Unsichtbare Eifeltiger: Wie Wildkatzen gezählt werden - Vortrag in Bitburg

Bitburg/Prüm/Wittlich/Daun · Kaum jemand sieht sie. Und doch sind sie da, die Wildkatzen. Forscher sagen: Fast nirgendwo in Deutschland kommen die scheuen Tiere so häufig vor, wie in der Eifel. Aber wie haben die Wissenschaftler das überhaupt herausgefunden?

 So nah kommt den Tieren nur ganz selten jemand. Wenn sie einen Menschen hören, verstecken sie sich sofort. Fotos (2): Harry Neumann

So nah kommt den Tieren nur ganz selten jemand. Wenn sie einen Menschen hören, verstecken sie sich sofort. Fotos (2): Harry Neumann

Foto: (e_eifel )

Eigentlich ist es ein bisschen gemein. Da glaubt die Wildkatze, sie erschnüffelt einen Partner - und findet ein Stück Holz. Hergeführt hat sie der Duft von Baldrian. Die Pflanze riecht ähnlich wie der Sexuallockstoff rolliger Artgenossen.

Das machen sich Wissenschaftler zunutze. Sie klopfen einen Pfahl in den Wald, besprenkeln ihn mit Baldrian und warten. Irgendwann kommt eine Mieze vorbei und reibt sich daran - in Ermangelung eines Sexualpartners sozusagen. Dabei verliert sie Fell. Und schon haben die Katzenforscher frische DNA.

Eine Probe in einem Labor zu untersuchen, kostet rund 200 Euro. Aber ohne diese Technik ist kaum etwas über die scheuen Tiere herauszufinden. Wer durch den Wald läuft, hat jedenfalls keine Chance, sie zu Gesicht zu bekommen. Geschweige denn zu schätzen, wie viele der Einzelgänger wohl in einem Waldgebiet umherstromern. Vor allem, weil man die Wildkatze erst auf den zweiten Blick vom Stubentiger unterscheiden kann (siehe Info).

Selbst Gabriele Neumann sieht nur selten eines ihrer Lieblingstiere. Und sie erforscht sie schon seit Jahren, macht "viel Feldarbeit", wie sie sagt. Heute kennt die Expertin die Unterschlüpfe der Raubtiere genau. "Einer davon ist die Eifel", sagt sie. Und dann lässt sie die Katze aus dem Sack: "Fast nirgendwo in Deutschland gibt es mehr Wildkatzen als hier!" Nur im hessischen Leine-Weser-Bergland sei die Populationsdichte noch höher. Und das, obwohl die meisten glauben, dass Wildkatzen vor allem im Hochwald und im Hunsrück hausen. Durch hiesige Forste streunen aber mindestens genauso viele Mini-Tiger. Zwischen 500 und 1000 Exemplare leben Schätzungen zufolge rund um Bitburg und Prüm, die meisten in der Schneifel.

Was aus Katzensicht für ein Leben in der Eifel spricht? Die Region ist dünn besiedelt, und es gibt große, naturnahe Wälder. In Baumhöhlen, Brombeergestrüpp und unter umgestürzten Wurzeln kann sich der Jäger vor seinen Feinden verstecken. Und die sind zahlreich. Da wären: der Marder, der Fuchs, der Dachs, der Uhu, das Wildschwein und der Mensch.

Vor allem Letzterer macht den Waldmiezen oft das Überleben schwer. Autobahnen und Wanderwege verlaufen quer durch ihr Jagdrevier. Die Autos machen nicht nur Lärm, der die Katzen stört. Die Eifeltiger werden auch überfahren. Neumann empfiehlt daher, in der Dämmerung nicht zu rasen und bei Spaziergängen das Dickicht zu meiden.
Getan ist es damit freilich nicht. Wildkatzen sind eine streng geschützte, weil gefährdete, Art. Auch daran ist der Mensch schuld: Bis 1935 wurden sie gejagt, durch Besiedlung und Verkehrsausbau verkleinerte sich ihr Lebensraum zusätzlich. Und davon brauchen sie viel. Denn nach einem Wurf wechselt eine Katzenmutter immer wieder mit dem Nachwuchs das Versteck. Doch was, wenn die Verstecke ausgehen? Dann müssen eben welche geschaffen werden. Seit 2011 pflanzten Naturschützer deutschlandweit Tausende Bäume, um Waldgebiete zu verbinden. Das Schutzprogramm war dem Bund fast vier Millionen Euro wert. Inzwischen ist es ausgelaufen. Aber es zeigte Wirkung: Vielerorts erholten sich die Bestände.

