"Sie können nicht zurück"

Biersdorf · Weil sie als Roma in ihrer Heimat diskriminiert und drangsaliert wurden, ist die Familie Caca vor zwei Jahren aus dem Kosovo nach Deutschland gekommen. Doch die Hoffnung auf ein besseres Leben ist getrübt von Schicksalsschlägen: Im Mai dieses Jahres starb unerwartet der Vater der in Biersdorf lebenden Familie. Und da der Kosovo als sicheres Herkunftsland gilt, droht der Witwe und ihren beiden jungen Mädchen nun die Abschiebung.

"Sie können nicht zurück"
Foto: Uwe Hentschel (uhe) ("TV-Upload Hentschel"

Biersdorf. Mit einer kleinen Schere schneidet Hatmana einen Kreis aus. Neben ihr liegt ein Klebestift. Hatmana bastelt einen Kopf aus Papier. Jetzt fehlen nur noch die Haare. Wenige Minuten später sitzt die Frisur. Der Papierkopf ist fertig. Er grinst. Und Hatmana auch. Basteln und Malen sind ihre Leidenschaft. Das fällt ihr leichter als der Besuch der Schule. Wäre Hatmana nur vier Wochen später auf die Welt gekommen, so wäre sie jetzt noch im Kindergarten. So aber war die Sechsjährige zum Stichtag schulpflichtig. Weshalb sie seit Sommer die Grundschule Rittersdorf besucht. Ihr Schwester Tuana ist auch dort.
Sie besucht die dritte Klasse. Dass jetzt Ferien sind, findet sie schade. Weil sie dann ihre Freundinnen nicht mehr jeden Tag sieht. Und weil sie gerne zur Schule geht. Sie will lernen. "Tuana ist genau wie ihr Vater", sagt Karen Herrmann. "Und sie vermisst ihn ganz besonders."
Karen Herrmann ist oft bei der Familie Caca zu Besuch. Im November 2014 ist die junge Familie aus dem Kosovo nach Deutschland gekommen. Seit Dezember 2014 leben sie in Biersdorf. Und damals hat Herrmann, die mit ihrer Familie im Nachbarort Wiersdorf lebt, die Flüchtlinge aus dem Kosovo kennengelernt. Doch wer aus den Balkanstaaten nach Deutschland kommt, gilt als Wirtschaftsflüchtling und hat deshalb wenig Aussicht auf eine Aufenthaltsgenehmigung. "Natürlich hofft die Familie auf ein besseres Leben in Deutschland", sagt Herrmann."Keine Wirtschaftsflucht"


Mit Wirtschaftsflucht aber habe das nichts zu tun. Als Angehörige der ethnischen Minderheit Roma seien sie diskriminiert worden. Herrmann, die als ehrenamtliche DRK-Flüchtlingshelferin tätig ist, berichtet von brutalen und schwersttraumatischen Ereignissen, die die Eltern kurz nach der Geburt der beiden Töchter in ihrer Heimat erlebt hätten. Und sie erzählt auch davon, wie die damals sechsjährige Tuana in der Schule in ihrem Heimatland von Lehrern aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit misshandelt worden sei.
"Warum tut man das?", fragt Mutter Ramija in gebrochenem Deutsch und Tränen in den Augen. Sie und ihr Mann wollten nicht, dass die Kinder das Gleiche miterleben müssen wie sie selbst. Deshalb sind sie aus dem Kosovo geflohen. In Biersdorf angekommen wurde die Familie herzlich aufgenommen. Aus dem Dorf gab es viel Unterstützung. Tuana wurde in der Schule angemeldet und Hatmana in der Kita. Und Vater Mustafa Caca, der fließend Englisch sprach und auch recht schnell Deutsch lernte, engagierte sich. Er half anderen Asylbewerbern bei Behördengängen, übersetzte, suchte sich Arbeit und trat bereits nach wenigen Monaten dem Biersdorfer Sportverein bei.
Die Begeisterung für den Fußball wurde ihm leider auch zum Verhängnis. Bei einem Freundschaftsspiel in Lützkampen im Mai dieses Jahres brach der damals 46-Jährige plötzlich auf dem Spielfeld zusammen. Er starb noch vor Ort trotz sofort eingeleiteter Wiederbelebungsversuche.
"Mustafa war ein unverbesserlicher Optimist, war immer gut gelaunt, hilfsbereit und er hat nie durchblicken lassen, wie schlecht es um ihre Situation steht", sagt Karen Herrmann. "Und als er jetzt auf einmal weg war, ist für Ramija und die Mädchen eine Welt zusammengebrochen." Zumal schon vor dem Tod des Vaters klar war, dass der Familie die Abschiebung droht. Die Mutter, die aufgrund von Panikattacken und den immer wieder hochkommenden Erinnerungen an die schlimmen Ereignisse in psychologische Behandlung musste und inzwischen als Reinigungskraft in einem Biersdorfer Hotel arbeitet, hofft nun auf den 11. Januar.
Dann nämlich wird die Härtefallkommission des Landes über das Bleiberecht der Mutter und ihrer beiden Töchter entscheiden. "Es gibt hier so viele Menschen, die die Familie unterstützen und die sich wünschen, dass die drei hier bleiben dürfen", sagt die Flüchtlingshelferin. "Sie können nicht zurück", so Herrmann. "Als Roma ist man im Kosovo nicht sicher. Und schon gar nicht alleine als Mutter mit zwei Mädchen."

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