Landrat macht Wahlkampf in Bitburg Vollbremsung vorm Ziel: Housing-Beschluss in Bitburg vertagt

Bitburg · Der Stadtrat hat die Entscheidung, ob der Zweckverband Flugplatz die Konversion der Housing übernehmen soll, vertagt. Es gebe noch „Klärungsbedarf“. Parallel hat ein Wahlkampf-Flyer mit Landrat Streit Irritationen verursacht.

 Raum für Ideen: 44 dieser Blocks sowie weitere Gebäude stehen in der Housing.

Raum für Ideen: 44 dieser Blocks sowie weitere Gebäude stehen in der Housing.

Foto: klaus kimmling

Wie es mit der Bitburger Housing weitergeht, bleibt offen. Zu dem ursprünglich geplanten Beschluss, das Mammutprojekt an den Zweckverband Flugplatz Bitburg abzugeben, kam es am Donnerstagabend im Stadtrat nicht. Denn der Tagesordnungspunkt wurde, ähnlich wie tags zuvor bereits im Ausschuss, abgesetzt.

Den Antrag dazu stellte Bürgermeister Joachim Kandels und sagte: „Ich bin darum von mehreren Fraktionen gebeten worden, weil es noch Klärungsbedarf gibt.“ Und etwas konkreter: „Es geht um die Frage, wie sich in einem solchen Verbund auch private Investoren einbinden lassen und wie die Umsetzung der Zielvorstellungen der Stadt zu gewährleisten ist.“ Zudem sehe man „keine Dringlichkeit“, da weder Kreistag noch der Verbandsgemeinderat Bitburger Land darüber in Kürze beraten.

 Wahlwerbung: Der Flyer, der im Stadtrat Unmut auslöst.

Wahlwerbung: Der Flyer, der im Stadtrat Unmut auslöst.

Foto: TV/Dagmar Dettmer

Bei einer Gegenstimme (SPD) und drei Enthaltungen (Liste Streit) flog das Thema Housing von der Tagesordnung. Dabei war doch in den jüngsten Sitzungen immer wieder aus allen Fraktionen zu hören, dass man dieses Projekt im Verbund der „kommunalen Familie“ angehen möchte. Jetzt hätte der Rat Nägel mit Köpfen machen können. Stattdessen kommt es zur Vollbremsung auf der Zielgeraden.

Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Fakt ist: Ein, zwei Tage vor der Sitzung hat ein Flyer bei etlichen Ratsmitgliedern Irritationen ausgelöst. Die Wahlwerbung der Liste Streit wurde in den Haushalten von Stahl und Mötsch verteilt. Unter dem Slogan „Zeit für Veränderung – Bitburg auf den richtigen Weg bringen“ wird darauf für eine „Housing 3.0“-Tour durch die Stadtteile geworben – beginnend mit Stahl (1. April), gefolgt von Mötsch (2. April). Unterzeichnet mit: „Diskutieren Sie mit auf meiner Housing 3.0-Tour, Ihr Joachim Streit.“

Joachim Streit ist Gründungsmitglied der nach ihm benannten Liste und darüber hinaus auch Landrat und Vorsitzender des Zweckverbands Flugplatz. Genau deshalb stößt der Flyer bei vielen Ratsmitgliedern auf. Hinter vorgehaltener Hand heißt es: „Hier sind alle angepisst.“

Auch beim Bürgermeister, der, in Stahl wohnend, die Wahlwerbung ebenfalls im Briefkasten hatte, hält sich die Begeisterung in Grenzen: „Dieser Alleingang ist vom Stil her einfach nicht in Ordnung“, sagt Kandels. Schließlich erfordere ein solches Großprojekt, dass man vertrauensvoll zusammenarbeitet. Grundsätzlich ist der Bürgermeister zwar nach wie vor dafür, die Konversion gemeinsam mit dem Kreis im Zweckverband anzugehen. Aber dabei müsse gewährleistet sein, dass die Stadt ihre Ziele umsetzen kann.

