Spät bummeln statt Frühschoppen

Neulich hat mich Walburga gefragt, ob ich sie am nächsten Tag zum Bummeln begleiten würde. Allein beim Wort "bummeln" treten bei mir die Gehirnzellen schon in Warnstreik. Ich frage mich ja, wieso zum Beispiel genau dieser oder jener Duft jetzt so anders ist, dass man 20 Euro mehr dafür bezahlt, nachdem man aus dem Geruchs-Chaos aus fünf verschiedenen Parfüms auf dem Handgelenk den besten erkannt haben will.

Bisher konnte ich den Bummel-Zug ja meist ohne mich abfahren lassen, mit der Standard-Ausrede "Walburga, du weißt doch, dass ich erst um 18 Uhr Feierabend habe. Irgendwer muss deine Schuh-Armada ja auch finanzieren." Aber jetzt fallen mir die Mainzer in den Rücken, da singt und lacht aber keiner mehr: Haben die im Kabinett nix anderes zu tun, als den Einzelhändlern zu erlauben, die Öffnungszeiten bis auf 22 Uhr zu verlängern?! Wo ich doch um 20 Uhr lieber auf der Couch liege, als vor Walburgas Umkleidekabine zu stehen. Für Walburga ist das fast wie Weihnachten. Wenn mal nix im Fernsehen läuft, also immer, will sie "shoppen". Das Wort an sich wiederum hören meine Gehirnzellen gern - zumindest in Kombination mit den Vorsilben "Früh-" oder "Dämmer-". Aber nicht nur, dass ich beim Abendspaziergang durchs Städtchen stundenlang von einem Fenster zum nächsten mittippeln muss und mich frage, was an diesem Stück Stoff jetzt so interessant ist, dass frau das gefühlte 30 Minuten lang anstarren muss. Nein, jetzt muss ich auch noch mit reingehen. Nicht genug, dass man bald auch schon im Mondschein kaufen gehen kann. Manche Händler wollen auch eine Erlaubnis zum regelmäßigen Öffnen am Sonntag. Das wär's ja noch: Bisher konnte ich am Sonntag entspannt zum Frühschoppen gehen, da Walburga beim Gottesdienst war. Künftig würde ich dann übernervös an meinem Pils nuckeln und hoffen, dass sie hinterher nicht noch in meiner Stammkneipe vorbeischaut. "Pitter, die Schmitz in der Reihe vor mir hatte sooo tolle Schuhe. Nun schau dir meine an - da müssen wir was machen. Komm mit! Sofort." Oh, bitte, rettet den Sonntag!

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