Doch auch hierzulande seien sie keinesfalls gesichert, meint Neumann. Um wirklich verfolgen zu können, wie die Population sich entwickelt, bräuchte es weitere staatliche Hilfe. Die Forschung wird außerhalb von speziellen Projekten bislang hauptsächlich von Naturschutzverbänden bezahlt. Wir erinnern uns an die teuren DNA-Proben. "Das Umweltministerium könnte hier sicherlich etwas beisteuern", meint Neumann. Und sie hat noch eine Forderung. Die Expertin wünscht sich in Rheinland-Pfalz ein sogenanntes "systematisches Totfund-Monitoring". Mit anderen Worten: Jeder, der eine überfahrene Wildkatze sieht, soll Meldung machen. Die Körper können eingesammelt und wissenschaftlich untersucht werden. Die Daten könnten beim Land zusammengetragen werden. Forschern wie Neumann könnte ein solches Register helfen, die Verbreitungsgebiete der Tiere zu verfolgen - also festzustellen, ob die Population wächst oder schrumpft. Sie wüssten dann genau, wo sie nach den Tigerchen zu suchen haben. Auch wenn die wohl weiterhin unsichtbar bleiben werden.

Gabriele Neumann hat noch einiges über Wildkatzen zu erzählen. Deshalb wird sie am Donnerstag, 26. Oktober, einen Vortrag in Bitburg im Hotel Eifelbräu halten. Es wird zudem Videos und Fotos zu sehen geben. Beginn ist um 19.30 Uhr. Die Teilnahme ist kostenfrei.KommentarMeinung

Bloß keine Werbung machenBeim Suchwort "Katze" spuckt Youtube mehr als eine Million Ergebnisse aus: Katze spielt Klavier, Katze schläft, Katze frisst Spaghetti, Katze schnurrt zu Musik, Katze fährt Skateboard und so weiter und so fort. Menschen sind verrückt nach den flauschigen Vierbeinern. Warum also nicht werben für die Wildkatze? Der Nationalpark Hunsrück macht es vor: Den Katzenkopf ins Logo gepackt, das Tigerchen auf die Broschüre gedruckt. Fertig! Es wäre ein Leichtes, die Popularität der Tiere auch für den hiesigen Tourismus auszunutzen. Wer die Katzen aber wirklich mag, sollte davon absehen. Denn was haben die davon, wenn noch mehr Wanderer durch ihre Habitate stampfen? Wenn noch mehr Mountainbiker an ihren Verstecken vorbeidüsen? Noch mehr Menschen sie mitnehmen, weil sie sie für Hauskatzen halten? Davon abgesehen: Zu sehen bekommen Urlauber die scheuen Einzelgänger ohnehin nicht. Also lässt man die Wildkatze doch am besten in Ruhe - so schwer das auch ist. c.altmayer@volksfreund.deExtra: UNTERSCHIEDE: HAUS- UND WILDKATZE

Getigertes Fell, spitze Öhrchen, weiße Schnurrhaare - wer soll da einen Unterschied zwischen Wild- und Hausmieze erkennen? Dabei lebten die scheuen Raubtiere schon in unseren Wäldern, bevor die Römer ihre Stubentiger aus Ägypten herbrachten. Aber nachts sind eben alle Katzen grau. So kann man sie aber doch unterscheiden: Wildkatzen erkennt man vor allem am Körperbau. Die Jäger wirken massiger, sind aber kaum größer als ihre domestizierten Verwandten. Sie haben längeres, beiges Fell, das eher verwaschen wirkt. Ihre Schwänze sind buschig und dick. Der Name "Wild"katze ist übrigens Programm. Sie ist die einzige Katzenart, die sich überhaupt nicht zähmen lässt. Selbst in Gefangenschaft geborene Tiere lassen sich nicht anfassen.Extra: ZUR PERSON

Unsichtbare Eifeltiger: Wie Wildkatzen gezählt werden - Vortrag in Bitburg
Foto: HARRY NEUMANN (e_eifel )

Gabriele Neumann (60) lebt im Westerwald. Seit 15 Jahren engagiert sich die Mathematikerin für den Naturschutz - für Fledermäuse, Vögel und vor allem für Wildkatzen. Denn sie ist nach eigener Aussage eine Katzenliebhaberin. Die wilden Exemplare findet sie gerade deshalb faszinierend, weil sie so scheu sind.

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