Stadt übernimmt das Ruder

Neuerburg · Gut drei Jahre lang beschäftigte sich der Stadtrat Neuerburg mit der Einrichtung eines Gesundheitszentrums. Jetzt soll eine städtische Gesellschaft gegründet werden. Doch dazu wird die finanzielle Hilfe des Eifelkreises benötigt.

 Die Stadt Neuerburg will sich jetzt selbst um das Gesundheitszentrum kümmern. Dazu wird eine städtische Gesellschaft gegründet. TV-Foto: Stefanie Glandien

Die Stadt Neuerburg will sich jetzt selbst um das Gesundheitszentrum kümmern. Dazu wird eine städtische Gesellschaft gegründet. TV-Foto: Stefanie Glandien

Foto: (e_eifel )

Neuerburg. War das am Montagabend ein historischer Moment für Neuerburg? Vielleicht. Auf jeden Fall war die Stimmung im Stadtrat schon fast andächtig, als der einstimmige Beschluss fiel, eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) zu gründen. Nachdem die Marienhaus GmbH ihren Rückzug als Betreiber des Gesundheitszentrums (GHZ) angekündigt hatte (der TV berichtete), waren sich die anderen Beteiligten - Stadt Neuerburg, Verbandsgemeinde Südeifel, Eifelkreis Bitburg-Prüm und Land - einig, trotzdem an der Idee festzuhalten. Die VG-Verwaltung schlug die Gründung der städtischen Gesellschaft vor, mit dem gemeinnützigen Zweck, die Gesundheitsversorgung der Menschen im Umkreis sicherzustellen. "Das war eine der wichtigsten Entscheidungen meiner achtjährigen Amtszeit", sagt Anna Kling, Bürgermeisterin von Neuerburg, sichtlich zufrieden nach der Abstimmung. Ziel sei nun, Interessenten eine langfristige Perspektive zu bieten. Die Immobilie des 6200 Quadratmeter großen Objekts soll spätestens im März 2021 von der Marienhaus Kliniken GmbH an die Stadt zurückübertragen werden. Diplom-Kaufmann Ingo Jakschies und Alexander Schaal, von der VG Südeifel, sollen das Projekt koordinieren. Jakschies arbeitet als Projektentwickler im Gesundheitswesen und hat bereits im Sauerland den Gesundheitscampus Balve mit entwickelt (siehe Info). Für die Marienhaus GmbH hat er bereits als Berater gearbeitet. "Nun rücke ich vom Lotsen zum Kapitän auf, der das Schiff in den sicheren Hafen führen wird", sagt er. Für die Umsetzung des GHZ sieht er gute Chancen. Allerdings soll die Einrichtung zukünftig als Mietmodell betrieben werden, von ihm fachlich begleitet. "Wir wollen den bestehenden Gesundheitsanbietern vorschlagen, mit uns zusammenzuarbeiten - ein Netz aufzubauen." Die Immobilie sei etabliert, technisch einwandfrei und sehr hochwertig, sagt Jakschies. "Hier ist alles picobello - selbst in der hintersten Ecke." Denkbar sei, am Standort Neuerburg Kurzzeitpflege und Therapien anzubieten. Ein hausärztliches Zentrum mit in Teilzeit arbeitenden Medizinern sei ebenso vorstellbar, wie Räume für Kurse und Selbsthilfegruppen zu öffnen. Die Patienten der Phase F, also Menschen, die infolge von Hirnblutungen, Schädel-Hirn-Traumata, Muskelerkrankungen oder COPD (Krankheiten der Lunge) nicht mehr selbstständig leben können, sollen auch weiterhin am Standort gepflegt werden. "Wir haben die ehemalige Pflegedienstleiterin gewonnen, zu bleiben. Da sind wir sehr stolz drauf", sagt Jakschies. Und auch für die chirurgische Praxis gibt es eine Zukunft. Wenn Ingvo Müller am 30. Juni seine Tätigkeit beendet, wird zunächst Karl-Georg Hermans, ehemaliger Chefarzt der Chirurgie des Prümer St.-Josef-Krankenhauses, einspringen, bevor ein neuer Arzt den Kassensitz übernehmen soll, sagt Heribert Frieling, Sprecher der Marienhaus GmbH. Marienhaus sichere weiterhin seine Unterstützung zu.Der OP-Saal bleibe aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen, sagt Jakschies. Es wird aber einen Eingriffsraum geben für kleinere Operationen."Das war der Auftakt zur Zentralisierung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum. Wir möchten gerne Vorbild für andere ländliche Räume werden", sagt Moritz Petry, Bürgermeister der VG Südeifel. Mit Sorge beobachte er, wie immer mehr kleinere Krankenhäuser geschlossen würden. "Wir fordern für den ländlichen Raum Platz in der Gesundheitsversorgung - dass nicht gesagt wird, ihr bekommt die Versorgung nur noch in der Stadt." Präventive und nachsorgende Maßnahmen seien wunderbar im ländlichen Raum möglich. Das Gesundheitszentrum in Neuerburg könne dafür ein Prototyp werden. Doch ohne die Hilfe des Eifelkreises geht es nicht. Der hatte damals der Marienhaus GmbH zugesichert, einen Zuschuss von 250 000 Euro zu zahlen. Ob das nun auch für die städtische Gesellschaft gilt, ist noch offen. Der Beschluss des Kreistages dazu steht aus. Dieser könnte aber in der nächsten Sitzung am 29. September fallen. KommentarMeinung

Der richtige WegAch ja, das Gesundheitszentrum. Totgesagte leben länger, könnte man jetzt böse lästern. Doch diesmal könnte es tatsächlich klappen. Denn jetzt will die Stadt selbst die Führung übernehmen - ein Plan, den die unermüdliche Stadtbürgermeisterin Anna Kling eigentlich schon immer favorisierte. Doch das schafft die Stadt nicht allein. Nun müssen alle am Projekt Beteiligten zeigen, dass es ihnen ernst war. Denn das mutige Manöver wird nur gelingen, wenn auch die Finanzierung gesichert ist. Dazu muss der Eifelkreis seine Unterstützung ein zweites Mal zusagen. Der Stadtrat Neuerburg hat ein klares Signal gesendet. s.glandien@volksfreund.deDas St. Josef-Krankenhaus in Neuerburg wurde am 30. September 2014 geschlossen. Seitdem ist es nicht gelungen, es erfolgreich in ein Gesundheitszentrum umzuwandeln. Nun liegt die Hoffnung auf der neuen Doppelspitze. Zukünftig sollen Alexander Schaal von der Verbandsgemeindeverwaltung Südeifel und Ingo Jakschies das Projekt voranbringen. Ingo Jakschies ist bereits seit zwei Jahren als Berater für die Marienhaus Kliniken GmbH tätig und wird nun designierter Geschäftsführer der neuen gemeinnützigen Gesellschaft, die die Stadt gründen möchte. Der Diplom-Kaufmann hat in Mannheim Betriebswirtschaft studiert und war von 1991 bis 2009 im Krankenhaus-Bereich tätig, "überwiegend in leitender Funktion", wie er sagt. Zuletzt hatte der Emsländer als kaufmännischer Direktor ein Verbundkrankenhaus in Westfalen geleitet. Seit 2009 arbeitet er als Projektentwickler im Gesundheitswesen. So hat er den Gesundheitscampus in Balve/Sauerland mit entwickelt.

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