Transparenz im Zahlen-Dschungel

Ob überhaupt, und wenn ja wann und in welcher Form die Kommunalreform kommen wird, steht noch längst nicht fest. Sicher ist nur eines: Sie wird immer wieder gerne diskutiert. Nun meldet sich Bitburgs Bürgermeister Joachim Streit zu Wort. Er fordert das Ende der Umlagen-Systeme.

 Die Lage ist unübersichtlich. Die Haushaltspläne sind nur von Experten zu verstehen, der Bürger hat in aller Regel keine Ahnung, was letztendlich mit seinem Geld passiert. TV-Foto: Manfred Reuter

Die Lage ist unübersichtlich. Die Haushaltspläne sind nur von Experten zu verstehen, der Bürger hat in aller Regel keine Ahnung, was letztendlich mit seinem Geld passiert. TV-Foto: Manfred Reuter

Bitburg-Prüm. Achtung, nun wird's staubig. Das Thema Kommunalreform ist nämlich alles andere als irgendeine flockige Geschichte, die sich mal eben mit ein paar flotten Verben und einer Handvoll knackiger Adjektive rasch erzählen lässt. Im Gegenteil. Hier geht es um Bürokratie, um viel Bürokratie sogar, nämlich um Verordnungen, Grundlagen, Zweckzuweisungen, Schlüsselzuweisungen, Einzelpläne, Hebesätze, Umlagen und um noch viel mehr schreckliche Dinge.Viele Politiker fordern deshalb schon seit Jahren eine sogenannte Gemeinde-Finanzreform. Wie diese auszusehen hat, ist bislang allerdings noch nicht mitgeteilt worden.Der Kreis ist selbst arm wie eine Kirchenmaus

Eingemischt in die Diskussion hat sich nun Joachim Streit. Der Bitburger Bürgermeister mahnt die "Transparenz des Zahlungsflusses" an und damit die Abschaffung des Umlagen-Systems. Umlagen, muss man wissen, zahlen beispielsweise die Ortsgemeinden aus ihren bescheidenen Einnahmen an die Verbandsgemeinden und an die Kreise. Auch die Verbandsgemeinden werden über die Umlagen vom Kreis zur Kasse gebeten. Da der Kreis selbst aber ebenfalls arm ist wie eine Kirchenmaus, bleibt ihm gar nichts anderes übrig, den Gemeinden über die Umlagen in die Taschen zu greifen. Außerdem ist er per Gesetz sogar dazu verpflichtet. Zwei Systemfehler bei der Finanzierung

Da es auf Verbandsgemeinde- und Kreisebene jedoch so gut wie keine eigenen Einnahmen gebe, trete für die Bürger ein Verfremdungseffekt ein, stellt Joachim Streit fest. "Würden diese Gelder direkt beim Bürger angefragt, wäre auch die Betroffenheit bei politischen Entscheidungen direkt gegeben", sagt er. Deshalb müsse für ihn auf dem Steuerbescheid der Zukunft stehen, ob das Geld der Bürger für Gemeinde-, Verbandsgemeinde- oder Kreisaufgaben benötigt werde. Grundlegend sieht Streit zwei weitere große Systemfehler im kommunalen Finanzierungssystem in Rheinland-Pfalz: Erstens sind seiner Meinung nach die Finanzausstattungen für die Gemeinden zu gering, zweitens dürften die Zweckzuweisungen (beispielsweise zum Bau eines Gemeindehauses) nicht dem Innenministerium zugeordnet sein, weil dort gleichzeitig die oberste Kommunalaufsicht angesiedelt sei. Streit: "Die Aufsicht kann nicht der haben, der Geber der Subvention ist." Deshalb müssten die Zweckzuweisungen dem Wirtschaftsministerium, allgemeine Subventionen den Kollegen im Finanzressort zugeordnet werden. Bevor diese elementaren Dinge nicht geklärt sind, möchte Joachim Streit erst gar nicht zur Frage der Gebietsreform Stellung nehmen. Grundsätzlich solle Bewährtes erhalten und nur Schlechtes verändert werden. Zum Bewährten zählt Streit nicht nur die Orts- und Verbandsgemeinden, sondern auch die Kreise. Immerhin habe Rheinland-Pfalz die niedrigsten Verwaltungskosten pro Einwohner in Deutschland. Streit: "Auch ich war vor zehn Jahren dem Irrglauben verfallen, damit die nötigen Freiräume zu schaffen. Aber dadurch, dass zwei Kranke sich zusammentun, hat man noch keinen Gesunden geschaffen." Meinung Die Politik sieht tatenlos zu Es ist ja so müßig, die alte Leier von der maroden Finanzausstattung der Gemeinden anzustimmen. In jeder Haushaltssitzung wird gejammert, geschimpft und lamentiert, um am Ende doch die Hand zu heben und dem fragwürdigen Zahlenwerk die Zustimmung zu erteilen. Dabei weiß jeder, dass bei der maroden Kassenlage der Kuckuck jedem privaten Betriebsinhaber längst das letzte Lied geträllert hätte. Die Kommunen kommen also nicht von der Stelle. Bund und Land lassen Städte und Gemeinden fröhlich weiter wurschteln. Dabei weiß jeder, dass sie es niemals schaffen werden, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen, geschweige denn die Schulden abzutragen. Was in den Parlamenten noch stattfindet, ist die pure Spiegelfechterei. Vor dem Hintergrund von Millionen-Defiziten geraten Debatten um ein paar Euros für Bildung und Infrastruktur zur Groteske. Von daher liegt Joachim Streit richtig, ist aber nur einer von vielen, der davor warnt, mit Blick auf eine Kommunalreform den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun. Explizit recht hat er indes mit der Forderung nach einem transparenten System, bei dem der Bürger (wie etwa bei den wiederkehrenden Beiträgen zur Erneuerung von Gemeindestraßen) auch präzise nachvollziehen kann, wohin sein Geld geht. Deshalb macht es in der Tat keinen Sinn, über die Neuaufteilung von Gemeinde- und Kreisgrenzen nachzudenken, bevor nicht das alte Finanzsystem bis aufs Fundament abgerissen und neu aufgebaut worden ist. Warum dies nicht schon längst geschehen ist, bleibt schleierhaft. Mit gesundem Menschenverstand hat diese Tatenlosigkeit der sogenannten großen Politik jedenfalls nichts zu tun. m.reuter@volksfreund.de

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