TV Serie „Jüdische Friedhöfe im Eifelkreis“ Der jüdische Friedhof in Speicher ist ein Ort, der Geschichten erzählt

Speicher · Im letzten Teil unserer Serie „Jüdische Friedhöfe in der Eifel“ stellen wir die Grabstätte in Speicher vor.

 Umgeben von Akazienbäumen und mit einem weiten Blick über die Ezfelhöhen: der jüdische Friedhof in Speicher am Mühlenberg.

Umgeben von Akazienbäumen und mit einem weiten Blick über die Ezfelhöhen: der jüdische Friedhof in Speicher am Mühlenberg.

Foto: Christina Bents

Zwei mächtige Akazienbäume rahmen den Eingang mit seinem Eisentor und Resten einer Sandsteinmauer ein. Der Blick schweift weit über das Kylltal bis nach Spangdahlem, Dudeldorf, Röhl und Dahlem. Der jüdische Friedhof in Speicher strahlt Würde aus.

In zwei Reihen sind acht Gräber. Dort sind Mitglieder der Familien Salomon und Abraham beerdigt. Ein Teil des Friedhofs scheint nicht belegt gewesen zu sein. Ende der 1920er Jahre waren hier die letzten Bestattungen.

In Speicher lebten zeitweise vier jüdische Familien. Auch wenn, wie es der ehemalige Bürgermeister Rudolf Becker, aus Erzählungen berichtet, vor der Nazizeit das Zusammenleben zwischen Juden und Nichtjuden unproblematisch gewesen sei, fühlten sich die jüdischen Bewohner Speichers seit Anfang der 1930er Jahre zunehmend von den Nazis bedroht. Und das nicht erst seit der Reichspogromnacht 1938, als der Friedhof geschändet wurde. Denn eine Familie wanderte bereits Mitte der 30er Jahre nach Israel aus, eine andere 1939.

Andere hatten weniger Glück. So kamen diese aus Speicher stammenden Juden während des Nazi-Terrors um (Quelle: www.alemannia-judaica.de): Rudolf Berg (geboren 1925), Walter Berg (1923), Sanny Lichtenstädter, geborene Salomon (1898), Amalie Marcus, geborene Abraham (1872) und Simon Salomon (1873), dessen Eltern bis in die 1930er Jahre dort ein Textilgeschäft betrieben.

Unter dem Pseudonym Siegbert Salter wurde Simon Salomon als Schriftsteller und Verleger bekannt. Sein Vater Levy Salomon stammte aus Dreis, die Mutter Sara kam aus Wittlich. Im Selbstverlag veröffentlichte Salomon mit 25 Jahren in Paris seinen schmalen Gedichtband „Aus trüben Tagen“. Bereits ein Jahr später erschien in Trier „Im Lande der Quellen. Sage und Dichtung“.

Um die Jahrhundertwende begann er, sich eine Existenz in Berlin aufzubauen. Er gründete ein privates Lehrinstitut und arbeitete als Sprach- und Handelslehrer. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er als Siegbert Salter zu einem der bekanntesten Vertreter der deutschen Presselandschaft. Der Eifeler war Herausgeber, Chefredakteur und Schriftleiter zahlreicher Zeitschriften. Er wurde am 27. März 1943 von den Nazis umgebracht.

In der Eifel erinnert man sich noch heute an Simon Salomon: So hatte der Eifelkreis Bitburg-Prüm 2003 im Einvernehmen mit der Stadt Speicher die (heute nicht mehr existierende) Realschule plus nach Simon Salomon benannt. Eine Gedenktafel wurde vom Eifelverein Speicher am ehemaligen Wohnhaus der Familie Salomon in der Kirchstraße angebracht. Und der Arbeitskreis für Heimatgeschichte und -literatur hat 2003 ein Buch über Simon Salomon drucken lassen.

Daneben gibt es Kontakt zu Nachfahren der jüdischen Familien Jacob und Samson. Es fanden gegenseitige Besuche statt. So besuchte eine Messdienergruppe 2018 in der Nähe von Tel Aviv die Familie von Eli Samson, dessen Großeltern 1933 mit ihren Söhnen nach Palästina ausgewandert waren. Einige seiner Verwandten sind auf dem Friedhof in Speicher beerdigt. Daher hatte Eli Samson diesen besucht und anschließend einen Brief an den damaligen Ortsbürgermeister Schommer geschrieben. Darin bedankte er sich für die gute Pflege des Friedhofs.

Auch Rafael Jacob, dessen Ehefrau die Schwester des früheren israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin ist, wurde von den Messdienern im Kibbuz Manara besucht. Die Familie Jacob war wiederholt in Speicher. Bis heute gibt es Briefkontakte zwischen Speicher in Israel.

Die jüdische Geschichte lebt also weiter in Speicher. Und auch die Erinnerung an Schicksale wie das der Jüdin Elise Heinz, geborene Blumenberg, die 1938 aus Köln in die Eifel kam, um Leo Heinz, Buchdruckermeister und Katholik, zu heiraten. Sie überlebte den Krieg – fünf Jahre versteckt vor den Nazis in einer kleinen Wohnung in der Kapellenstraße in Speicher. Der inzwischen verstorbene Werner Peter Streit sowie weitere Augenzeugen und Forscher aus der Eifel hatten ihre Geschichte 2016 auf Einladung des Arbeitskreises Gedenken in Bitburg erzählt, damit sie nicht vergessen wird.

 Der jüdische Friedhof in Speicher am Mühlenberg.

Der jüdische Friedhof in Speicher am Mühlenberg.

Foto: Christina Bents

Alle bisher erschienenen Teile zu unserer TV-Serie „Jüdische Friedhöfe im Eifelkreis“ unter
www.volksfreund.de/juedischefriedhöfe

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