Speicher oder der Hecht im Karpfenteich

Getöpfert wird kaum noch in Speicher, und in seinem Zentrum stehen mehr als zwei Geschäfte leer. Ansonsten scheint die gleichnamige Verbandsgemeinde (VG) aber recht lebendig zu sein. Bürgermeister Rudolf Becker hat im TV-Interview über steigende Einwohnerzahlen, prosperierendes Gewerbe und kurze Wege gesprochen.

Speicher. Märkte, Heimatmuseum und traditionelles Töpferhandwerk - diese Stichworte dürften beim Gedanken an den Ort Speicher selbst Eifelern einfallen, die noch niemals dort waren. Bürgermeister Rudolf Becker weiß zu seiner VG jedoch noch vieles anderes zu berichten.

Herr Becker, denkt man an Speicher, denkt man an Töpferei. Schon die Römer haben hier getöpfert. Wie steht es rund 2000 Jahre später um diese Tradition?

Becker: Die Fortführung der Tradition ist zurzeit schwierig. Wir haben nur noch einen Töpferbetrieb. Die Firma Plewa musste wegen der Insolvenz ihre einzige Töpferin entlassen. Wir werden mit ihr noch ein Gespräch haben. Es ist auch Plewa daran gelegen, die Tradition fortzuführen. Hinzu kommt, dass Töpferwaren nicht mehr so gefragt sind.

Was zeichnet denn das moderne Speicher in Ihren Augen aus?

Becker: Speicher ist seit jeher ein Gewerbestandort, eine Einkaufsgemeinde, in der sie alles kaufen können, außer vielleicht einer Geige. Wir haben hier Autohäuser, Bekleidungsgeschäfte, Baubedarf, Blumenläden, große Lebensmittelgeschäfte und außerdem eine sehr gute ärztliche Versorgung. Ich habe einen amerikanischen Freund, der kommt extra nach Speicher, um hier zum Zahnarzt zu gehen. Und wir haben hier große Betriebe mit vielen Beschäftigten.

Und wenn Sie die gesamte Verbandsgemeinde betrachten?

Becker: Wir sind eine kleine, aber kompakte VG - unsere Wege sind nicht weit. Und wir sind gut angebunden - wir haben die Bahnlinie im Kylltal, sind schnell auf der A 60, B 50 oder B 51. Und wir sind schnell in Trier - eine gut erschlossene Verbandsgemeinde der kurzen Wege. Diese gute Anbindung kann natürlich auch zum Problem werden: Die Kinder sind auch schnell weg von hier. Wir liegen genau zwischen Bitburg, Wittlich und Trier - diese Sogwirkung müssen wir aushalten. Da müssen wir der Hecht im Karpfenteich sein.

Welche Strategien haben Sie?

Becker: Wir müssen unsere Einwohner motivieren. Man darf keine miese Stimmung aufkommen lassen. Die Menschen sollen sich hier wohlfühlen, ihre Ärmel hochkrempeln und sagen: Wir werden das schaffen und unseren Teil dazu beitragen.

Bei welchen Projekten muss die VG in der nahen Zukunft ihre Ärmel hochkrempeln?

Becker: Wir erschließen sehr viele Neubaugebiete: In Beilingen, Herforst, Orenhofen, Preist, Speicher und Spangdahlem. Darunter einige mit 40 bis 50 Baustellen.

Das sind ja in der Summe unheimlich viele Baustellen. Woran liegt das? Ist der Bedarf so groß?

Becker: Die werden ja nach Bedarf ausgebaut. Zum einen gibt es tatsächlich ein großes Interesse. Zum anderen wohnen wir hier in einem Gebiet mit Fluglärm. Es ging den Gemeinden auch darum, rechtskräftige Bebauungspläne zu haben, bevor die Lärmschutzzonen ausgewiesen werden. Ich bin froh, dass wir eine der wenigen Verbandsgemeinden sind, die ihre Einwohnerzahl hat steigern können. Das zeigt, dass die Wohnqualität hier eine gute ist. Herforst zum Beispiel hatte noch vor wenigen Jahren 700 Einwohner. Jetzt sind es 1200.

Welchen Problemen wird sich die VG Speicher denn in Zukunft stellen müssen?

Becker: Wichtig ist die Schule. Wir wollen natürlich den Schulstandort Speicher erhalten. Der VG-Rat hat sich für eine Integrierte Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe ausgesprochen. Dem hat sich der Kreis ja auch angeschlossen. Wir gehen davon aus, dass eine solche Schule eine große Anziehungskraft ausüben würde.

Wie sieht es mit den Leerständen im Ortskern von Speicher aus?

Becker: Sicherlich haben auch wir einige Leerstände im Ortskern und jeder Einzelne tut weh. Es gibt dafür vielfältige Gründe, wie fehlende Nachfolgeregelung, zu geringe Verkaufsflächen und Investitionsbedarf, den oftmals die älteren Betriebsinhaber nicht mehr in Angriff nehmen. Hinzu kommt die fehlende Neigung jüngerer Menschen, in die Selbstständigkeit zu gehen.

Und sonst?

Becker: Das Thema Verwaltungsreform ist in aller Munde. Wir gehen davon aus, dass unsere VG bestehen bleibt. Wir sind ja eine der wenigen Verbandsgemeinden in der Westeifel mit ausgeglichenem Haushalt.

Was stimmt Sie zuversichtlich?

Becker: Wir haben Gemeinderäte, die das Heft in die Hand nehmen. Dies gilt auch für die hier wohnenden Menschen, die mit ihrer Heimat verwurzelt sind und sich auch ehrenamtlich einsetzen. Die Entwicklung der vergangenen Jahre war positiv. Auch die schnelle Bebauung der ausgewiesenen Baugebiete zeigt: Hier wohnen keine Pessimisten. Dies alles stimmt mich sehr optimistisch.

In den kommenden Wochen werden weitere Bürgermeister im TV-Interview erläutern, welche Aufgaben es für sie anzupacken gilt. Zur Person Rudolf Becker (CDU) ist seit dem 1. Januar 2002 Bürgermeister der Verbandsgemeinde Speicher, für die er bereits seit 1971 tätig ist. Bevor er zum Bürgermeister gewählt wurde, hat er 20 Jahre lang verschiedene Ämter geleitet. Der seit kurzem 60-Jährige stammt gebürtig aus Speicher, ist verheiratet und hat zwei Kinder. (kah)

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