Streit in Kerschenbach: Windkraftgegner fühlen sich durch Anlagen-Pläne übertölpelt

Kerschenbach/Jünkerath · Die Pläne der Verbandsgemeinde Obere Kyll für weitere 25 Windkraftanlagen (der TV berichtete) liefern Anlass zum Streit. Vor allem in Kerschenbach sehen sich einige Anwohner über den Tisch gezogen. Ist da etwas dran?

 TV-Foto: Fritz-Peter Linden

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Kerschenbach/Jünkerath. An der Oberen Kyll sollen in den kommenden Jahren 25 neue Windkraftanlagen gebaut werden, 200 Meter hoch und zusätzlich zu den etwa 65 Rotoren, die sich dort bereits drehen. Die Verbandsgemeinde hat dazu einen Solidarpakt geschlossen, der auch jenen Orten Geld in die Kassen pusten soll, auf deren Flächen nichts installiert wird (der TV berichtete).

So weit, so harmonisch. Jetzt aber rummst es doch, vor allem in Kerschenbach, wo Ortsbürgermeister Walter Schneider und eine Mehrheit in Rat und Bürgerschaft auf Einnahmen in Höhe von 150 000 Euro jährlich aus zwei geplanten Anlagen hoffen.
Zwei Bürger aber sehen sich übergangen - Wolfgang Schnee und Theodor Reclaire, die sich deshalb an den TV wandten. Was ihnen nicht passt: Nachdem sie ihre Bedenken bekannt gemacht und einen Anwalt eingespannt hatten, ließen Orts- und Verbandsgemeinde vereinbarte Gesprächstermine platzen. So sprach Schnee zwischenzeitlich auch die Wochenend- und Urlaubs-Eifeler an, die in der Siedlung am Killerberg außerhalb von Kerschenbach ihre Häuschen haben. Woraufhin sich einer von ihnen bei Walter Schneider meldete und diesem, sagt Schnee, "die Hölle heiß" machte. Was wiederum Schneider dazu brachte, das Gespräch mit Schnee abzublasen.

Und die "Wut über diese Behandlung", sagt Wolfgang Schnee, habe man einmal rauslassen wollen. Zitat: "Ist das die Demokratie der Oberen Kyll? Ist das Bürgernähe?"
Tatsächlich wurde von Bewohnern des Killerbergs auch bei der jüngsten Sitzung des Verbandsgemeinderats Kritik laut: Man sei nicht informiert worden über die Windkraftpläne. Dazu sagt Reinhold Hierlmeier vom Trierer Büro BGHplan, das die VG in der Windkraft-Angelegenheit betreut: Die Kommune habe "ortsüblich im Amtsblatt" die Offenlage angekündigt: "Und wer die Amtsblätter nicht liest, erfährt solche Dinge nicht." Diese Aussage stieß bei einigen Bewohnern des Killerbergs, wo das Blatt an einer Stelle zum Abholen ausgelegt wird, auf Unverständnis: Sie seien meistens nur am Wochenende in der Kommune, das Amtsblatt erreiche sie nicht.

Davon abgesehen, sagt Hierlmeier, seien alle naturschutzrechtlichen Vorgaben erfüllt, "soweit sie auf der Ebene der Flächennutzungsplanung geklärt werden müssen": Unter anderem seien wegen des Rotmilans Flächen wieder gestrichen worden.
Bürgermeister Schneider, Schnee und Reclaire sind übrigens Nachbarn in der gleichen Straße. Und schätzen einander. Eigentlich. Der Gemeindechef bekennt zudem, dass er für einige Sorgen der Gegner Verständnis habe. Auch er finde die Anlagen nicht schön, auch andere Bürger und Ratsmitglieder (die dafür stimmten) müssten künftig auf Masten und Rotoren blicken. Allerdings sei die Gemeinde auch dazu verpflichtet, Einnahmequellen auszuschöpfen. Zumal "alles nach Vorschrift" laufe. Die Gemeinde überlege zudem, die Bürger direkt davon profitieren zu lassen - man könnte zum Beispiel die Steuern senken, für jedes Neugeborene im Dorf ein Sümmchen springen lassen oder jedem Haushalt Zuschüsse für Stromkosten zahlen. Was Schneider wiederum ärgert: Er habe eine Bürgerversammlung einberufen, über alles informiert, es habe "keine Gegenstimme gegeben - außer den beiden". Und dann sei man hingegangen und habe andere aufgewiegelt: Da habe er dann auch keine Lust mehr auf ein Gespräch gehabt. "Außerdem wird in jeder Ratssitzung über den Stand der Entwicklung berichtet."Meinung

Wer liest, ist klar im Vorteil
Energiewende? Hallo? Jeder hätte wissen können, was an der Oberen Kyll geplant ist. Wer das ignoriert, weder Zeitung liest noch ins "Blättchen" schaut (geht auch im Internet), muss sich nicht wundern, wenn er dann vor vollendeten Tatsachen steht. Noch etwas kommt hinzu: Wenn der Teilzeiteifeler dem Vollzeiteifeler Ratschläge erteilt, wie er sich gefälligst zu verhalten habe und warum, zum Beispiel, Windräder nicht ins Idyll gehören. Bei aller gebotenen Umsicht in Sachen Windkraft - und bei aller Liebe zum Gast: Da kann der Einheimische dann auch mal ruppig reagieren. Schlimm? Ach was, gibt sich wieder. Nur sind die Zeiten, in denen die Dörfler immer gekuscht haben, eben vorbei. f.linden@volksfreund.deExtra

Zu den Bedenken, die gegen Windkraftanlagen geäußert werden, gehören unter anderem das Thema Infraschall und die Sorge um negative Auswirkungen auf den Tourismus. Die Energieagentur Rheinland-Pfalz erklärt dazu, dass die "Verspargelung" zwar die Landschaft weithin sichtbar verändere und oft störend sei - für den einen. Der andere sehe sie positiv, eben "als Leitbild der Energiewende". Zudem seien auch andere Arten der Energieerzeugung mit Eingriffen in die Natur verbunden. Eine Erhebung im Naturpark Nordeifel komme zu dem Ergebnis, "dass lediglich acht Prozent der befragten Besucher Windenergieanlagen als störend und vier Prozent als sehr störend bewerten". Beim Infraschall (nicht hörbarer Schall auf tiefen Frequenzen) ist aktuell wissenschaftlicher Konsens, dass die Anlagen keine gesundheitlichen Schäden hervorrufen: Dieser Schall reicht nur 200 Meter weit. In Rheinland-Pfalz gilt aber ein Mindestabstand zur Bebauung von 800 Metern, an der Oberen Kyll sind es 1000. Reinhold Hierlmeier vom Trierer Büro BGHplan weist darauf hin, dass das Thema aber Bestandteil einer derzeit laufenden Studie sei, in der noch genauere Kenntnisse gewonnen werden sollen. Die Arenbergische Forstverwaltung in Düsseldorf bewirtschaftet den 350 Hektar großen Privatwald zwischen Reuth, Kerschenbach und Ormont. Das Unternehmen plant, dort zwölf Windräder aufzustellen. Es hätten noch mehr sein können, man verzichtete aber darauf, damit zwei Anlagen auf den Flächen der Ortsgemeinde Kerschenbach gebaut werden können. Weitere Anlagen sollen auf Gemeindeflächen in Hallschlag, Ormont, Reuth und Stadtkyll aufgestellt werden. fpl

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