Deutlicher wird man in den Fraktionen. Von einem „groben Schnitzer“ des Landrats spricht Irene Weber (SPD). Zwar sieht sie ebenfalls im Zweckverband Flugplatz einen guten, weil erfahrenen Partner in Sachen Konversion. Aber nach der Wahlwerbung gebe es in ihrer Fraktion Zweifel, ob Streit als Verbandsvorsitzender bereit sei, die gemeinsam definierte – und ebenfalls unter Beteiligung der Öffentlichkeit erarbeitete sowie einstimmig im Rat beschlossene – Marschrichtung zu verfolgen. „Die Haltung des Landrats und seine Loyalität zu gemeinsam getroffenen Zielen muss als Grundsatzfrage geklärt werden. Die Position der Stadt Bitburg muss nach diesem Alleingang des Landrats eindeutig dargestellt werden“, fordert Weber.

Auch Peter Berger (Grüne) fragt sich, wie der Landrat zu dem vom Stadtrat bevorzugten Green-Tec-Cluster steht, also der Ansiedlung von Unternehmen, die grüne Technologien erforschen oder vertreiben. Auch die Frage, nach welchem Konversionsmodell die Housing vermarktet wird, sei noch nicht geklärt. „Und da prescht er dann vor“, sagt Berger. Was ihn zudem enttäusche, wie er in der Ratssitzung erklärt, sei noch etwas anderes: „Wir haben uns im Vorfeld darauf verständigt, nicht mit dem Thema in den Wahlkampf zu ziehen. Da kann er doch jetzt nicht als Messias rumlaufen und ankündigen, etwas mit den Bürgern entwickeln zu wollen.“

Kritisch sieht die Sache mit Streits Engagement für die nach ihm benannte Stadtratsliste auch die CDU: „Ich bin nicht der Meinung, dass der Landrat städtische Themen zu besetzen hat“, sagt Michael Ludwig auf TV-Anfrage. Als Landrat in den städtischen Wahlkampf einzutreten sei etwas, das sich „einfach nicht gehört“.

Dass zu diesem Thema überhaupt etwas im Stadtrat gesagt wurde, ist Verdienst von Thomas Barkhausen (SPD). Er hat als Einziger gegen die Absetzung des Tagesordnungspunkts gestimmt und darum gebeten, etwas sagen zu dürfen. Seine Meinung: „Normalerweise hätten wir heute hier zugestimmt und wären auch womöglich einverstanden gewesen, wenn der Landrat den Vorsitz im Zweckverband Flugplatz behält“, sagt Barkhausen. Jetzt sehe das anders aus. „Er hat es für wichtig befunden, dieses Thema in den Wahlkampf zu ziehen. Das ist bedauerlich.“ Damit habe Streit seine „neutrale, überparteiliche, vermittelnde Position als Verbandsvorsteher“ aufgegeben.

Winfried Pütz (Liste Streit) widerspricht, dass der Flyer Ursache für die Vertagung des Housing-Themas ist – wie Barkhausen in seinen Ausführungen nahelegt. „Es geht um den angesprochenen Klärungsbedarf.“ Willi Notte (Liste Streit) sagte noch, dass es ein Missverständnis sei, dass Streit „seine Vision“ der Housing vorstellen wolle, sondern er wolle mit den Bürgern über ihre Vorstellungen ins Gespräch kommen. Für Sigrid Steffen (SPD) kein Argument: „Das Ganze läuft unter dem Titel ‚Bitburg auf den richtigen Weg bringen’ – das suggeriert doch, dass wir mit dem, was wir in aufwendiger Arbeit zu diesem Thema bisher entschieden haben, nicht auf dem richtigen Weg sind.“

Dass der Stadtrat dieses Thema vor der Kommunalwahl am 26. Mai noch ein weiteres Mal auf die Tagesordnung hebt, zeichnet sich im Moment nicht ab.

Was Landrat Joachim Streit zu seinem Wahlwerbe-Einsatz für die von ihm mitbegründete Liste Streit sagt, lesen Sie heute auf Seite 10.

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