Theater Zurück in die Achtziger: Morbider Humor trifft Melancholie in einer WG auf dem Dorf

Bitburg · Das Theater Trier zeigte in seiner Gastspielreihe in der Bitburger Stadthalle „Auerhaus“ nach einem Roman von Bov Bjerg. Ein Stück jugendliche Utopie mit überraschendem Ausgang, der das Herz zerreißt.

Fotos: "Auerhaus" Theater Trier Gastspiel in Bitburg
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"Auerhaus" Theater Trier Gastspiel in Bitburg

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Es sind sechs Jugendliche, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Und doch haben sie eines gemeinsam: den Wunsch und das Streben nach Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstfindung. Die Geschichte spielt irgendwann in den 1980er Jahren. Eine Gruppe junger Menschen steht kurz vor dem Abitur. Sie alle fragen sich, ob der Sinn des Lebens wirklich darin besteht, in Ordnern mit der Aufschrift „Birth – School – Work – Death“ abgeheftet zu werden? Die sechs 18-Jährigen ziehen in das „Auerhaus“ und bilden eine alternative Wohngemeinschaft, wo die Beziehungen der einzelnen Charaktere zueinander intensiv auf die Probe gestellt werden. Das Haus verdankt seinen Namen indirekt dem Song „Our House“ der Band Madness. Da die Dorfbewohner des Englischen nicht allzu mächtig sind, wurde aus „Our House“ einfach „Auerhaus“.

Protagonist Höppner, seine Freundin Vera, Frieder – Höppners bester Freund –, der einen Selbstmordversuch hinter sich hat, die Pyromanin Pauline sowie Veras Schulfreundin Cäcilia ziehen nach und nach in das leer stehende Haus von Frieders Großvater ein und passen gemeinsam auf den suizid­gefährdeten Frieder auf. Seine Tod können sie am Ende jedoch nicht verhindern.

 Szene aus der Aufführung von „Auerhaus“ in der Stadthalle Bitburg.

Szene aus der Aufführung von „Auerhaus“ in der Stadthalle Bitburg.

Foto: Andreas Sommer

„Ein hoch emotionales Stück, das jeden Menschen, egal ob jung oder alt, mitnimmt und berührt“, fasst Schauspieler Nima Bazrafkan, der seit 15 Jahren auf der Bühne steht, das Stück nach dem Roman von Bov Bjerg zusammen. Er spielt die Figur des Harry. Dieser bezeichnet sich selbst als bi­sexuell. „Das Stück spielt in den 1980er Jahren. Damals war es viel schwerer, mit seiner Sexualität umzugehen als in der heutigen Zeit. Das zu spielen, ist für mich emotional sehr berührend“, beschreibt Nima Bazrafkan seine Rolle. „Alle Figuren haben diesen einen Moment im Stück, wo das Innerste aus ihnen herauskommt und sie zeigen können, wer sie wirklich hinter der Fassade sind, die sich Jugendliche gerne aufbauen. Und das nicht nur in den 1980er Jahren, sondern auch heute noch.“

Die Handlung besteht aus vielen kleinen Szenen, die in Anekdoten erzählt werden. Jede der sechs Figuren fungiert dabei als Erzähler, und alle Figuren inter­agieren ständig miteinander „Genau das macht mir Riesenspaß, in dieser ‚Team­arbeit‘ auf der Bühne zu spielen“, schwärmt Bazrafkan über seine Rolle. Es ist aber auch die Nähe zum Publikum, die diese Aufführung zu etwas Besonderem macht. Ähnlich der Anordnung in einem Amphi­theater steht die Bühne in der Mitte des Raums, umgeben von Stuhlreihen. Der Zuschauer ist sozusagen Teil der WG und findet sich mitten­drin wieder.

 Zuschauerin  Anna-Lena Kickertz aus Bitburg sagt: „Ich denke, jeder hatte so seine kleinen Probleme beim Erwachsenwerden und findet sich an irgendeiner Stelle im Stück wieder.“

Zuschauerin  Anna-Lena Kickertz aus Bitburg sagt: „Ich denke, jeder hatte so seine kleinen Probleme beim Erwachsenwerden und findet sich an irgendeiner Stelle im Stück wieder.“

Foto: Andreas Sommer

Unter den rund 100 Besuchern war auch Anna-Lena Kickertz aus Bitburg. Sie hatte sich vorher im Internet mit der Geschichte vertraut gemacht und fand es sehr spannend, diese nun einmal live als Theaterstück zu erleben. „Mich hat die Geschichte angesprochen, weil das Stück eben nicht zu den üblichen Standardthemen passt.“ Besonders beim Thema Erwachsenwerden, das Bjerg in seinem Werk beschreibt, erkennen sich viele Zuschauer wieder, auch Kickertz. „Ich denke, jeder hatte so seine kleinen Probleme beim Erwachsenwerden und findet sich an irgendeiner Stelle im Stück wieder“, sagt sie.

„Wir hatten immer so getan, als ob das Leben im Auerhaus schon unser richtiges Leben wäre, also ewig“, sagt der Ich-Erzähler am Ende. In Wahrheit sei es so gewesen, wie Frieder es mal formuliert habe: „Du hast die Augen zu und treibst auf deiner Luftmatratze, ein sanfter Wind weht, und du denkst: Geil, jetzt lebe ich für den Rest meines Lebens hier in dieser Lagune, in der Südsee. Und dann machst du die Augen auf und merkst, es ist bloß ein Nachmittag am Baggersee. Und ‚zack‘, ist der auch schon vorbei.“

Bov Bjerg wirft mit seinem Roman einen Blick auf eine Phase im Leben, die unwiederbringlich vergangen ist. Eine schöne Phase war es dennoch. Wahrscheinlich sogar die schönste, wird sich auch so mancher Besucher am Abend in Bitburg gedacht haben.

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