"Superbürokratie mit vielen Lücken"

BITBURG. Mit einem glatten Freispruch ist der Prozess gegen einen Viehhändler vor dem Amtsgericht Bitburg zu Ende gegangen. Der Verdacht auf einen strafbaren Tausch von Kuh-Ohrmarken ließ sich nicht beweisen.

Schon im April 2005 stand ein 68-jähriger Viehhändler aus dem Kreis Bitburg-Prüm vor Gericht, um sich wegen Betrugs zu verantworten (der TV berichtete). Unter anderem wegen schwerer Krankheit des Richters musste der Prozess jedoch zunächst auf Eis gelegt und schließlich neu aufgerollt werden. Auf die einstigen Zeugenaussagen konnte Einzelrichter Werner von Schichau jedoch durch Verlesen der Protokolle zurückgreifen. Laut Anklageschrift sollte der Viehhändler im Januar 2003 drei Kühe eines 52-jährigen Bauern aus dem Bitburger Land zum Schlachthof bringen. Sie trugen Ohrmarken mit den Endziffern 33, 34 und 89. An zwei der drei Kühe habe der Händler jedoch die Ohrmarken gelöst, sie an anderen Kühen aus seinem Bestand befestigt und diese zum Schlachter gebracht. Dadurch sei dem Landwirt ein Schaden entstanden, denn die Kuh 89 sei schwerer und somit höher zu klassifizieren gewesen und hätte dadurch mehr Erlös erzielt. Das stritt der Angeklagte entschieden ab. Nachdem der Landwirt das ursprüngliche Pauschalangebot von 1050 Euro für die drei Kühe zusammen nicht angenommen habe, hätten sich beide schließlich auf einen Kilopreis geeinigt. Auf dieser Basis und mit dem Wiegeprotokoll des Schlachthofs erstellte der Händler eine Abrechnung, die abzüglich der Transportkosten rund 840 Euro Reinerlös für den Bauern ergab. Den Scheck über diesen Betrag löste der Landwirt ein, wandte sich jedoch später an die Polizei. So erwirkte er die Kontrolle eines Stalls, den der Händler damals gepachtet hatte. Dort fand sich zwar nicht die Kuh mit der Ziffer 89, aber der Bauer glaubte seine Kuh Nummer 33 wiederzuerkennen. Tatsächlich stimmten die Angaben des Tierpasses (schwarzbunt) nicht mit Aussehen (rotbunt) und Alter des Tiers überein. Auch im weiteren Bestand der Herde stellte der Kreisveterinär Unstimmigkeiten fest. Eine Blutprobe bei der umstrittenen Kuh ergab, dass - wie von dem Landwirt vorhergesagt - ein bestimmter Zuchtbulle der Vater war. Entscheidende Bedeutung im Prozess kam dem Abgleich von Fotos zu. Eines zeigt die Kuh 33 auf der Weide, die anderen das im Stall aussortierte Tier. Der Sachverständige stellte zwar Ähnlichkeiten fest. Laut Gutachten sei jedoch "nicht nachzuweisen, dass es sich um dieselbe Kuh handelt". Staatsanwältin Claudia Trenkle forderte schließlich Freispruch für den Angeklagten. Es sei nicht auszuschließen, dass bei der Übernahme der drei Kühe ein Kaufvertrag zustande gekommen sei. Der Bauer hatte angegeben, er habe den Händler nur mit dem Transport der Tiere beauftragt. Auch einen Austausch der Ohrmarken bezeichnete Trenkle als "nicht nachweisbar". Die im Stall untersuchte Kuh könne aus der gleichen Zuchtlinie kommen wie die Kuh 33. Zudem habe das Landeskriminalamt keine Manipulationen an den Marken festgestellt. Verteidiger Heinz Neuhaus wies auf den vom Landwirt unterzeichneten Vieheinkaufsbeleg hin: "Die Vorwürfe haben keinen Bestand." Weil "objektive Beweise für einen Tausch der Marken und Kühe fehlen", sprach von Schichau den Angeklagten frei. Die Verhandlung habe aber gezeigt, dass es im Lebenslauf einer Kuh viele Möglichkeiten zu unbewussten Fehlern und bewussten Manipulationen durch die damit befassten Menschen gebe. Von Schichau: "Dieses superbürokratische System hat viele Lücken. Effektiv ist das alles nicht, und es behindert auch die Aufklärung des Falls."

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