Schrei vor Schmerz

Am Tag vor Weihnachten 1944 war der Krieg spürbar in der Heimat - nahe Bitburg, in Nattenheim. An diesem Abend sollten alle verfügbaren Pferdegespanne nach Bitburg zum Krankenhaus kommen. Das Krankenhaus war durch Bomben stark beschädigt. Es musste geräumt werden. Ein paar Tage vorher hatten wir zwei Mädchen aus Bitburg aufgenommen. Wir, das heißt: Mein Bauer, bei dem ich in Stellung war, und ich. Dessen Bruder hatte nach Bitburg geheiratet, er selbst war Soldat, die Frau und zwei Töchter wohnten in einem Haus nahe dem Krankenhaus. Die Frau starb bei der Zerstörung des Krankenhauses, die beiden Kinder wurden verletzt und durch Bekannte nach Nattenheim gebracht.Am Abend machten sich die Gespanne auf den Weg, es polterte auf den Kieselstraßen. Wir waren junge Mädchen und fühlten uns angesprochen, zu helfen. Man hörte von weitem das Jammern der Kranken vor Angst und Schmerzen auf den Pferdewagen. Ich denke noch oft an eine Frau: Sie war Luxemburgerin und war zu Hause verwundet worden und nach vielem hin und her im Bitburger Krankenhaus gelandet. Sie hatte einen Oberschenkeldurchschuss. Deshalb trug sie einen Streckverband. Als das Pferdegespann anhielt, rutschte der Verband ab. Die Frau schrie. Noch heute, wenn ich daran denke, meine ich sie zu hören.In der Schule, die ja nicht als solche benutzt wurde, wurden die Kranken untergebracht. Ein Arzt war nicht da, die Schwestern pflasterten, so gut sie konnten. Alte Männer und Frauen, aber auch junge Leute - insgesamt etwa 50 Menschen - wurden zusammen in zwei Sälen untergebracht. Die einen starben, die anderen wurden gesund. Leute aus dem Dorf brachten Kartoffeln, Gemüse und Mehl zu den Schwestern. Diese versuchten, das Beste daraus zu machen. Es gab viel Elend, aber auch viel Liebe und Hilfe. TV-Leserin Else Haus , geborene Konrath, lebt heute in Bettingen. Sie wurde am 4. März 1924 in Nattenheim geboren und war zum Zeitpunkt ihres Berichts Dienstmädchen bei Familie Billen in Nattenheim, die selbst fünf Brüder im Krieg hatte. Nur einer lebte zu Hause.

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