Schöner scheitert keiner

Der erste Roman von Donald E. Westlake um das kriminelle Genie John Dortmunder war in Deutschland nie in vollständiger Übersetzung zu lesen. Das hat der Atrium-Verlag jetzt zum Glück geändert: "Fünf schräge Vögel" ist ein wahnwitziger Spaß.

 Konnte alles, von knallhart bis kreischkomisch: Donald E. Westlake. Foto: © Abby Adams

Konnte alles, von knallhart bis kreischkomisch: Donald E. Westlake. Foto: © Abby Adams

Foto: (g_kultur

Als der amerikanische Schriftsteller Donald E. Westlake am Silvesterabend 2008 im Mexiko-Urlaub einem Herzinfarkt erlag, hinterließ er rund 100 Bücher - und vor allem zwei unvergessliche Charaktere: den eiskalten Gangster Parker, dessen Romane Westlake unter dem Pseudonym Richard Stark verfasste (auf Deutsch bei Zsolnay). Merkmal: kein Wort zu viel. Nicht mal für einen Vornamen des dunklen Helden reichte es. Etliche Parker-Romane wurden verfilmt, am bekanntesten bleibt "Point Blank" mit Lee Marvin.
Charakter Nummer zwo: John Archibald Dortmunder. John wer? John wie? Genau: Dortmunder, benannt nach einem Werbeschild für die "Dortmunder Actien Brauerei", das dem Autor eines Tages in einer Bar ins Auge fiel. Und irgendwie ist das mit John Dortmunder auch so ähnlich wie mit der Borussia: fähig zu höchster Genialität, aber meistens reicht es dann so ganz knapp eben doch nicht für den großen Finalsieg.
Ein Held mit Macken


John Dortmunder plant und dreht die unglaublichsten Dinger, die dann aber doch - fast - immer aufs Schönste in die Hose gehen. Ihn einen gebrochenen Helden zu nennen, wäre übertrieben - geknickt trifft's besser. Ein Schluffen, mit bedröppeltem Gesichtsausdruck, stetig ausdünnenden, "haarfarbenen" Haaren.
Aber eben: ein Genie. Und ein großer Stoiker, der immer weitermacht, obwohl er doch weiß, dass es am Ende wieder nicht hinhauen wird. An seiner Seite: diverse Co-Gangster, jeder ein Spezialist für besondere Aufgaben. Macht insgesamt fünf - die "schrägen Vögel" im deutschen Titel. Wie zum Beispiel Stan Murch, den Fahrer, der wirklich nichts anderes im Kopf hat als Fortbewegungsmittel: Abends legt er schon mal eine Schallplatte auf. Mit den Motorengeräuschen des 500-Meilen-Rennens von Indianapolis. Schön laut. Zum Entspannen.
14 Dortmunder-Romane und etwa genauso viele Kurzgeschichten schrieb Westlake zwischen 1970 und 2008 - und nahezu nichts davon ist, außer antiquarisch, fragmentarisch und billig aufgemacht, auf Deutsch zu haben.
Das galt bis jetzt auch für den Auftakt der Serie, Originaltitel "The Hot Rock" - in dem Dortmunder und seine Gang hinter einem echt heißen Stein her sind: dem Balabomo-Smaragd, um den sich zwei afrikanische Nationen streiten. Die einen haben ihn, die anderen wollen ihn, Dortmunder soll ihn in deren Geheimauftrag aus einer Ausstellung in New York klauen.
Das gelingt - bedingt. Der Edelstein kommt den Dieben nämlich immer wieder abhanden. Und so müssen sie wieder ran. Und wieder. Und … genau.
Das Ganze ist ein Spektakel, bei dem immer größere und schwerere Geschütze und Gerätschaften aufgefahren werden. Bis hin zum Gastauftritt einer ganz speziellen Spezialwaffe: des "Großen Miasmo" nämlich, den Dortmunder und Kollegen einspannen, als alles schon verloren scheint. Was der Große Miasmo macht, sagen wir nicht. Nur: Wer spätestens an dieser Stelle nicht lacht, der ist tot. Und zum Finale bietet Westlake noch eine herrliche Volte, die den Leser mit einem tiefen, zufriedenen Grinsen aus der Geschichte gehen lässt.
Bitte mehr davon


Eine hinreißende Gaunerei also, übersetzt von Verlagsleiter Tim Jung, und das ist weitgehend gelungen: Die Story schnurrt schön voran, wenn er sich auch dabei nicht immer auf Westlakes lakonischen Witz verlässt, sondern hier und da, etwa bei den Dialogen, sprachlich höher dreht als nötig. Hätte nicht sein müssen, zumal Westlake nicht nur die irrsten Plots, sondern auch (neben vielleicht noch Ross Thomas) die besten Dialoge zu schreiben verstand.
Egal: grandioses Buch. Und nicht einmal das beste aus der Reihe, die man sich unbedingt vollständig übersetzt wünscht. Das aber, so teilt der Verlag auf Anfrage mit, sei vorerst nicht geplant. Ein Verbrechen.

Donald E. Westlake: "Fünf schräge Vögel", Deutsch von Tim Jung, Atrium Verlag, 270 Seiten, 19,99 Euro.
Extra

Schöner scheitert keiner
Foto: (g_kultur

Donald Edwin Westlake wurde 1933 in Brooklyn geboren, er starb an Silvester 2008 im Mexiko-Urlaub an einem Herzinfarkt. Er dachte sich nicht nur mehr als 100 Romane aus, sondern auch eine Reihe von Pseudonymen: Richard Stark, Tucker Coe, Curt Clark, Samuel Holt, Timothy J. Culver, J. Morgan Cunningham, Judson Jack Carmichael. Westlake war einer der besten Stilisten unter den (nicht nur) Krimi- und Thrillerautoren, in einem Interview bekannte er einmal, dass er sich für seinen Helden Parker lieber einen anderen Namen ausgedacht hätte: Weil ihm der Satz "Parker parkte den Wagen" gegen den Strich ging. Westlake erhielt zahlreiche Auszeichnungen, 25 seiner Bücher wurden verfilmt, er selbst verfasste zudem eine Reihe von Drehbüchern; darunter "The Grifters" nach einem Roman von Jim Thompson. Die Adaption trug ihm 1990 eine Oscar-Nominierung ein. fpl

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort