävention. "Wir wollen die Diskussion über das Thema im Lehrerkollegium beleben und Schüler anregen, sich intensiv damit zu befassen", erklärt Carsten Lang, neuer Jugendschutzbeauftragter der Kreise Bitburg-Prüm und Trier-Saarburg. Für die Auftaktveranstaltung am 25. Januar(siehe Extra) liegen rund 60 Anmeldungen verschiedener Schultypen vor. Weitere Vorträge, die für alle interessierten Eltern oder Lehrer offen sind, werden im Lauf des Jahres folgen. Zur Förderung von Einzelprojekten hat der Jugendhilfeausschuss des Kreises ein Sonderprogramm aufgelegt. IGEL selbst wird aus dem Jugendhilfe-Topf gespeist und durch Lenz und Lang betreut, die später gezielt dokumentieren wollen, inwiefern die Gewalt nachgelassen hat - eine arbeitsintensive Aufgabe: "Für das volle Programm entscheiden sich vielleicht nur eine handvoll Schulen, aber viel mehr können wir auch nicht auf einmal bewältigen." Dennoch hoffen beide, dass das Pilotprojekt auch in anderen Kreisen der Region Schule macht.

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