Schüler sollen besser essen

Gesundes Schulessen: Das Thema klingt langweilig, hat es aber in sich. Denn immer mehr Kinder sind fettleibig und in Gefahr, dadurch krank zu werden. Heute stimmt der Kreistag darüber ab, ob sich seine Schulen künftig an Qualitätsstandards für Schulessen halten sollen.

Bitburg/Prüm. "Man wird, was man isst", sagt Dr. Thomas Koch vom Marienhaus Klinikum in Bitburg. Und wenn es erst 20 Jahre später sei.

Als Arzt sieht sich Koch im Arbeitsalltag mit den Folgen schlechter Ernährung konfrontiert: Diabetes, Darmkrebs, Gallensteine, Bluthochdruck, Herzinfarkte, Schlaganfälle…

Immer mehr Kinder leiden unter Übergewicht



Heute müsse er schon bei Kindern Krankheiten wie Diabetes diagnostizieren, die bisher vor allem nur bei alten Menschen aufgetreten sind. Denn immer mehr Kinder sind stark oder sogar sehr stark übergewichtig. Die Zahlen gehen auseinander. Mal ist von jedem dritten Kind die Rede. Mal von jedem sechsten. Die daraus resultierenden Folgekosten gehen in die Milliarden. So oder so. "Wir wissen, dass wir ein Problem haben", sagt Koch.

Ein Problem, dem die Lokalpolitik nun entgegenwirken möchte: Bündnis90/Die Grünen und die Linke bringen heute einen Antrag in den Kreistag ein, der dafür sorgen soll, dass Kinder zumindest an den Ganztagsschulen eine gesunde Ernährung erhalten.

Ein Arbeitskreis zum Thema "gesunde Schulernährung" hat in den vergangenen Monaten Empfehlungen erarbeitet. Zum einen wünscht sich der Arbeitskreis, dass alle Schulen in Trägerschaft des Kreises zu Ganztagsschulen werden, die ein Mittagessen zum Standardpreis von 2,80 Euro anbieten. Ein Wunsch, der vielen Schülern entgegenkäme. "Von 2,80 Euro sind wir weit entfernt", sagt der Kreis-Schülersprecher Pascal Kersten. Er besucht eine Schule, die kein Essen anbietet, und muss mittags zwischen drei und fünf Euro ausgebe. Für Essen, das nicht unbedingt gesund ist.

Zentraler Punkt des Arbeitskreises ist die Forderung, dass die Ganztagsschulen die vom Bundesernährungsministerium und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung festgelegten Qualitätsstandards für die Schulverpflegung einhalten. Die Standards regeln nicht nur, was gegessen werden soll (siehe Extra), sondern auch, wie die Speisen zubereitet oder warm gehalten werden, wie viel Zeit man den Schülern für das Essen einräumen sollte oder welche Rahmenbedingungen im Speisesaal zu schaffen sind.

"Auch die soziale Komponente des Essens spielt eine wichtige Rolle", sagt Dr. Brigitte Jansen von der Uni Koblenz, die bei einer Infoveranstaltung der Grünen eine Studie zur Schulverpflegung im Land vorgestellt hat. "Ganztagsschulen haben eine große Verantwortung. Denn nur noch 60 Prozent der Jugendlichen nehmen unserer Studie zufolge einmal täglich an einem gemeinsamen Familienessen teil. Umso wichtiger ist deshalb inzwischen das Schulessen."

Die Forscher der Uni Koblenz haben auch untersucht, ob die Schulen sich an die Qualitätsstandards halten. Ergebnis: Nur vier Prozent antworteten mit "Nein". Die Kontrollfrage, ob es täglich Rohkost oder Gemüse gebe - ein wichtiger Standard - beantworteten dann aber 40 Prozent der 456 Ganztagsschulen des Landes mit "Nein".

Es fehle oft an Fachwissen, sagt Doris Fey von der "Vernetzungsstelle Schulverpflegung". Für viele Schulträger sei der Preis des Essens das einzige Kriterium. Sollte der Antrag, den Grüne und Linke heute stellen, Erfolg haben, rückt demnächst die Qualität in den Vordergrund.

Info-Veranstaltung: Am 22. September informiert die "Vernetzungsstelle Schulverpflegung" beim ersten "Aktionstag Schulverpflegung" über gesundes Schulessen. Mit dabei sind die Edith-Stein-Hauptschule Bitburg (Realschule plus), die Grundschule Bleialf, und die St.-Martin-Schule Bitburg. Infos unter www.schulverpflegung.rlp.de

Meinung

Ein sinnvoller Antrag

Gähn, möchte man bei dem Tagesordnungspunkt, der heute im Kreistag verhandelt wird, erst mal meinen. "Gesunde Schulernährung" klingt wirklich langweilig. Ist es aber ganz und gar nicht. Wenn man sich vor Augen hält, welche Folgen es hat, dass sich viele Kinder grundlegend falsch ernähren, ist es mehr als sinnvoll, dass der Kreistag sich Gedanken über das Thema macht. Immer weniger Kinder bekommen zu Hause regelmäßig etwas Ordentliches aufgetischt. Immer mehr Kinder sind zu dick. Immer mehr Kinder drohen deshalb krank zu werden. Und immer mehr Kosten kommen deshalb absehbar auf unser Gesundheitssystem zu. Nebenbei leiden die Kinder auch psychisch. Denn: Wer ist schon gerne dick? Deshalb ist der Vorschlag, beim Schulessen auf Qualität zu achten, sehr sinnvoll. Mehr Salat, mehr Gemüse, mehr Obst und dafür weniger Fleisch, weniger Fett, weniger Fertigprodukte würden sicher einigen Schulmensen guttun. k.hammermann@volksfreund.deExtra Essen an Schulen: 7200 Schüler besuchen die 13 Schulen, die in Trägerschaft des Kreises sind. Acht davon sind Ganztagsschulen. 2009 wurden dort insgesamt 54 000 Essen ausgegeben. Der Standardpreis des vom Kreis subventionierten Essens liegt bei 2,80 Euro. Ab dem zweiten Kind zahlen Eltern nur noch 2,10 Euro. Sozialhilfeempfänger zahlen einen Euro pro Essen. Für die Realschulen plus in Bleialf, Prüm und Bitburg sind Mensen in Planung. Auch das Bitburger Willibrord-Gymnasium strebt mittelfristig an, Ganztagsschule zu werden. Empfohlene Standards: Das Ernährungsministerium empfiehlt, dass täglich Rohkost oder Gemüse und Stückobst gereicht werden sollten. Pro 20 Tage sollte es maximal achtmal Fleisch geben, mindestens viermal Fisch, mindestens achtmal frische Kartoffeln, zweimal Vollkornnudeln, viermal Reis und maximal viermal hoch verarbeitete Kartoffeln (Fritten, Kroketten, Fertigpüree…). (kah)

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