DRK will Suchdienst einstellen, Kritik wird laut Vergessene Soldaten

Bitburg/Trier · Seit Jahrzehnten hilft das Deutsche Rote Kreuz bei der Suche nach Vermissten des Zweiten Weltkriegs. Doch damit könnte bald Schluss sein: Denn die Finanzierung des Dienstes läuft 2023 aus. Damit blieben die Schicksale von Millionen Soldaten und Zivilisten ungeklärt.

 Erst nach Jahrzehnten gefunden: Heinz-Karl Kundenreich.

Erst nach Jahrzehnten gefunden: Heinz-Karl Kundenreich.

Foto: e_bit <e_bit@volksfreund.de>

Am 6. Mai 1945 liegt Breslau in Trümmern. Monatelang tobt um die polnische Stadt eine Schlacht zwischen Wehrmacht und Roter Armee. Nach Schätzungen von Historikern kommen bei der Belagerung gegen Ende des Zweiten Weltkriegs etwa 170 000 Zivilisten, 13 000 sowjetische und 6200 deutsche Soldaten ums Leben.

Einer von ihnen ist der Bitburger Heinz-Karl Kundenreich. Doch es sollen Jahrzehnte ins Land gehen, bis die Familie erfährt, was dem Offizier passiert ist. 1955 wird er zwar für tot erklärt. Gefunden werden Leiche und Erkennungsmarke aber erst 2010 – in einem Massengrab nahe Breslau.

 Man habe, sagt sein Neffe, der Bitburger Stephan Garçon, zwar nicht mehr klären können, welche der vielen Gebeine zum verstorbenen Onkel gehörten. Wohl aber, dass er bei jener Schlacht in Breslau gefallen sein musste. Sonst wäre die Marke wohl kaum dort begraben worden. „Meine Mutter wusste so lange nicht, was aus ihrem Bruder geworden ist“, sagt Garçon: „Diese Ungewissheit hat an uns Angehörigen bis vor zehn Jahren genagt.“

Die Geschichte von Heinz-Karl Kundenreich ist nur eine von Hunderten aus der Region. Noch immer, schätzt Moritz Petry, Bezirksvorsitzender des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) Koblenz-Trier, seien die Schicksale von Millionen Weltkriegssoldaten ungeklärt.

Seit den frühen 1950er Jahren hilft der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes dabei, herauszufinden, was aus ihnen geworden ist. Im vergangenen Jahr noch hatten knapp 10 100 Menschen eine Anfrage bei der Organisation gestellt. In der Region Trier waren es laut DRK-Angaben 34 Menschen und in den Jahren zuvor jeweils zwischen sechs und 16.

Wie lange dies allerdings noch möglich sein wird, weiß keiner. Denn das vom Bundesinnenministerium finanzierte Angebot läuft Ende 2023 aus.

Anfragen, die nach Dezember des nächsten Jahres eingehen, würden dann nicht mehr bearbeitet werden. Derzeit laufen zwar Gespräche zwischen Ministerium und DRK über eine mögliche Fortsetzung des Dienstes bis ins Jahr 2025. Ob es dazu kommt, ist aber keinesfalls sicher.

Aus den Reihen der CDU wird daher Kritik laut. Auch für den VDK-Vorsitzenden und Christdemokraten Petry wäre die Einstellung des Suchdienstes „sehr bedauerlich“. In der Aufklärung der Schicksale sehe er schließlich „einen wichtigen Baustein der Gedenkkultur“: „Gerade jetzt, 75 Jahre nach Kriegsende, wäre es ein schlechtes Signal, die Suche nach den Vermissten ruhen zu lassen.“

Zudem käme dem Volksbund, sagt Petry, ein wichtiger Partner abhanden. Bislang arbeiteten VDK und DRK eng zusammen: „Wir tauschen Daten aus, teilen uns die gesellschaftliche Aufgabe also auf.“ Wenn das Deutsche Rote Kreuz nun Schluss mache, sei der überalterte Volksbund auf sich allein gestellt: „Das würde unsere Arbeit erschweren.“

Auch Stephan Garçon ist enttäuscht von der Ankündigung: „Für mich ist das unverständlich.“ Schließlich gebe es etliche Fälle wie den seines Onkels, die erst spät aufgedeckt würden: „Die Suche hat sich nicht erledigt, solange noch so viele unbekannte Tote auf Identifizierung warten.“ Zumindest, wo Heinz-Karl Kundenreich liegt, weiß der Neffe jetzt: auf einem 2002 eröffneten Soldatenfriedhof nahe dem polnischen Dorf Nadolice Wielki.

16 000 Gräber sind dort inzwischen belegt, die Namen der Verstorbenen auf Granitstelen eingraviert. Auch Kundenreichs Daten sind erfasst.

 Ein Sachbearbeiter des DRK durchsucht Akten, um Schicksale wie das des Bitburgers Heinz-Karl Kundenreich (rechts) aufzuklären.

Ein Sachbearbeiter des DRK durchsucht Akten, um Schicksale wie das des Bitburgers Heinz-Karl Kundenreich (rechts) aufzuklären.

Foto: dpa/Marc Müller

Daher hat Garçon nun immerhin Gewissheit darüber, wann sein Verwandter starb, nämlich am 10. Februar 1945, vier Tage nach Beginn der Schlacht um Breslau. Der 32-Jährige gehörte also wohl zu den ersten Opfern jener Belagerung.

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