Seltsame Skulpturen mit kuriosem Eigenleben

Bleialf/Mainz · Die gebürtige Bleialferin und Mainzer Kunststudentin Judith Leinen hat in diesem Jahr mit ihrer Gruppe "Upper Bleistein" den Emy-Roeder-Förderpreis gewonnen. Im August machte Upper Bleistein mit einem Projekt in der Frankfurter Innenstadt von sich reden.

 Dieses Bauwerk hat die Künstlergruppe im August vor die Schirn Kunsthalle in Frankfurt gesetzt. An einer Seite konnte die Hauswand bewegt werden, um einen hausinternen Stoffwechsel in Gang zu setzen. Foto: Kai Pelka

Dieses Bauwerk hat die Künstlergruppe im August vor die Schirn Kunsthalle in Frankfurt gesetzt. An einer Seite konnte die Hauswand bewegt werden, um einen hausinternen Stoffwechsel in Gang zu setzen. Foto: Kai Pelka

 Judith Leinen aus Bleialf gehört zu der Künstlergruppe Upper Bleistein. TV-Foto: Stefanie Glandien

Judith Leinen aus Bleialf gehört zu der Künstlergruppe Upper Bleistein. TV-Foto: Stefanie Glandien

Bleialf/Mainz. Verrückt, künstlerisch, interessant, nachdenklich stimmend, ohne oder mit Sinn - oder von allem ein kleines Bisschen: Die Kunstprojekte von Judith Leinen und ihren zwei Kolleginnen sprengen gern den konventionellen Rahmen. Klassische Ausstellungen wird man von ihnen wahrscheinlich nicht zu sehen bekommen.
Die 26-jährige Bleialferin hat in Prüm ihr Abitur gemacht. Zurzeit beendet sie ihr Mathematik- und Kunststudium an der Mainzer Universität. Aufsehen erregte sie mit Skulpturen und Installationen im öffentlichen Raum. Zuletzt hat sie mit ihrer Gruppe Upper Bleistein, benannt nach einem fiktiven Ort in einer fiktiven Welt, im August in der Frankfurter Innenstadt im Rahmen eines Ausstellungsprojekts der Schirn Kunsthalle mitgewirkt. Zwischen Dom und Römer (Rathaus) haben sie ein kurioses Bauwerk, eine Art Haus, errichtet. Es war nicht begehbar und hatte auf dem Dach ein Gewächshaus für heranwachsende Pflanzen. Durch das Verrücken einer beweglichen Wand wurde Luft in einen Blasebalg und von dort ins Gewächshaus befördert. Zu der Idee kam es folgendermaßen: "In der Frankfurter Altstadt wird gerade viel umgebaut. Davon partizipieren vor allem die Bauherren. Unser Bauwerk besetzte diesen exponierten Ort und diente dabei weder dem Menschen noch städtischer Funktion", erklärt Judith Leinen. Die Studentinnen wollten damit ein Zeichen setzen gegen stadtplanerische Höhenflüge, die ihrer Meinung nach keinen Sinn haben. Fantasievoll sind auch ihre anderen Projekte, mit denen sie die Gesellschaft aufrütteln wollen. Zum Beispiel ihre vierzig aus Restholz und alten Möbelstücken zusammengebauten Kisten, die kreuz und quer in der Mainzer Innenstadt Position bezogen. Dort sorgten sie nicht nur für Freude (zum Beispiel als Sitzgelegenheit), sondern auch für Ärger. Das Ordnungsamt rief an und forderte die Gruppe auf, den "illegal abgestellten Müll" wieder aus der Stadt zu entfernen.
Auf mehr Verständnis stießen ihre Aktionen beim Kunstverein Ludwigshafen, der zusammen mit dem Bildungsministerium junge rheinland-pfälzische Künstler auszeichnet. In diesem Jahr ging der Emy-Roeder-Förderpreis an Upper Bleistein. "Die Gruppe kreiert äußerst fantasievolle, zum Teil mit Nostalgie behaftete Objekte, die wie kleine Störfaktoren in unsere alle Lebensbereiche durchdringende, hypercoole und durchgestylte Gesellschaft dringen", heißt es in der Begründung. Judith Leinen hat schon als Kind gerne "rumgematscht", gebastelt, mit Kleber, Harz und Dreck experimentiert. "Dass ich Mathematik studiert habe, war glaube ich eine Trotzreaktion, weil das so schwer sein soll und Kunst nicht richtig wertgeschätzt wird", sagt sie. Vor sieben Jahren ist sie von Bleialf nach Mainz gezogen. Was sie nach dem Studium machen möchte, hat sie noch nicht entschieden: "Ich habe Milliarden Ideen". Zwei davon: Mitglied eines Puppenspielensembles werden oder eine eigene Gastwirtschaft eröffnen. So wie ihr größtes Vorbild, Oma Adele aus Bleialf, die eine Kneipe in Großlangenfeld betrieb.
Doch das ist noch Zukunftsmusik. Konkreter wird es beim nächsten Kunstprojekt. "Wir tüfteln an einem Brunnenadapter, der auf jeden Stadtbrunnen passen soll und Eis auf die Straße kotzt", sagt sie.
Eine Teilnahme bei der jährlichen Ausstellung der Europäischen Vereinigung Bildender Künstler (EVBK) aus Eifel und Ardennen könne sie sich nicht vorstellen. Aber ein Kunstprojekt im öffentlichen Raum - beispielsweise in Prüm - durchaus. Wer weiß, ob die Abteistädter sich nicht eines Tages wundern über einen eiskotzenden Brunnen oder Holzkisten, die im Kreis herumfahren.
Frisch auf dem Markt ist ihr Buch, eine Dokumentation ihrer Arbeit mit dem Titel: "aus Upper Bleistein Band 1", 145 Seiten, 17 Euro, Gonzoverlag, ISBN 978-3-9814439-0-5.

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