Strategien gegen die Landflucht

In Bitburg werden immer neue Baugebiete ausgewiesen. In Wittlich auch. An vielen Stellen entstehen Eigentumswohnungen und trotzdem steigen die Preise für Bauland und Wohnungen. Meist müssen die Städte die Entwicklung nur noch rechtlich begleiten, den Rest übernehmen private Investoren, weil es sich lohnt und man die Planungs- und Erschließungskosten locker wieder reinholt.

Einerseits sind diese Entwicklungen durchaus positiv zu bewerten und steigende Immobilienpreise ein relevanter und tragfähiger Indikator für gelingende Stadtentwicklung. Andererseits geht das Wachstum auf Kosten von Dörfern und Mini-Städten im Umland: Denn es sind vor allem ältere Menschen, die es sich leisten können, und junge Familien, die die städtische Infrastruktur mit Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Kindertagesstätten, Freitzeitmöglichkeiten - vom Schwimmbad bis zum Straßencafé - und medizinischer Versorgung am besten in Laufdistanz schätzen und suchen.
Es ist verständlich, dass die Verantwortlichen in schrumpfenden Gemeinden den Trend mit Sorge sehen und ihm begegnen wollen. Dabei gibt es allerdings viele, die glauben, die schon bei der Ursachenforschung einen Fehler machen. Wenn Ortsbürgermeister beklagen, dass ihre Orte langsam ausbluten, verwechseln sie oft Ursache und Wirkung. Denn wenn Schulen oder kleine Krankenhäuser geschlossen werden oder teuer geplante und ausgewiesene Baugebiete leer stehen oder Kneipen und Läden aufgegeben werden, dann sind da nicht böse Mächte am Werk, sondern es liegt daran, dass die Nachfrage fehlt, Patienten, wenn es irgend geht, andere Häuser wählen, und Eltern ihre Kinder auf andere Schulen schicken und anderswo einkaufen. Es ist eine Abstimmung mit den Füßen. Deshalb werden - auch wenn es bedauerlich ist - ein Baugebiet, ein Gesangverein, ein Dorfgemeinschaftshaus, ein 70 Jahre alter Hausarzt und eine halbtags Kita im Dorf den Trend nicht brechen. Es ist eine genauso teure, wie hoffnungslose Strategie.
Wesentlich sinnvoller, realistischer und finanziell auch darstellbarer als ein aussichtsloses Konkurrenzgebaren zwischen Stadt und Umland wären eine engere Kooperation und eine auf die Zentren orientierte Erhöhung der Mobilität. Dazu bedürfte es tatsächlich attraktiver - nicht am Schulbetrieb orientierter - Angebote für öffentlichen Personenverkehr. Mit überreglementierten und hoch subventionierten Linienbussen ist da wenig zu gewinnen. Städtisch konzentrierte Infrastrukturen müssen schnell, zeitlich flexibel und auch durch Subventionen preisattraktiv ohne eigenes Auto zu erreichen sein. Dann strahlt ihre Attraktivität auch auf das Umland aus. Medizinische Grundversorgung muss zugleich mobil gemacht werden.
Denn eine flächendeckende Infrastruktur auf niedrigem Niveau wird die Landflucht nicht stoppen. Derzeit wird sie an vielen Stellen noch teuer beatmet, obwohl sie schon tot ist und nie die Qualität erreichen wird, die nötig ist, um Menschen dazu zu bewegen, auf dem Land zu leben.

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