Vom Eskimo zum Nicht-Bayern

BITBURG. Die umstrittene Broschüre "Die Kelten? Oder: was heißt denn ,original keltisch'?" von Monika Falkenrath, deren Vertrieb per einstweiliger Verfügung untersagt wurde, darf wieder verkauft werden. Allerdings müssen einzelne Passagen, die Keltenfest-Organisator Verghese Varkki zuvor als Diffamierung bezeichnet hat, geändert werden.

Mit einem derart regen Interesse hat Richter Günther Köhler offensichtlich nicht gerechnet. Kaum hat er die Tür zum Gerichtssaal im Bitburger Amtsgericht geöffnet, prallt er erst einmal zurück: "Oh, guten Morgen". Rund zwanzig Besucher drängen sich in den verhältnismäßig kleinen Sitzungsaal, haben zusätzliche Stühle aus dem Wartebereich vor der Tür hereingetragen. Seitdem Monika Falkenrath ihre Broschüre "Die Kelten? Oder: was heißt denn ,original keltisch'?" auf den Markt gebracht hat, schwelt ein Streit im Neuerburger Land.Reges Interesse an Verhandlung

Die Besucher, die sich die Verhandlung anschauen, wollen es nun wissen: Waren die Inhalte der Broschüre, die sich kritisch mit dem Keltenfest im vergangenen Juni und dessen Hauptorganisator Verghese Varkki auseinander setzen, rassistisch, diffamierend und beleidigend, so wie es Varkki behauptet hatte? Aufgeregtes und teilweise empörtes Murmeln geht durch den Saal, während Verghese Varkki lächelnd den Beginn der Verhandlung erwartet. Richter Günther Köhler stellt zu Beginn der Verhandlung klar: "Es geht hier um das Grundrecht der Pressefreiheit und der Meinungsäußerung. Jeder darf seine Meinung verbreiten und äußern. Das findet jedoch seine Grenzen, wenn jemand in seiner persönlichen Ehre verletzt wird." In der Broschüre würden Formulierungen gebraucht, die als ehrverletzend gesehen werden könnten. Die Begriffe "Schaumacherei", "Selbstbeweihräucherung" und "Schaumschlägerei" in Zusammenhang mit der (Presse-) Arbeit Varkkis halte er für ebenso grenzwertig wie den Vergleich Varkkis mit einem Eskimo. Falkenrath hatte geschrieben, dass Indien mit Kelten so viel zu tun habe wie Bayern mit dem Nordpol. Ein Eskimo sei als Vorsitzender eines bayerischen Trachtenvereins unvorstellbar. Dass der "Verein zur Förderung von Tradition und Kultur in der Südeifel" Varkki zum Vorsitzenden gemacht habe, erscheine ihr deshalb als "regelrecht makaber". "Das ist ein Gag, es ist einfach mal ein Flaps und wurde von jedem so verstanden", ereifert sich Falkenrath. Keinesfalls habe sie Varkki persönlich angreifen wollen. Dies sieht Varkki nach wie vor anders: "Das Wort Eskimo ist rassistisch, deshalb ist der Vergleich rassistisch. Meine Herkunft wird benutzt, um mich auszugrenzen." Dies gelte auch für den Ausdruck "Guru aus Indien" und die Darstellung, er, Varkki, sei aus einem Gebüsch gekommen, als Falkenrath sich die Vorbereitungen zu dem Keltenfest ansah. Diese Formulierung erwecke den Eindruck, er sei "wie ein Wilder" aus dem Gebüsch gesprungen. Raunen im Publikum. "Das ist keine Ehrverletzung", wendet Richter Köhler ein, "es ist klar bezogen auf ihre Arbeit im Wald". Er betont wiederholt: "Das Heft enthält hauptsächlich bloße Meinungsäußerungen. Wer sich in die Öffentlichkeit stellt, muss sich Kritik gefallen lassen." In Fahrt kommt Falkenrath bei der Frage, ob sich Varkki mit seinen Helfern unerlaubterweise an dem vermeintlichen Keltengrab zu schaffen gemacht hat. "Das Hügelgrab steht unter Denkmalschutz. Das ist eine Sauerei, die hätte bestraft werden müssen." Varkki entgegnete dem, er habe lediglich - in Absprache mit dem Landespflegeamt - Unrat aus dem Wald entfernt. Günther Köhler wendet ein, dass diese Sachverhalte nicht Thema in einem einstweiligen Verfügungsverfahren sein könnten. "Meiner Meinung nach ist es das Klügste, wenn gewisse Begriffe geschwärzt werden. Dadurch wird der Sinngehalt der Broschüre nicht verändert." Falkenrath wehrt sich zunächst noch, und auch Varkki sieht seine Interessen nicht befriedigt. Doch schließlich sind beide Parteien bereit, sich zu vergleichen und die strittigen Ausdrücke zu ändern: Wenn das Heftchen demnächst wieder über die Ladentheken geht, wird darin nicht mehr von einem Eskimo, sondern von einem "Nicht-Bayer" die Rede sein. Der "Guru aus Indien" bleibt hingegen ein Guru. Aus der "Schaumschlägerei", "Selbstbeweihräucherung" und "Schaumacherei" wird "Berichterstattung" und "Darstellung". "Das ist das Maximale, was sie erzielen konnten", sagt Köhler und schließt die Verhandlung.Zweites Keltenfest ist bereits geplant

Während der Rechtsfrieden so gut wie wiederhergestellt ist, werden die Animositäten vermutlich noch ein wenig weiter schwelen im Neuerburger Land. Den Eindruck vermitteln zumindest die Streitparteien sowie einige offensichtlich erhitzte Gemüter unter den Zuschauern nach der Verhandlung auf dem Flur des Gerichts. "Ich bin zufrieden, dass das Verfahren friedlich über die Bühne gegangen ist", sagt Falkenrath, "mit den Änderungen bin ich nicht zufrieden. Jemand der sich nicht über die Kelten und unsere Heimatkultur kundig gemacht hat, kann sich einfach nicht an die Spitze eines Heimatvereins stellen." Verghese Varkki verkündet indessen, dass er bereits ein zweites Keltenfest in Planung habe. "Wir haben ja gehört. Ihre Meinung ist ihre Meinung. Es ist das Ergebnis, das zählt: Es waren 2000 Leute beim Fest und 16 Vereine haben mitgemacht und wir haben eine gute Zeit gehabt. "

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