Und niemand weiß, wer sie waren

Wallendorf · Letzte Ruhestätte nach 70 Jahren: Die sterblichen Überreste von drei deutschen Soldaten werden am kommenden Dienstag auf dem Ehrenfriedhof in Wallendorf beigesetzt. Die Männer sind vermutlich im Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen. Entdeckt wurden ihre Knochen erst jetzt.

Wallendorf. Auf dem Ehrenfriedhof in Wallendorf gibt es 321 Soldatengräber. Am Dienstag, 25. August, kommen drei hinzu. Dann werden dort die sterblichen Überreste von deutschen Soldaten beerdigt. Wer die Menschen waren, wird wohl keiner jemals mehr erfahren. Aber alles deutet darauf hin, dass sie im Zweiten Weltkrieg in der Nähe von Wallendorf starben. Denn was von ihnen übrig geblieben ist, ist dort gefunden worden - 70 Jahre nach ihrem Tod.
Es war Zufall - und das gleich zwei Mal. Bereits im August 2013 wurden die Gebeine eines Soldaten in einem Waldgebiet zwischen Wallendorf und Bollendorf entdeckt. Ein Mitarbeiter des Landesmuseums, auf der Suche nach römischen Hinterlassenschaften, habe die Skelettteile gefunden und das dem Kampfmittelräumdienst mitgeteilt, erzählt Lorenz Bermes von der Verbandsgemeindeverwaltung Südeifel in Neuerburg. Die Fundstelle habe sich tief im Wald unmittelbar am ehemaligen Westwall befunden. Nicht nur Knochen, auch Uniformknöpfe und Reste eines Wehrmachtsstiefels hätten dort gelegen. Die Mitarbeiter des Kampfmittelräumdienstes meldeten den Fund der Polizei.
Auch Staatsanwaltschaft und Rechtsmedizin wurden zunächst miteinbezogen. "Es war aber schnell geklärt, dass hier kein Mord passiert war, sondern ein normaler Tod durch Kriegswirren eingetreten war", sagt Raimund Schneider von der Kriegsgräberfürsorge bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier.
Eine Identifizierung des Toten sei nicht möglich gewesen, "da bei ihm weder eine Erkennungsmarke noch irgendwelche Dokumente aufgefunden worden sind", sagt Bermes.
Auch die Überreste der beiden anderen Toten, die erst im Mai 2015 entdeckt wurden, lassen keine Rückschlüsse auf deren Identität zu. Dieses Mal habe ein Archäologiestudent der Universität Trier in einem Waldstück in Wallendorf auf einem kleinen Plateau unterhalb der Anhöhe Langenberg und Bocksberg die Knochen gefunden, sagt Bermes. Dabei ist er aber offenbar gerade noch ein paar Schatzsuchern zuvorgekommen: Der Student hatte der Polizei erzählt, Camper seien mit Sonden durch den Wald gelaufen, hätten die Skelette entdeckt und seien dann mit dem Auto davon, als sie ihn bemerkten. "An der Stelle habe er dann einen Fingerknochen entdecken können."
Die Toten seien anschließend geborgen worden, sagt Bermes. Bei der Fundstelle habe es sich um ein Grab gehandelt. Denn als man die Knochen nach und nach freigelegt hatte, erkannte man, dass die Stelle mit Steinen eingefasst worden war. Die Experten fanden nicht nur die Knochen von zwei Menschen, sondern auch Knöpfe, Koppelschlösser, Koppel, Munitionsteile, Ösen von Zeltplanen, Feldspaten und Bajonette. "Die Kriegsgefallenen sind nicht an der Stelle gestorben", sagt Bermes. Vermutlich seien sie auf der Anhöhe oder in einer der zahlreichen Bunkeranlagen erschossen, auf einer Zeltplane dorthin getragen und beerdigt worden. "Wenn da Kriegswirren waren, der eine Soldat ums Leben kam, der andere am Leben bleiben wollte: Da müssen ja auch Notbeerdigungen am Straßenrand stattgefunden haben", sagt Schneider. Die Beigaben ließen darauf schließen, dass es sich um Soldaten handele. "In aller Gänze" werde man aber keine Details mehr klären können, eben auch nicht, um wen es sich bei den Toten gehandelt habe.
Zeitlich kann man das Schicksal dieser Menschen aber verorten: Die drei Soldaten kamen vermutlich während der Gefechte im Zuge der Ardennenoffensive zu Tode. In Wallendorf durchbrachen amerikanische Militäreinheiten den Westwall, nachdem die fünfte US-Panzer-Division am 14. September 1944 Luxemburg, Ettelbrück und Diekirch befreit hatte.
"Und wir können davon ausgehen, dass die Toten 70 Jahre dort im Wald gelegen haben", sagt Raimund Schneider - weshalb sich der Ehrenfriedhof in Wallendorf auch als Begräbnisort anbiete. Eine solche Beerdigung sei "für uns relativ selten", sagt Schneider, der sich in 25 Jahren Arbeit in der Kriegsgräberfürsorge an "vier oder fünf" ähnliche Fälle in Rheinland-Pfalz erinnert, zuletzt in Winterspelt (siehe Extra). Trotzdem sei nie auszuschließen, dass irgendwo durch Zufall Kriegstote gefunden würden, deren Schicksal nie geklärt werden konnte - und die bis heute vermisst werden.
Und wenn das der Fall ist, wie nun bei den drei Soldaten, dann sei es Aufgabe der landesweit für die Kriegsgräberfürsorge zuständigen ADD, sicherzustellen, dass die Toten in einer Gedenkstätte untergebracht werden - seien es Soldaten oder zivile Opfer. Damit wolle man "das Gedenken bewahren", sagt Schneider. An das Leid dieser "sinnlosen Opfer" erinnern, verdeutlichen, "dass es keinen Krieg mehr geben sollte" und "uns auch vor Augen halten, dass man sich selbst einbringen muss, wenn wir in Freiheit und Frieden leben wollen".
Mit einer kleinen Trauerfeier werden die sterblichen Überreste der drei Soldaten am Dienstag, 25. August, um 10 Uhr, auf dem Ehrenfriedhof Wallendorf beigesetzt. Die Bürger sind dazu eingeladen.Extra

Ein paar Knochen, Stiefel, eine Geldbörse mit Münzen, Reste eines Soldbuchs, ein Kamm, ein Taschenmesser - und die vollständige Erkennungsmarke: Im Oktober 2007 wurden diese Überrreste eines Soldaten in einem Grab zwischen Winterspelt und Weißenhof gefunden (der TV berichtete). Es handelte sich um den österreichischen Obergefreiten Johann Schinagl, am 22. Juni 1911 in Friedburg in Oberösterreich geboren, am 17. Dezember 1944 bei Winterspelt in den ersten Tagen der deutschen Ardennenoffensive gefallen, vermisst bis zu eben jenem Tag im Jahr 2007. 1949 hatte man ihn für tot erklären lassen. Ohne je zu erfahren, welches Schicksal ihrem Mann widerfahren war, war seine Frau zwischenzeitlich gestorben. Johann Schinagl wurde auf dem landeseigenen Ehrenfriedhof in Gondelsheim beigesetzt. eib

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