Überfall auf Schultoilette: „Ein Rest von Steuerungsvermögen hat dem Mädchen womöglich das Leben gerettet“
Trier/Bitburg · Auch am achten Verhandlungstag hat das Trierer Landgericht noch kein Urteil über den psychisch kranken Bitburger gesprochen, der eine 14-Jährige auf der Schultoilette sexuell genötigt haben soll. Allerdings zeigte sich: Eine Psychologin hält die Aussage des Mädchens für absolut glaubwürdig und ein Psychiater den Beschuldigten für ein Risiko.
Die Bilder gleichen jenen früherer Verhandlungstage. Da ist der Beschuldigte mit seinem grauen Hütchen und seiner Plastiktasche voll Papier - die Bibel, Briefe, juristische Fachliteratur. Doch diesmal wirkt der 55-Jährige nervös. Der achte Verhandlungstag ist gekommen. Es könnte ein Urteil fallen.
Dem Bitburger wird vorgeworfen, ein Mädchen auf der Toilette des St.-Willibrord-Gymnasiums bedroht und sexuell genötigt zu haben. Immer wieder hat er im Laufe der Verhandlung seine Unschuld beteuert. Und immer neue Zeugen hat die Erste große Jugendkammer am Trierer Landgericht gehört, um sich ein Bild davon zu machen, was am 4. Dezember 2013 geschah. Das Mädchen hatte ausgesagt, der Mann habe sie mit einem Messer bedroht, um sie zu zwingen, sich auszuziehen. Nicht nur die Aussage eines Lehrers, der den Mann an jenem 4. Dezember an der Schule gesehen hat, spricht inzwischen dafür, dass die Aussage des Mädchens der Wahrheit entspricht, sondern auch die Gutachten der Sachverständigen:
Das Glaubwürdigkeitsgutachten: Diplom-Psychologin Simone Gallwitz kommt in ihrem Gutachten zu dem Schluss, dass die Aussage des Mädchens glaubwürdig ist. Und zwar "mit sehr hoher Sicherheit". "Erlogene Aussagen sind in ihrer Struktur schlechter als erlebte", erklärt die Fachfrau.
Die Aussage des Mädchens sei logisch, widerspruchsfrei, detailreich und ohne Strukturbrüche. Sie basiere auf Erlebtem. Dass die 14-Jährige, die Gallwitz als ganz normale und intelligente Jugendliche beschreibt, Rachemotive gehabt haben könnte oder Aufmerksamkeit erregen wollte, schließt die Psychologin aus. Auch sei das von mehreren Zeugen beschriebene Verhalten der Schülerin an jenem Morgen typisch für jemanden, der nach einem schlimmen Erlebnis unter Schock steht.
Das psychiatrische Gutachten: Laut Ingo Baltes, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, ist der 55-Jährige zwar fähig, komplexe Abläufe zu planen - aber dennoch schuldunfähig. Bereits seit drei Jahrzehnten leidet er unter einer schizophrenen Psychose, die sich durch Verfolgungswahn, Halluzinationen und Realitätsverlust kennzeichne. Obwohl der Beschuldigte durchaus charmant und eloquent sein könne, bescheinigt Baltes ihm ein aggressives Verhalten. Und eine Zerrissenheit, die aus seiner "gewissen pädophilen Denkweise" gepaart mit einer "Hinwendung zum Göttlichen" herrühre. Zum Tatzeitpunkt sei der Mann nicht richtig medikamentiert gewesen. Sein Arzt hatte als Zeuge ausgesagt, ihn alle drei Wochen zu behandeln. Laut Baltes wirkt das dabei gespritzte Medikament jedoch nur zwei Wochen lang.
"Ein Rest von Steuerungsvermögen hat dem Mädchen womöglich das Leben gerettet", sagt der Gutachter. Sollte sich der Zustand des Beschuldigten nicht wesentlich verbessern, sieht er in ihm ein Risiko für andere.
Der Vorsitzende Richter Albrecht Keimburg will vor einem Urteil zunächst zu prüfen, wie sich der Zustand des Beschuldigten entwickelt hat, seit er in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt untergebracht ist. Die Entscheidung, wie es für den Bitburger weitergeht, soll nun am 23. September fallen. kah