Über den Bleistift gepeilt

Roland Michels riesige Bleistifte sind für Kunst ziemlich praktisch. Wer über ihre Spitzen blickt, wird auf kulturhistorische Besonderheiten der nahen Umgebung hingewiesen. Und die gibt es in der Großregion reichlich. Wohl nicht nur deshalb hat Michel mit seinem Projekt "Landmarken-Standpunkte" Erfolg.

 Das Ferschweiler Plateau – ein geschichtsträchtiger Ort. Mit seinen modernen Landmarken schickt der Künstler Roland Michel den Betrachter dort auf Spurensuche in der Vergangenheit. Fotos: Roland Michel (2), Archiv/Jutta Edinger

Das Ferschweiler Plateau – ein geschichtsträchtiger Ort. Mit seinen modernen Landmarken schickt der Künstler Roland Michel den Betrachter dort auf Spurensuche in der Vergangenheit. Fotos: Roland Michel (2), Archiv/Jutta Edinger

Auw an der Kyll. "Wenn die Kinder darauf herumklettern, sind die Eltern gezwungen, sich die Installation anzusehen", sagt Roland Michel und grinst. Denn auch dies ist ein Grund, warum der Mann aus dem Örtchen Auw an der Kyll (Verbandsgemeinde Speicher) so viel Erfolg hat mit seiner Kunst. Robust und für jeden frei zugänglich steht sie draußen, mitten in der Natur, an Orten, die gerne von vielen Tausend Menschen im Jahr besucht werden. Selbst Museumsmuffel stolpern darüber.

"Bleistiftmikados" als Installationen

 Der Künstler Roland Michel vor einer seiner Skulpturen in Trier.

Der Künstler Roland Michel vor einer seiner Skulpturen in Trier.

 Jeder Bleistift dieses großen Mikados weist in Richtung eines kulturhistorischen Denkmals. Eine Schautafel liefert den Besuchern Informationen zu den Sehenswürdigkeiten.

Jeder Bleistift dieses großen Mikados weist in Richtung eines kulturhistorischen Denkmals. Eine Schautafel liefert den Besuchern Informationen zu den Sehenswürdigkeiten.



Die auffälligen Installationen - darunter riesige "Bleistiftmikados" - stehen inzwischen nicht nur auf den beiden kulturhistorisch wie landschaftlich außergewöhnlichen Plateaus bei Ferschweiler und Kastel Staadt (Kreis Trier-Saarburg), sondern auch an zahlreichen anderen Stellen in der Großregion. Insbesondere die Luxemburger scheinen Geschmack daran gefunden zu haben. Schon an drei Orten des Großherzogtums fordern Bleistifte & Co. Besucher dazu auf, die Umgebung zu entdecken. Auch dies mag Michels Erfolg begründen: Seine Werke haben zusätzlich einen praktischen Nutzen. Sie weisen auf kulturhistorische Besonderheiten der jeweiligen Region hin.

Der Bleistift ist für Michel das richtige Instrument, um etwas festzuhalten, zu skizzieren, anzudeuten. So zeigt jede der zahlreichen Bleistiftspitzen seiner Mikados in Richtung eines Denkmals: auf Klausen, Schluchten, Schlösser, Mühlen oder Gräberfelder. Eine Tafel liefert die nötigen Informationen dazu. "Ach, hier gibt es eine Burg. Da will ich hin", sollen die Leute sich denken. Und schwupps habe man sie drin in einem Kunstprojekt, sagt Michel.

Ein Projekt, das auch schwierige Themen anpackt. "Hinrichtung" zum Beispiel. An der Straße zwischen Christnach und Larochette hat Michel sogenannten "Houegeriicht", einen hoch in den Himmel ragenden Bleistift mit Lot, errichtet. An einer Stelle, wo bis ins Jahr 1793 regelmäßig Menschen ihr Ende am Galgen fanden. Wer über die Lotspitze schaut, blickt jenseits der Grenze auf den "Galgenberg". Auch dort baumelten die Hingerichteten. Auch an dieser Stelle steht heute ein Stift.

"Die Kunstwerke versuchen, den Leuten etwas über den Platz zu erzählen", sagt Michel. Sie schaffen ein kulturelles und geografisches Orientierungssystem. Sie vernetzen: Orte mit Orten, Raum mit Geschichte, Menschen mit ihrer Kultur. Über Grenzen hinweg.

Im Moment führt Michel Gespräche mit der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. Auch im Hunsrück bekundet man Interesse - diesmal, um auf Naturdenkmäler hinzuweisen. Das Prinzip ist immer gleich: Neue Landmarken verweisen auf alte Landmarken, und die Menschen begeben sich auf Spurensuche. Weil diese merkwürdige Art der Wissensvermittlung zu funktionieren scheint, könnte es in der Großregion bald noch viel mehr Bleistifte geben, die Kinder zum Klettern und Erwachsene zum Nachdenken bringen.

Weitere Informationen liefert die interaktive Internetseite, die der Künstler als Teil des Projekts versteht: www.landmarken-standpunkte.org.

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