Landwirtschaft Selbstbewusst und selbstkritisch

Die Landwirte sind in Aufruhr und demonstrieren gegen die Agrarpolitik. Bei der Versammlung des Bauern- und Winzerverbandes im Eifelkreis analysierte der Chefredakteur der Zeitschrift Top Agrar die derzeitige Situation, machte gleichzeitig Mut, rief aber auch dazu auf, sich dem Wandel zu stellen.

 Matthias Schulze Steinmann referiert über die Landwirtschaft und ihre Herausforderungen.

Matthias Schulze Steinmann referiert über die Landwirtschaft und ihre Herausforderungen.

Foto: TV/Nora John

 „Die Ungewissheit liegt wie ein Mehltau über der Branche“, mit diesem bildlichen Vergleich machte Matthias Schulze Steinmann, Chefredakteur der Zeitung Top Agrar, die derzeitige Lage der Landwirtschaft deutlich. Er referierte bei der Versammlung des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau im Eifelkreis Bitburg im Gasthaus Herrig in Meckel über das Thema „Landwirtschaft zwischen Anspruch und Realität“.

„Wir sind in einer bewegten Zeit“, bestätigte Schulze Steinmann, was Der Präsident des Bauernverbands Michael Horper schon vorher bei seiner Begrüßung gesagt hatte. Düngeverordnung, Agrarpaket, Umwelt- und Insektenschutz nannte der Referent als die Dinge, die den Berufsstand der Bauern derzeit zu schaffen machen. Dabei verfiel Schulze Steinmann aber nicht ins Wehklagen sondern sprach von einer Aufbruchsstimmung und Energie, die sich bei den Bauernprotesten gezeigt hätten. Diese Energie solle man nutzen und gesprächsbereit bleiben. „Wir müssen sagen, was wir wollen und nicht nur, was wir nicht wollen“.

Schulze Steinmann beklagte die zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft. Eine sachliche Debatte sei oft gar nicht mehr möglich, wenn statt von Pflanzenschutzmitteln von Ackergiften gesprochen werde. Schwierig mache die Sache für die Bauern auch, dass jeder meine, mitreden zu können. „Agrarpolitik wird oft von Großstädtern gemacht.“ Auch die Medien wurden vom Top Agrar-Chefredakteur für ihre aus seiner Sicht oft einseitige Berichterstattung kritisiert. Und nicht zuletzt trage der Verbraucher durch sein Einkaufsverhalten zur schwierigen Lage bei.  Früher hätten die Menschen rund 40 Prozent des Einkommens für Nahrung ausgegeben, heute seien es noch etwa 10 Prozent. „Wir sind das Land mit den teuersten Küchen und den billigsten Lebensmitteln“. Das sei auch ein Fehler der Politik.

Aber auch die Bauern selber nahm Schulze Steinmann bei seiner Kritik nicht aus. Da gebe es ebenfalls schwarze Schafe.

Er rief dazu auf, sich dem Wandel zu stellen. Der Referent warnte die Bauern davor sich in die Schmollecke zu stellen und in einer Filterblase zu leben. Das „Bauernbashing“ sei nicht gut aber „ich rate zu mehr Gelassenheit.“ Das Ansehen der Landwirte sei gar nicht so schlecht, wie häufig angenommen. In einer Liste mit den angesehensten Berufen sei der Landwirt derzeit auf Platz zwei direkt hinter dem Arzt.

Fakt sei aber auch, dass sich die Anforderungen verändern. Acker­flächen verschwinden, gleichzeitig steigt die Weltbevölkerung rasant an. 1978 habe es pro Kopf noch 3800 Quadratmeter Ackerland gegeben, derzeit seien es etwa 2100 und im Jahr 2050 liege die Zahl voraussichtlich bei 1500 Quadratmetern. „Das schaffen wir nicht mit Bullerbü-Landwirtschaft“. Es müsse ein kluger Mix aus Nachhaltigkeit und Produktivität angestrebt werden.

Dazu müsse auch moderne Technik genutzt werden. Harte körperliche Arbeit werde heute von Maschinen und Computern übernommen. Für die Zukunft sagte Schulze Steinmann voraus, dass künstliche Intelligenz und Robotik eine große Bedeutung bekommen würden. Als Beispiel nannte er das Smartspraying. Dabei würde erst geprüft, ob und welches Unkraut vorhanden ist. Dann könnte gezielt gespritzt werden, was ökologisch und ökonomisch sinnvoll sei.

Der Referent nannte seinen Zuhörern einige Beispiele, bei denen Landwirte mit besonderen innovativen Ideen Erfolg haben. Zum Beispiel mit einer Initiative der Direktvermarktung auch online. Ziel müsse dabei sein, die Wertschöpfung in der Region zu halten.

Zum Schluss blickte Schulze Steinmann noch in die Zukunft: „Wir müssen selbstbewusst, aber auch selbstkritisch sein.“

 Wohin ist die Landwirtschaft unterwegs? Auch darum ging es bei der Neujahrstagung des Winzer- und Bauernverbands in Meckel.

Wohin ist die Landwirtschaft unterwegs? Auch darum ging es bei der Neujahrstagung des Winzer- und Bauernverbands in Meckel.

Foto: dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Im Anschluss an den Vortrag stellten sich der Referent und auch Michael Horper noch der Diskussion mit den Gästen. Dabei wurde von einem Landwirt auch die von vielen als Bauern-Milliarde bezeichnete Zuwendung aus der Politik kritisiert. „Wir wollen eine faire Diskussion unserer Probleme und wollen uns nicht mit Geld abspeisen lassen.“ Horper räumte ein, dass er sie auch nicht wolle, aber ohne Finanzmittel gehe es auch nicht. „Wir brauchen faire Preise und finanzielle Mittel.“  

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