Schüler lieben altes Schlösschen

Bitburg · Bitburgs barockes Schloss ist ein Gebäude mit wechselhafter Geschichte: Ein Testament verwandelte es vom prunkvollen Wohnsitz in einen Ort der "Erquickung" Jugendlicher. Es wurde Waisenhaus, dann Nazi-Zentrale, später Schulstandort. Es wurde zerstört, wieder aufgebaut und saniert. Jetzt ist es ein "Kracher", findet die Leiterin der seit über 40 Jahren dort ansässigen St.-Martin-Schule.

Bitburg. Einheimische nennen es liebevoll "das Schlösschen" oder "Waisenhaus". Durch das Torportal von der Kölner Straße fällt der Blick auf das barocke, architektonisch klar gegliederte Prunkstück der Stadt, das frisch verputzt und gestrichen schon von außen demonstriert: Ich bin wichtig und werde geschätzt. In den letzten Jahren ist sein materieller Wert noch gestiegen. Für knapp 1,8 Millionen Euro wurde das Schlösschen bis zum Jahresende 2012 baulich saniert und energetisch modernisiert. Die Kosten teilen sich Land, die Lebenshilfe Kreisvereinigung Bitburg und der Kreis mit dem größten Batzen von 1,4 Millionen Euro. Schließlich ist der Kreis auch der Eigentümer.
Barockschloss als Wohnhaus


Und das kam so: 1757 bis 1764 ließ der Bitburger Stadtherr von Blochhausen das barocke Schloss als Wohnsitz an die Stelle bauen, an der einst eine mittelalterliche Wasserburg stand. Der spätere Eigentümer Freiherr Clemens Wenzeslaus von der Heyden bestimmte mit seinem Tod 1840, wie es künftig genutzt werden sollte. Als Ort "der Erquickung bedrängter Armen oder zur Anstalt und Nutzen der Jugenderziehung". Mit dieser testamentarischen Auflage übergab er es an den Kreis.
Das Schloss wurde Waisenhaus. 1859 zogen die ersten 38 Kinder ein. Bis 1936 die Nazis dort die NSDAP-Kreisleitung unterbrachten. Die machte kurz vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen kurzen Prozess und ordnete 1945 die Sprengung an, damit ihre Akten nicht dem Feind in die Hände fielen. Dabei wurden Dächer und Gartenfront zerstört und das restliche Gebäude stark beschädigt.
1957 bis 1959 wiederhergestellt, fanden die Landwirtschaftliche Berufsschule des Kreises, die Ländliche Haushaltungsschule und das Kreisheimatmuseum hier vorübergehend Unterschlupf.
1969 schlug die Stunde für die St.-Martin-Schule, eine Förderschule mit dem Schwerpunkt ganzheitliche und motorische Entwicklung in der Trägerschaft des Kreises. Mit sieben Schülern begann dort der Unterricht. Inzwischen lernen hier 61 Schüler in neun Klassen.
Schulleiterin Regina Mannitz schwärmt: "Wir finden das Gebäude fantastisch, vor allem seit es renoviert ist." Sie nennt es auch "Prunkstück" oder "Kracher". Es verfügt sogar über ein Schwimmbad, allerdings ist das nicht der Herrschaftlichkeit seines snobistischen Antlitzes geschuldet, sondern den Bedürfnissen der motorisch beeinträchtigten Schüler. In den Augen der Schulleiterin ist nicht nur das Gebäude, sondern auch sein Standort ideal. Denn von hier aus ist die Innenstadt zu Fuß bequem zu erreichen. Und das ist wichtig für die Schüler, die im Unterricht ganz praktisch lernen, sich im Alltag zurechtzufinden: Fußübergänge überqueren, einkaufen, Bankauszüge ziehen.
Allerdings fällt im Schulbetrieb auf, dass der Architekt nicht an eine Schule gedacht hatte. Drei Etagen sind für Körperbehinderte zu überwinden, es gibt nur einen Fahrstuhl für Rollstuhlfahrer, und auf eine Aula muss die Schule ganz verzichten. Dafür entschädigen der Charme und die Atmosphäre, findet Mannitz.
Offiziell gibt es keine Besichtigungen. Aber wer das Schlösschen von innen sehen möchte, den lädt Regina Mannitz ein, sich an das Schulsekretariat unter Telefon 06561/961410 zu wenden oder eine E-Mail an info@martin-schule.de zu schicken.

Extra

Das rechteckige zweigeschossige Gebäude ist fast 30 Meter lang und 15 Meter tief und besitzt zwei vorspringende Flügel an den Seiten. Ein hohes Portal von 1856 und eine Mauer schließen das Anwesen zur Kölner Straße hin ab. Im 19. Jahrhundert gehörte ein Garten zu der Anlage, der nur minimal wieder angelegt wurde. sys

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