Staunen über mutige Artisten und gefährliche Messerwerfer

Daun/Prüm · Anfang des 20. Jahrhunderts ist es für Kinder ein Großereignis gewesen, wenn der Zirkus kam. Mit glühenden Wangen liefen die Kinder neben den Tieren her, die vom Bahnhof zum Marktplatz gebracht wurden.

 Ein besonderes Ereignis für Kinder: der Zirkus in Daun im Jahr 1925. Foto: Archiv Alois Mayer

Ein besonderes Ereignis für Kinder: der Zirkus in Daun im Jahr 1925. Foto: Archiv Alois Mayer

Daun/Prüm. Was war das für die Kinder stets aufregend, wenn sich im Ort die Nachricht verbreitete: "Ein Zirkus kommt!" Dann rannten sie hin zum Bahnhof, wo der Güterzug etliche Zirkuswagen hingebracht hatte. Sie staunten, wie diese Wagen abgeladen und mit uralten Traktoren hinauf zum großen Marktplatz gefahren wurden. Bunte Wagen waren es, mit großen Schriftzügen an den Seiten, die den Zirkusnamen verkündeten. Einige Wagen hatten kleine vergitterte Fenster. Seltsame Geräusche drangen aus ihnen. Wenn sich die Schiebetüren öffneten, erkannte man Pferde und Zebras, Kamele und Esel. Und manchmal drang das unheimliche Brüllen von Löwen durch die hölzernen Wände. Sogar zwei Elefanten wurden aus einem Wagen herausgeführt. Einer davon wurde vor einen großen Materialwagen gespannt, den er dann bedächtig den steilen Berg hinauf zum Marktplatz zog.
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Mit glühenden Wangen und ehrfurchtsvollem Abstand liefen die Kinder neben den Tieren her. Ein Mann in blauer Uniform mit goldenen Knöpfen schlug dauernd auf eine Trommel und rief immer wieder den Leuten zu, die neugierig aus dem Fenster schauten: "Morgen große Vorstellung. Tiere und Sensationen, Musik und Trapez, todesmutige Artisten aus aller Welt und Messerwerfer aus dem Wilden Westen! Hereinspaziert, Leute, hereinspaziert! So etwas habt ihr noch nie gesehen!" Und neben ihm hüpfte ein Clown, schnitt Grimassen und entlockte einer Ziehharmonika Musik. "Wenn ihr beim Aufbauen helft, gibt es Freikarten", sagte der Mann mit der Uniform den Kindern. Er hatte seine Trommel gegen einen Zylinder getauscht. Und wie die Kinder halfen! Und dann die Vorstellung: Trommelwirbel. Luftanhalten. Spektakel und Nervenkitzel. Laute Musik. Pferde in der Manege, Zebras und Esel auch. Auf deren Rücken wippten lustige Affen. Drei Runden drehten die Kamele.
Der Messerwerfer, eben war er noch der Elefantenwärter, warf Messer auf eine Frau, traf aber nicht. Dann schlug er gezielt mit einer Peitsche einem Mann eine Zigarette aus dem Mund. Ein Musiker legte seine Trompete hin und kletterte aufs Trapez, mit ihm der Cowboy, der eben noch die Löwen bändigte. Zwei Stunden vergingen wie im Flug.
Zwei Tage später: Zurück blieb ein weißer Manegenkreis aus Sägemehl. Und zurück blieben Kindheitserinnerungen an ein fahrendes Volk. Alois Mayer

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