Tradition verpflichtet, aber bitte nur freiwillig

Prüm · Eifeltypisches Bauen ist in Prüm erwünscht, der Rat der Stadt hat sich aber bei der Aufstellung eines Bebauungsplans für das Gebiet "In der Steinertsbach" gegen zu viele Regelungen ausgesprochen. Bauherren sollen bauen dürfen, wie sie es möchten.

Prüm. Die Einwohnerzahl der Waldstadt sinkt. Nicht weil Prüm unattraktiv wäre, es mangelt schlicht an Wohnraum. Der Stadtrat ist sich einig: Neue Bauflächen müssen her und am besten so schnell wie möglich. In der Verlängerung des Achterwegs ist man fündig geworden. Auf 27 780 Quadratmetern soll dort das neue Baugebiet "In der Steinertsbach" entstehen (der TV berichtete).
In seiner jüngsten Sitzung befasste sich der Rat nun mit der Aufstellung eines Bebauungsplans. Das Winterspelter Büro Plan-Lenz hat ein Konzept entworfen, von dem nach der Sitzung aber kaum mehr als ein grober Rahmen übrig blieb.

Das ursprüngliche Konzept: Auf 35 Grundstücken sah die Stadtplanerin Rosemarie Bitzigeio vor, ein Wohngebiet zu entwickeln, das sich an der typischen Bautradition der Eifel orientiert. Das kleinste Grundstück ist 650 bis 700 Quadratmeter groß, das Größte über 1000. 21 Flächen liegen zwischen 700 und 800 Quadratmetern, zwölf zwischen 800 und 950 Quadratmeter. Der Planungsentwurf habe viele Maßgaben der Initiative Baukultur Eifel, einem Projekt des Eifelkreis Bitburg-Prüm und der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, berücksichtigt. "In den letzten Jahrzehnten entstand vieles, das nicht in die Eifel passt und häufig einfach als nachbarschaftsfeindlich angesehen werden muss", sagte sie.
Weil das Gelände teils sehr abschüssig sei, sollten die Außenwände der Häuser auf der Bergseite nicht höher als 7 Meter sein, auf der Talseite 8,50 Meter. Inklusive Dach sollten die Gebäude nicht höher als 13 Meter sein. Ebenfalls festgelegt werden sollten nach ihren Plänen die Dachformen. Im oberen Bereich des Baugebiets seien Zeltdächer möglich, im unteren nur Dachflächen mit einer Neigung zwischen 35 und 45 Grad. Der Dachüberstand sollte eifeltypisch 20 Zentimeter nicht überschreiten. Fenster wiederum müssten generell stehend sein: also nicht breiter als hoch. Die Fassaden sollten schlicht geputzt werden, Muster und Holzblockbauten seien dabei nicht zulässig.
Als Dachdeckung regte die Architektin an, auf nicht glänzende, anthrazitfarbene oder rotbraune Materialien zu bestehen. Mit diesen Maßgaben wolle man keineswegs die Bauherren gängeln: "Wir Eifeler bauen aber unsere Eifel und wollen nicht, dass sie in der Landschaft und Baukultur ein Gesicht bekommt, wie es in Hamburger oder Münchener Wohngegenden zu finden ist." Eine Einstellung, die der Rat nicht uneingeschränkt mittragen wollte.

Die Kritik des Rats: Rosemarie Bitzigeios Eintreten für die Tradition wurde zwar wohlwollend begrüßt, im Grunde war sich der Rat aber einig: Wer gewillt ist in Prüm neu zu bauen, soll das auch nach seinen Vorstellungen machen dürfen. "Warum sollten die Häuser nicht geklinkert werden? Ich kann die Leute doch nicht in so ein Korsett zwängen", sagte Bernd Weinbrenner (SPD). Die Initiative Baukultur gebe es schließlich erst seit kurzer Zeit, schon lange werde in der Eifel aber ganz anders gebaut, argumentierte er.
Auch die CDU sprach sich gegen zu starke Regelungen aus. Herbert-Berens Knauf: "Der Kunde, der soviel Geld in die Hand nehmen kann, will selber bestimmen, wie sein Haus aussehen wird."
Wenn Dirk Kleis von der Liste Kleis sich auch der Sicht gegen eine Überregulierung anschloss, eine Vorgabe wollte er aber doch nicht missen: "Flachdächer finde ich in Ordnung, wir sollten nur verhindern, dass sie zu Terrassen ausgebaut werden." Stadtbürgermeisterin Mathilde Weinandy stimmte zu: "Man will doch nicht dem Nachbarn beim Sonnenbad auf dem Dach zuschauen."

Der beschlossene Plan: Die groben Rahmenbedingungen der Außengestaltung inklusive einer Brücke, die im Süden das Baugebiet an die Stadt anschließt, wurden einstimmig angenommen. Das Planungsbüro wurde aber beauftragt, alle Maßgaben zur Gestaltung der Außenfassaden und zur Dachgestaltung zu streichen. Festgelegt wurde aber, dass Flachdächer nicht bewirtschaftet werden dürfen und Zäune bis zu einer Höhe von 1,50 Metern gestattet werden. Ein Gebäude darf zudem nur drei Wohneinheiten haben. Allein 40 Prozent eines Grundstücks können laut Plan bebaut werden. Durch die Streichung der Festsetzungen stemme man sich nicht gegen die Initiative Baukultur, betonte Stadtbürgermeisterin Mathilde Weinandy. Bauherren werde man eine Beratung empfehlen. Die Initiative werde zudem zu einer Vortragsveranstaltung eingeladen.
Den Vorschlägen der Planer schloss man sich aber an anderer Stelle wieder an. In dem Wohngebiet soll nicht störendes Gewerbe zugelassen werden. "Denkbar wären hier zum Beispiel Gästewohnungen, Nagel- und Massagestudios oder auch kleinere Versicherungsbetriebe", sagte Rosemarie Bitzigeio.Meinung

Häuser mit Rallyestreifen
Erfreulich, dass in Prüm Bedarf an einem Baugebiet besteht und die Stadt darauf reagiert. Aber, auch wenn es wehtut: Schaut man sich manche Straßenzüge in der Eifel an, dann muss man feststellen, dass nicht alle Bauherren den, sagen wir, stabilsten Geschmack haben. Hier scheint sich eine Hazienda in die Eifeler Kälte verirrt zu haben, dort erdrückt ein kalter Protzbau alles, was daneben steht. Allerlei Applikationen hauen dem Betrachter aufs Auge. Und manchmal drängt sich der Gedanke auf: An dieser Bude fehlt nur noch der Spoiler. Oder der Rallyestreifen. Deshalb hat es Sinn, gestalterische Regeln vorzugeben - oder doch zumindest eine Beratung anzubieten, die von den übelsten Modesünden abhalten könnte. Wenigstens darauf haben sich die Prümer geeinigt. Das ist nicht immer Gängelei, sondern verhindert so manchen Quatsch. f.linden@volksfreund.de

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